Das Kleinbauernhaus – Zeuge einer vergangenen Lebensart - backup

Das Kleinbauernhaus – Zeuge einer vergangenen Lebensart - backup

Zu einer Kirche gehört immer auch ein Pfarrhaus. Dies war früher so und ist es auch heute noch. Die Zeiten ändern sich, doch der See – der Thunersee – und die grandiose Aussicht sind geblieben.

Text: Monica Schulthess Zettel | Fotos: Christine Hunkeler, zvg

Wer mit dem Schiff – vielleicht sogar mit der dampfbetriebenen «Blüemlere» – nach Spiez reist, der wird bereits von weitem das imposante Schloss Spiez erspähen, das zuvorderst auf einer Halbinsel thront. Dieser Artikel zur Serie «Kunstvoll saniert – Zeitzeugen erhalten» handelt nun jedoch weder vom Schloss noch von der danebenstehenden Schlosskirche, sondern vom alten Pfarrhaus, das direkt über dem Bootssteg gelegen ist. Nebst der weissen Fassade sticht die schindelverrandete Laube mit ihren ebenfalls weissen Fenstern besonders hervor, die über das Wasser ragt. Dass kein Zugang mit Treppe zu sehen ist, weist Interessierte bereits darauf hin, dass hier in den vergangenen Jahrzehnten einiges umgebaut und den heutigen Gegebenheiten angepasst wurde. Heinz Zwahlen, Architekt aus Köniz bei Bern, hat die Renovierungsarbeiten über Jahrzehnte im Auftrag der Denkmalpflege begleitet, und dank seiner Hilfe konnte die ThunerseeLiebi einen Blick hinter die Fassade werfen. Doch beginnen wir draussen, gleich bei der Fassade.

Wie eine Bugspitze an die Fassade gelangte

Wer ganz genau hinschaut, der wird unterhalb der Laube, zwischen den hölzernen Stützen, einen kleinen Schiffsbug entdecken und sich wohl fragen, was es mit diesem auf sich hat. Um moderne Kunst handelt es sich nicht, aber es hat mit dem Pfarrhaus zu tun, beziehungsweise mit Pfarrersleuten, die hier einmal gelebt haben. Wie im Buch «Sagen von Spiez am Thunersee» von Alfred Stettler geschrieben steht, hatte der Pfarrer Jakob an einem schönen Maientag seiner Braut das Ja-Wort gegeben. Gegen Abend, als sich die Gäste verabschiedet hatten, schlug der Bräutigam vor, mit einem Boot auf den See hinauszurudern und den Sonnenuntergang von dort aus zu beobachten. Nachdem sie weit genug hinausgerudert waren, setzten sie sich nebeneinander und beobachteten die letzten Sonnenstrahlen, die noch knapp über die Stockhornkette schienen. Das Boot schaukelte auf den Wellen, und die beiden Verliebten gewahrten nicht, dass ein Unwetter aufzog. Die Wellen wurden immer stärker, es bildeten sich Schaumkronen und Jakob kämpfte nun mit aller Kraft gegen das Wasser, um seine Frischvermählte sicher an Land zu bringen. Aber das Glück war nicht auf ihrer Seite, das Boot kenterte, und die beiden fanden ihr Grab auf dem Grund des Thunersees. Am nächsten Morgen, als sich der Föhnsturm gelegt hatte, fand man das havarierte Boot. Doch nach dieser schrecklichen Nacht wollte es niemand haben. So wurde aus den Bootsplanken Brennholz gehauen, und der Sigrist hängte den Bug als trauriges Mahnmal unter die Laube.

Das vom Denkmalschutz als «erhaltenswert» eingestufte Gebäude präsentierte sich inzwischen in einem desolaten Zustand.

Über 300 Jahre ziehen ins Land

Der Bau des Pfarrhauses wird auf das Jahr 1676 datiert und hat vieles miterlebt, wie die vorgängige Geschichte zeigt. Das historische Gebäude ist wie die danebenliegende Schlosskirche auf der ehemaligen Wehrmauer gebaut, und während das Schloss bereits über 800-jährig ist, gehen erste Angaben zu der Siedlung aufs Jahr 640 n. Chr. zurück. Während die Kirche auch heutzutage noch ihren Dienst tut, dient das Pfarrhaus nicht mehr als Wohnhaus des Pfarrers. Aber es ist noch immer viel Leben im Haus, denn es ist aktuell an eine Familie mit Kindern und Hunden vermietet. Und wie es der Zufall will, haben die Mieter vor Jahren nebenan in der Kirche geheiratet, nicht ahnend, dass sie einmal genau hier wohnen würden. Das wäre für sie damals ein Traum gewesen, einer, der nun Wirklichkeit geworden ist – mit traumhaftem Ausblick.


Hinter dicken mauern

Die Wohnung hat sieben Zimmer, eine grosse Wohnküche, und die Laube wurde zu einer Veranda umfunktioniert. Die Wohnung wurde durch die Mieter speziell eingerichtet, Modern trifft auf Rustikal, es hat viele Erinnerungsstücke, und doch merkt man, dass hier gelebt wird. Besonders auffällig sind die Holzböden, wobei es sich gemäss Werner Briggen von Briggenparkett in Spiez, welcher bei Sanierungen der Böden zuständig war, zum Teil noch immer um Originalböden handelt. Wo nötig, wurden Teile mit der gleichen Holzart ausgewechselt, wobei je nach Raum verschiedene Hölzer verlegt sind. Während im Esszimmer die schmalen Bretter aus Fichte und die breiten aus Tanne sind, wurde im Elternschlafzimmer Eiche verwendet. Interessant ist ein Boden aus Pitchpine, der irgendwann einmal den langen Weg vom Südwesten von Amerika oder Mittelamerika nach Spiez gefunden hat. Das Haus hätte noch viel zu erzählen, selbst ein Plumpsklo, das zu seiner Zeit direkt über den See mündete, ist erhalten geblieben, wie auch schöne Malereien in den Fensternischen.

Im Garten findet sich viel Platz zum Verweilen.

Ein verwunschener Garten

Nicht nur das Haus ist historisch wertvoll, sondern auch der Garten, der in der Liste historischer Gärten und Anlagen der Schweiz geführt wird und vermutlich Anfang des 19. Jahrhunderts angelegt wurde. Er ist im Stile eines Villengartens konstruiert, mit Sträuchern, Bäumen und Beeten, die mit Stellriemen abgegrenzt sind. Die Gehwege sind mit Kies belegt, ein alter Brunnen und eine Pergola tragen zur besonderen Stimmung bei. Ein Weg führt direkt hinunter zum See, sodass die Familie gerade im Sommer nicht nur den Ausblick auf den See geniesst, sondern die bevorzugte Wohnlage in allen Zügen auskostet.

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