Unterricht im Märchenschloss
Unterricht im Märchenschloss
Seit fast 80 Jahren haben die Hilterfinger Kinder das Privileg, im prachtvollen Schloss Eichbühl ihre ersten Schuljahre verbringen zu dürfen. Nun wurde das historische Gebäude renoviert, auf dass es den Schülerinnen und Schülern noch viele Jahre lang Freude bereiten mag.
Text: David Heinen | Fotos: zvg
Bevor sich die Primarschule Hilterfingen im Schloss Eichbühl einrichtete, hatte das alte Anwesen bereits einige Besitzerwechsel miterlebt. Auch das Schloss, wie wir es heute kennen, war nicht schon immer da. Vor dessen Errichtung hatte bereits eine Villa auf diesem Hügel über dem Thunersee gethront. Nachdem sich das neun Hektaren grosse Gut ursprünglich in klösterlichem Besitz befand, wurde es 1773 von Bern veräussert. Die genauen Besitzansprüche in den folgenden fünf Jahrzehnten konnten leider nicht ermittelt werden. Immerhin findet sich die Spur bereits 1835 wieder: In diesem Jahr erwarb der pensionierte englische Oberst Brown das Grundstück mitsamt seiner Bebauung von einem Ulrich Frutiger.
Zu dieser Zeit stand noch das «Des Alpes», damals besser bekannt als «Pension Eichbühl», auf dem markanten Hügel. Es handelte sich dabei um ein zweistöckiges Haus, in welchem eine kleine, aber gefällige Herberge betrieben wurde – eine der ersten in der Region.
Vor dessen Errichtung hatte bereits eine Villa auf diesem Hügel über dem Thunersee gethront.
Neues Schloss im Eichbühl
1870 war es dann soweit. Die Bauarbeiten für das Schloss Eichbühl hatten begonnen und nach nur fünf Jahren konnte die Familie von Bonstetten bereits in dem unbescheidenen Bauwerk residieren. Im Jahre 1882 übergab Baron Gustav von Bonstetten die Besitzung an seine Adoptivtochter und alleinige Erbin Frau Bertha von Reding. Nebst dem heute noch erhaltenen Treibhaus mit Wohnung sowie dem Schloss umfasste das Gut damals noch eine Scheune mit Wohnung, eine Parkanlage, die bis zum See hinabreichte, ein Bootshaus und landwirtschaftlich genutztes Land. Noch bis zum Anfang des Zweiten Weltkriegs blieb der Familie von Reding mit ihren elf Kindern das Privileg erhalten, in dem pompösen Landsitz wohnen zu dürfen, dann wurde die Besitzung spekulativ verkauft und die Gemeinde konnte sie im Jahre 1943 in ihrem heutigen Ausmass erwerben. Damit ist die Zeit der edlen Gesellschaften im Schloss Eichbühl vorbei, ab nun regieren die Kinder. Der Redingweg, ein kleines Strässchen direkt unterhalb des Schlosses, erinnert aber noch heute an die ehemaligen Besitzer des Guts.
Über die Jahre hinweg ist die Gemeinde Hilterfingen gewachsen und mit ihr auch die Zahl der Schulkinder. Ein Umbau war notwendig, um der wachsenden Nachfrage gerecht zu werden. So wurden verschiedene Wände aus dem Inneren des Schlosses entfernt, damit grössere Räume, die als Schulzimmer geeignet sind, entstehen konnten. Zusätzlich zu den beiden Salons im Erdgeschoss, welche von Anfang an gross genug waren, kamen so sieben weitere Schulzimmer hinzu.
Abgesehen von den Wänden, die entfernt wurden, und den sanitären Einrichtungen, die dem neuen Verwendungszweck des Gebäudes angepasst werden mussten, blieb aber alles beim Alten. Es wurde viel Sorge dazu getragen, dass das Schloss Eichbühl nichts von seiner Schönheit einbüsst.
