Mediterraner Flair am Spiezberg
Mediterraner Flair am Spiezberg
Auf dem Spiezberg steht eines der schönsten Gebäude von ganz Spiez. Die herrschaftliche Villa kann auf eine bewegte Geschichte zurückblicken: Ursprünglich als Nervenheilanstalt gebaut wacht dort heute die Gemeindeverwaltung über die Geschicke von Spiez.
Text & Fotos: David Heinen
Das eindrückliche Bauwerk ist nicht sofort sichtbar, wenn man der Spiezbergstrasse entlang spaziert. Denn die Gemeindeverwaltung liegt etwas versteckt hinter dem Schulhaus und dem schönen Park mit seinen imposanten Bäumen. Doch steht man erst einmal davor, dann beindruckt das architektonisch äusserst spannende «Sonnenfels». Einen italienischen Flair versprüht das Gebäude, und das kommt nicht von ungefähr, schliesslich liess sich der Bauherr von der italienischen Villenarchitektur inspirieren. Verstärkt wird dieser Eindruck durch den kleinen Park mit verschiedenen exotischen Pflanzen und dem auf einem Steinsockel erbauten, charmanten Holz-Pavillon. Passend dazu herrscht dort oben auch das mildesten Klima von ganz Spiez. In Anlehnung an den Historismus wurde ein herrschaftlich anmutendes Gebäude erstellt, dessen architektonische Gestaltung an vergangenen Stilepochen angelehnt ist. Der imposante Eckturm erinnert sogar ein wenig an Schlösser aus längst vergangenen Tagen.
Im Jahr 1893 erwarb der aus Spiez stammende Arzt Ernst Mützenberg die grosse Parzelle auf dem Spiezberg. Nach mehrjähriger Bauzeit wurde 1896 unter dem Namen «Kuranstalt Sonnenfels» schliesslich ein Nervensanatorium eröffnete. Bereits die prachtvolle Bauweise der Anstalt macht deutlich, dass Mützenberg ein vermögendes Klientel im «Sonnenfels» betreuen wollte. Der Zeitpunkt war auch äusserst gut gewählt, da 1893 Spiez an die Eisenbahnlinie Interlaken–Bern angeschlossen wurde. Die Patientinnen und Patienten aus gutem Hause mussten nicht mehr beschwerlich mit der Kutsche anreisen, sondern konnten am neuen Bahnhof Spiez in Empfang genommen werden. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde die Anstalt laufend erweitert, sodass 1927, als Mützenberg die Leitung des «Sonnenfels» abgab, dort bis zu 140 Patientinnen und Patienten unterkommen konnten.
Ein neues Zuhause für die Gemeindeverwaltung
Im Jahr 1948 begann dann eine neue Epoche für das Gebäude auf dem Spiezberg: Die Gemeinde Spiez erwarb den gesamten Gebäudekomplex, das Hauptgebäude wurde umgebaut, und die Gemeindeverwaltung zog ein. In den nächsten Jahren wurden verschiedene kleinere Umbauten vollzogen, und das «Sonnenfels» verlor je länger je mehr sein ursprüngliches Aussehen. So wurden verschiedene Malereien und auch einige Balkone entfernt. Ursprünglich konnte das «Sonnenfels» auf der Südseite noch eine Aussichtsplattform vorweisen, diese musste schnöden Parkplätzen weichen. In den 1980er-Jahren brauchte die Gemeindeverwaltung dringend mehr Platz, und die Stimmen, die einen Abbruch des historischen Gebäudes zugunsten eines Neubaus forderten, häuften sich. So kam es 1990 zu einer Abstimmung im Gemeindeparlament, und nur der Stichentscheid des Gemeindepräsidenten verhinderte den Abbruch – aus heutiger Sicht ein äusserst wertvoller Entschluss. Vielleicht hätte aber die Denkmalpflege den Abbruch so oder so zu verhindern gewusst; schliesslich lehnte sie das folgende Projekt zur Erweiterung des Gebäudes mit Hinweis auf dessen architektonische und kulturgeschichtliche Bedeutung ab. Entsprechend wurde beschlossen, vorerst nur das Innere zu renovieren und den Ansprüchen einer Gemeindeverwaltung anzupassen. Zehn Jahre später wurde dann vom Gemeindeparlament beschlossen, auch das Äussere gemäss den Vorgaben der Denkmalpflege zu renovieren und damit dem «Sonnenfels» seine originale Ausstrahlung zurückzugeben.
Das «Sonnenfels»
erstrahlt in seinem
ursprünglichen Antlitz
Bei einer vorgängigen Oberflächensondierung kam zum Vorschein, dass die Fassade ursprünglich in einem warmen Gelbton gehalten war und die Balkonelemente sowie die Dach- untersicht grau gestaltet waren. Diese Farbkomposition wurde bei der Renovation als Vorbild genommen, und das Kranzgesims sowie die Balkonbalustraden wurden wieder hergestellt. Zusätzlich wurde das Turmdach saniert. So konnten dann im Herbst 2002 die Restaurationen beendet werden, und seit dieser Zeit zeigt das «Sonnenfels» wieder sein originales Gesicht. Doch auch anderes hat sich auf dem Spiezberg verändert. Seit 2014 steht in direkter Nachbarschaft die äusserst modern gestaltete Bibliothek von Spiez. An dieser Stelle befand sich vorher das sogenannte Fausterhaus – benannt nach der Familie Fauster, die lange Zeit das Anwesen bewohnte. Das Fausterhaus wurde zusammen mit dem Hauptgebäude des «Sonnenfels» errichtet und diente als Remise und Kutscherhaus. Da es im Gegensatz zum Hauptgebäude von geringem architektonischem Wert war, wurde es nicht als schützenswert eingestuft und durfte abgerissen werden.
Auch wenn sich im Innern des Gebäudes einiges getan hat, ist der Charme der alten Villa in der Gemeindeverwaltung doch zu verspüren. So erkennt man beispielsweise im Treppenhaus noch die alten steinernen Treppen, und auch die schmiedeeisernen Geländer sind originalgetreu. Weiter sind in einigen Räumen noch die liebevollen Stuckaturen zu erkennen. Im Eingangsbereich sind solche Spuren von vergangenen Zeiten klar ersichtlich; so wurde die Eingangstür originalgetreu restauriert, und die schönen verzierten Wandplatten im Eingangsbereich sind noch erhalten. Im Laufe der Zeit wurde im Innern einiges getan, schliesslich musste man den sich verändernden Auflagen betreffend Brandschutz gerecht werden und auch dem hindernisfreien Bauen musste Rechnung getragen werden. Die Raumaufteilung wurde den Bedürfnissen, die eine Gemeindeverwaltung mit sich bringt, angepasst. Doch die Grundstrukturen sind alle erhalten. Das ist auch kein Wunder bei 80 Zentimeter dicken Mauern! Aus heutiger Sicht kann es eindeutig als Glücksgriff für die Gemeinde und die Thunerseeregion bezeichnet werden, dass man sich dafür entschieden hat, dieses architektonische Schmuckstück zu retten und damit auch kommenden Generationen diesen erhabenen Anblick zu ermöglichen.
Einen italienischen Flair versprüht das Gebäude, und das kommt nicht von ungefähr, schliesslich liess sich der Bauherr von der italienischen Villenarchitektur inspirieren.