Wohnliche Schulhausarchitektur im Seefeld

Wohnliche Schulhausarchitektur im Seefeld

Wohnliche Schulhausarchitektur im Seefeld

Im Sommer 2017 wurde im Seefeld- Quartier ein Annexbau zur Wirtschaftsschule Thun erstellt. Dabei wurde ein harmonischer Ausgleich zwischen den funktionalen Anforderungen an ein Schulhaus und den architektonischen Eckpunkten des Quartiers gesucht – und gefunden.

Text: David Heinen  |  Fotos: Andrea Abegglen

Noch in der Mitte des 19. Jahrhunderts war das Seefeld-Quartier weitestgehend unbebaut. Doch die Städteplaner verfolgten ehrgeizige Ziele im Quartier; angetrieben durch den blühenden Tourismus wollte man den vermögenden Gästen ein prächtiges Villenquartier präsentieren. Von diesem Plan rückte man jedoch mehrheitlich wieder ab, und es entstand Schritt für Schritt ein Quartier, das sich durch anspruchsvolle Wohn- und Gartenbauten auszeichnete. Die Bautätigkeit setzte sich stetig fort, bis gegen Ende der 1930er-Jahre fast das gesamte Quartier überbaut war. Auch heutzuta­ge besticht das Seefeld durch stattliche Wohnhäuser, viel Grünfläche und schöne Gärten. Doch auch einige Bildungsstätten sind dort beheimatet, etwa seit Jahrzehnten die Wirt­schaftsschule Thun, die 2017 schliesslich mit dem Annexbau an der Äusseren Ring­strasse eindrücklich erweitert wurde.


Elegante Eingliederung ins Quartier

Obwohl der Annexbau in direkter Nachbarschaft zur Wirtschaftsschule erstellt wurde, steht er selbst im Wohnquartier; und diesem Umstand musste architektonisch Rechnung getragen werden. In einem ersten Schritt erstellte die zuständige Brügger Architekten AG aus Thun eine ausführliche städtebauliche Analyse des Seefelds. Sie betrachteten historische Pläne und untersuchten die Entwicklung des Quartiers. Selbstverständlich enthalten solche Vor­bereitungen auch baurechtliche Abklärungen. Das Baureglement der Stadt Thun hält beispielsweise fest, durch welche Eigenschaften sich die jeweiligen Quartiere auszeichnen, und bestimmt, inwiefern diesen Aspekten Genüge getan werden muss.  Um der Fremdnutzung durch das Schulgebäude in der Wohnzone gerecht zu werden, versuchte man, den Neubau in seiner architektonischen Gestaltung an den Nebengebäuden auszurichten. Wie die ineinandergreifenden Kuben zeigen, handelt es sich von der Form her um ein sehr modernes Gebäude, das einen ganz eigenen Ausdruck hat. Doch unter anderem bei der Materialisierung wurde versucht, diejenige der umliegenden Gebäude aufzugreifen. Das zeigt sich beispielsweise am groben Putz, der demjenigen der Gebäude in direkter Nachbarschaft entspricht. Auch die Einfassung der Fenster durch Betonelemente orientiert sich an der rundherum herrschenden Bauweise. Zusätzlich wurde das verbreitete Merkmal einer Umgebungsmauer mit Zaun wiederholt.



Instabile Grundlage

Lange Jahre stand das Grundstück an der Äusseren Ringstrasse leer. Vor etwa 100 Jahren wurde darauf noch Lehm abgebaut. Als der Lehmabbau sein Ende nahm, wurde die bestehende Baugrube mehr oder weniger zu einer Müllhalde. Genauer gesagt: Die Baugrube wurde mit verschiedenstem Bauschutt aufgefüllt. Das wahre Ausmass davon kam erst während der Bauphase zutage und bedingte ziemlich aufwendige und kostspielige Aushubarbeiten. Zudem mussten grosse Mengen des Aushubs zu einer Sonderdeponie gebracht werden, wo diese speziell entsorgt wurden. Generell bedeuteten die geologischen Gegebenheiten die grösste Herausforderung für das Bauprojekt. Das Seefeld ist ein sehr feuchtes Gebiet, und auch auf dem Baugrundstück ist der Grundwasserspiegel sehr hoch. Da das Gebäude im Grundwasser steht, musste während des Bauens Wasser abgepumpt werden. Und die Fundierung des Gebäudes stellte die Planer und Planerinnen vor zusätzliche Schwierigkeiten: Tragender Untergrund ist erst in grosser Tiefe anzutreffen, entsprechend reichte ein einfaches Fundament nicht aus. Die Last des Gebäudes verteilt sich nun auf über 30 Pfähle, sogenannte HEA-Profile, die bis auf den tragenden Grund – in einer Tiefe von etwa 10 bis 15 Metern – gerammt wurden. Auch die Platzverhältnisse waren nicht gerade ideal; mitten in einem Wohnquartier die letzte freie Parzelle zu bebauen, ist eine Herausforderung. Der Kran hatte gerade noch am Rand der Parzelle Platz. 

Topmoderne Klassenzimmer

Nach der Bauzeit von einem knappen Jahr wurde im Sommer 2017, pünktlich zum Beginn des Schuljahrs 2017/2018, der Annexbau fertiggestellt. Trotz der Ausrichtung an den umliegenden Wohnhäusern hat das Gebäude eine ganz eigene Erscheinung. Es besticht mit klaren, eleganten Linien und einer Staffelung in Grundriss und Höhe – alles andere als ein langweiliger Klotz. Die Schüler und Schülerinnen konnten fünf topmodern eingerichtete Schulräume und einen Gruppenraum beziehen, zusätzlich verfügt der Annexbau über eine begehbare Dach­terrasse. In der Innengestaltung wurde viel Sichtbeton verwendet, was eine sehr genaue Planung des Schalungsverlaufs erforderte, damit der Fugenverlauf exakt passt. Da es sich um einen Erweiterungsbau handelt, konnte man sich betreffend die Räume allein auf den Schulbetrieb fokussieren: Es mussten keine Verwaltungsräumlichkeiten, keine Mensa usw. geplant werden, da die Grundinfrastruktur bereits vorhanden war. Die multimedialen Anforderungen an ein Schulhaus sind heutzutage natürlich einiges umfassender als früher. Eine gewöhnliche Wandtafel und ein Hellraum­projektor reichen nicht mehr aus. Deshalb braucht es viele Kabelanschlüsse, sodass durch die ganzen Schulzimmer ein Bodenkanal verlegt wurde, an dem man die verschiedenen Geräte anschliessen kann. Eine Herausforderung war auch die Raum­akustik, da die harte Oberfläche des Betons ausgeglichen werden musste. Deshalb wurde ein aus einzelnen, leicht ersetzbaren Panels bestehender Teppich verlegt.

Seit bald fünf Jahren ist das Seefeld nun um ein neues Gebäude reicher, das die architektonische Diversität des Quartiers perfekt ausdrückt und eine harmonische Verbindung zwischen den Wohnbauten und der Bildungseinrichtung schafft.

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