Eine Jugi mit historischem Hintergrund
Eine Jugi mit historischem Hintergrund
Das idyllisch in Leissigen am See gelegene Häuschen lässt auf den ersten Blick nicht vermuten, dass es als eine von über fünfzig Jugendherbergen in der Schweiz genutzt wird.
Text & Fotos: Monica Schulthess Zettel
Ob Dr. Albert Wander jeweils am Morgen eine Ovomaltine getrunken hat, ist nicht überliefert. Aber die Weiterentwicklung des «Kraftnährmittels» seines Vaters, das im Jahr 1904 mit dem Namen Ovomaltine die Marktreife erlangte, ist bis heute erhalten geblieben. Und auch seine ehemalige Sommerresidenz in Leissigen am Thunersee ist der Nachwelt erhalten geblieben – in Form einer Jugendherberge. Diese spannende Geschichte wird im folgenden Abschnitt erzählt.
Wie aus dem «Vogelnest»
eine Jugendherberge entstand
Das Albert-Wander-Haus
Das Hauptgebäude – das Albert-Wander- Haus – wurde 1916 nahe des Seeufers gebaut. Das Haus verfügt über ein gemauertes Hochparterre, das auf einem Kellersockel liegt. Die beiden oberen Stockwerke sind aus Holz gebaut und das Satteldach prägt den Stil dieser einstigen Villa. An der Fassade sind verschiedenfarbige Verzierungen aufgemalt sowie unter anderem der übersetzte Spruch «Kleines Haus, grosse Ruhe». Über der kunstvoll geschnitzten Eingangstüre mit einer schmiedeeisernen Rosette und einem kreisrunden Glas dahinter findet sich ein schönes Gemälde mit zwei Engeln. Betritt man das Gebäude, so findet man gleich zur Rezeption, der wohl kleinsten aller Jugendherbergen in der Schweiz. Im danebenliegenden Speisesaal ist ein Cheminée eingebaut. Von hier gelangt man direkt auf die schattige Laube, die über zwei Seiten des Hauses verläuft und wo sich weitere Sitzmöglichkeiten befinden. Neben dem Speisesaal, welcher mit Tischen und Stühlen aus Holz bestückt ist, befindet sich der Aufenthaltsraum. Dominierend ist hier der grosse weisse Kachelofen mit blauen Zeichnungen. Der Ofen wird mit Holz befeuert und auf dessen Bänklein sitzend wärmen sich die Gäste bei kühlen Temperaturen. Da das ganze Haus nicht isoliert ist, ist diese Jugendherberge nur halbjährig im Sommer geöffnet. In diesem Raum gibt es auch eine Spielecke für Kinder und es ist eine kleine Bibliothek untergebracht. Wie der Speise- saal ist auch dieser Raum gegen den See ausgerichtet. Die eher kleine Küche befindet sich gleich daneben im polygonalen Anbau. In den beiden oberen Stockwerken befinden sich ingesamt acht Zimmer für die Gäste, sanitäre Anlagen, private Räumlichkeiten des Betreibers sowie kleine Lager- flächen für verschiedenes Material. Die gegen den See ausgerichteten Zimmer verfügen zusätzlich über einen Zugang zum Balkon.
Die Dépendance
Die Dépendance – das ehemalige Personalhaus – befindet sich am hinteren Ende der grossen Parkanlage. Hier stehen den Jugendherbergegästen ingesamt sechs Zimmer sowie eine kleine, schattige Terrasse zur Verfügung.
Das Bootshaus
Das Bootshaus liegt direkt neben dem kleinen Kieselstrand beim See. Verschiedene Surfbretter sowie ein Ruderboot stehen den Gästen zur Verfügung, und eine bogenförmige Steinmauer schützt das kleine Holzhäuschen vor hohem Wellengang. Ein schönes Detail sind die grün gestrichenen Fensterläden aus Holz mit ausgeschnittenen Herzen.
Der Gartenpark
Besonders erwähnenswert ist der herrschaftliche Gartenpark mit wertvollem Baum- bestand. Am imposantesten ist die grosse Blutbuche am Seeufer, die seit 1979 unter Schutz steht, etwa 100 Lenze zählt und damit erst rund die Hälfte ihrer möglichen Lebensjahre erreicht hat. Wie in einer Mitteilung der Naturforschenden Gesellschaft in Bern aus dem Jahr 1980 zu lesen ist, erfolgte das Gesuch zur Unterschutzstellung auf Antrag der Eigentümerin, der Pensions-, Witwen- und Waisenkasse der Firma Wander AG in Bern, da es zu dieser Zeit in der Gemeinde Leissigen noch keine Baumschutzverordnung gab. In einem kleinen Gartenbeet im hinteren Teil des Parks werden Kräuter, Salat und etwas Gemüse angepflanzt, und je nach Saison können Äpfel, Pflaumen sowie Kirschen geerntet werden. Letztere werden vom Gastgeber zu Marmelade verarbeitet.
Im Garten gibt es viel zu entdecken – auch Kunstwerke –, und gerade die jungen Gäste haben viel Platz für Spiele, sei es zum Beispiel für Fussball oder einen Tischtennismatch, oder für eine Partie Schach. Aber auch viele Tiere finden hier wichtigen Lebensraum. Seien es Eidechsen, die sich bei Gefahr geschwinde zwischen den Steinen verstecken, oder Vögel, die von Ast zu Ast hüpfen und in den schönsten Tönen singen.