Eine Zukunft für die Vergangenheit
Seit das Schloss Eichbühl zu einem Schulhaus wurde, sind bereits knapp 80 Jahre vergangen. Dass es heute noch steht und soeben eine neue Renovation spendiert bekommen hat, ist jedoch alles andere als selbstverständlich. Im Jahr 1975 wurde festgestellt, dass insbesondere die drei Wohnungen, die sich im obersten Stock befinden, allmählich renovationsbedürftig werden und dass deshalb eine Erneuerung notwendig wäre. Da darüber hinaus dem gesamten Gebäude – zu diesem Zeitpunkt immerhin schon ziemlich genau ein Jahrhundert alt – eine Erneuerung nicht geschadet hätte, stellte sich die Gemeindeversammlung die Frage, ob man Geld für eine Renovation investieren möchte oder ob es sinnvoller wäre, das alte Bauwerk einfach abzureissen.
Zum Glück hat man sich schlussendlich dazu entschieden, das schöne Schloss zu behalten. Dies haben wir nicht zuletzt dem Engagement von Lis Schüpbach-Baumann zu verdanken. Um die Bürgerinnen und Bürger darauf aufmerksam zu machen, was für einen Schatz Hilterfingen beherbergt, setzte sie sich dafür ein, dass sich die Gemeinde mit dem Schloss an einem Wettbewerb beteiligte, der im Rahmen des Europäischen Denkmalschutzjahres stattfand. Mit dem Schloss Versailles, dem Petersdom oder dem Eiffelturm kann das Schloss Eichbühl in Sachen Grösse zwar nicht mithalten, aber darum geht es ja auch nicht. Diese Initiative, verbunden mit einem Zeitungsartikel, hat dem kollektiven Gedächtnis den kulturellen Wert des Eichbühls in Erinnerung gerufen. Die Gemeindeversammlung entschied sich für eine Renovation, die sodann 1975 bis 1977 unter der Leitung des Architekten Heinz Baumann durchgeführt wurde.
Wieder wie neu
Seit der letzten Renovation ist schon wieder viel Wasser die Aare hinabgeflossen. Um den Spuren der Witterung entgegenzuwirken, erhielt die Fassade nun eine Verjüngung. Wie bereits in den 70er-Jahren beschränkten sich die Arbeiten auch dieses Mal auf die reine Instandhaltung und es wurde alles original-
getreu beibehalten. So können wir die Fassaden in kräftigem Falunrot noch heute bestaunen, wie sie vor rund 150 Jahren vom berühmten Schweizer Architekten Paul Adolphe Tièche entworfen worden waren.
Tièche, der unter anderem das Hotel Thunerhof, das Grand Hôtel in Baden und den Umbau des Kornhauses geplant hatte, wendete in erster Linie historistische Baustile an. Dies trifft auch auf das Schloss Eichbühl zu, welches Elemente aus der Neorenaissance und dem Schweizer Holzstil miteinander kombiniert. Gegen Westen, wo der See liegt, zeigt sich der Hauptbaukörper traufständig mit Quergiebeln. Die anderen Seiten des Geviertbaus sind nicht weniger beeindruckend. Zu erwähnen ist zudem die vielgliedrige Dachpartie des Schlosses. Diese besteht aus steilen Giebel- und Mansarddächern mit stark akzentuierenden Lukarnen.
Die grosszügigen Grünflächen und Parkanlagen, die ursprünglich bis an den See hinunter reichten, wurden inzwischen grösstenteils überbaut. Immerhin blieb der unmittelbare Umschwung erhalten, sodass noch immer stolze Bäume den historischen Landsitz umsäumen.
Schloss, Landsitz und schliesslich Schulhaus. Das Eichbühl hatte bereits viele Funktionen und sah viele Menschen kommen und gehen. Dank der aktuellen Renovation ist sichergestellt, dass sich dies nicht so schnell ändern dürfte. Darüber hinaus liess die Gemeinde prüfen, ob es weiterhin den Anforderungen gerecht wird, die ein Schulhaus erfüllen muss – auch dieser Bescheid fällt positiv aus. Es ist eine wahre Freude, wie es die Hilterfinger geschafft haben, diesen Zeitzeugen nicht bloss zu erhalten, sondern in ihre Gemeinschaft zu integrieren. So profitieren wirklich alle von der Denkmalpflege!
Es ist eine wahre Freude, wie es die Hilterfinger geschafft haben, diesen Zeitzeugen nicht bloss zu erhalten, sondern in ihre Gemeinschaft zu integrieren.