Das Schlüsselmattengut in Spiez: Zwischen Bewahren und Erneuern

Das Schlüsselmattengut in Spiez: Zwischen Bewahren und Erneuern

Das Schlüsselmattengut in Spiez: Zwischen Bewahren und Erneuern

Seit gut einem Jahr erstrahlt das Schlüsselmattengut in Spiez in neuem Licht. Das altehrwürdige Bauernhaus wurde unter der Leitung der brügger architekten ag einerseits zurückhaltend renoviert, anderseits innovativ umgebaut: So wurde innerhalb eines Bereichs des Ökonomieteils ein moderner Neubau erstellt, der von aussen kaum als solcher erkennbar ist – ein wahres Haus im Haus.

Text: David Heinen, Fotos: Roland Trachsel Fotografie, Luca Däppen, zvg

Das imposante Bauwerk am Schlüsselmattenweg bestand vor dem Umbau aus einem grossen Ökonomieteil und einem Wohnteil mit der stattlichen Anzahl von zehn Zimmern – alles in einem eher gehobenen Baustil in Bezug auf die ursprüngliche Nutzungsart und die Dimensionen des Gebäudes erstellt. Es handelte sich also um ein sehr repräsentatives Bauernhaus. Entsprechend wagt man sich nicht zu weit auf die Äste hinaus, wenn man behauptet, dass es sich bei den Erbauern um ziemlich vermögende Bauern gehandelt haben muss. Das alles ist auch für den Laien noch einigermassen erkennbar. Doch will man etwas tiefer schürfen, ist Expertenmeinung gefragt: Die Grundmauern bestanden (und bestehen immer noch) aus sogenannten Bollensteinen, also einem Natursteinmauerwerk. Die ursprüngliche Kellerdecke war dagegen wohl wie der gesamte Überbau des Bauernhauses aus Holz. Diese Informationen in Kombination mit der allgemeinen Bauweise und dem Baustil interpretiert der zuständige Projekt- und Bauleiter Christian Burri dahingehend, dass das Gebäude Ende des 19. Jahrhunderts, wohl etwa um 1880, gebaut wurde. Über die Erbauer selbst ist leider nichts bekannt, und auch die ersten Jahrzehnte des Gebäudes liegen im Dunkeln. Gesichert ist dagegen, dass das Gebäude viele Jahre im Besitz einer Viehhändlerdynastie war und schliesslich 1957 von der Burgergemeinde Bern gekauft wurde. Daraufhin wurde das Gut bis Ende 2019 von einer Pächterfamilie geführt.
 

Den Charme bewahren

Dieser kleine Überblick über die Geschichte und die Substanz des Hauses soll genügen, um den aktuellen Umbau besser zu verstehen. Doch wie präsentierte sich das Gebäude, als man sich Ende 2020 an die Planung des Umbaus machte? Im Grossen und Ganzen hatte das Bauernhaus noch seine ursprüngliche Gestalt. Einzig das Erdgeschoss war um einen Anbau erweitert worden, der wohl mal als Knechtenstube gedient hatte. Selbstverständlich hatten 100 Jahre ihre Spuren hinterlassen, erst recht bei einem Holzhaus. Doch alles in allem war das Bauernhaus in einem guten Zustand und vor allem noch sehr authentisch – und das sollte unbedingt so bleiben. So war die zentrale Anforderung der Burgergemeinde Bern, dass das Gebäude seinen ursprünglichen Charme als Bauernhaus behält. Wie würde der Spagat zwischen dem Erhalten der historischen Bausubstanz und den Anforderungen des zeitgemässen Wohnens gelingen?

Die brügger architekten ag entschied sich für das sogenannte Haus-im-Haus-Prinzip. Innerhalb der alten Bausubstanz wurde ein Neubau erstellt, der von aussen kaum zu erkennen ist. Beim Bauen in der Landwirtschaftszone gilt die Vorgabe, dass 60 Prozent neue Fläche generiert werden darf, solange der Umbau unter demselben Dach stattfindet. Entsprechend verkleinerte man den Ökonomieteil des Gebäudes und platzierte darin die neuen Elemente. Wo sich früher ein Schweine- und ein Pferdestall sowie darüber ein Heuboden befunden haben, findet sich heute einerseits das Treppenhaus, anderseits die Nasszellen, die Eingangsbereiche und zusätzlicher Wohnraum. Dass technische Aspekte wie die Nasszellen im Neubau konzentriert sind, entspricht mitunter auch ökonomischen Überlegungen: Sie verlangen so viele Umbauarbeiten, dass man mit den alten Strukturen kaum zu-rechtkommen würde. Dagegen haben beispielsweise Küchen geringere technische Anforderungen und können deswegen innerhalb der alten Baustruktur einfacher auf den neusten Stand gebracht werden. An der historischen Fassade des Ökonomieteils wurde wenig bis nichts verändert. So sieht man von aussen noch immer die für Bauernhäuser typischen Gimwände, bei denen es sich um Wände aus Holzbrettern mit Lüftungsschlitzen dazwischen handelt. Hinter den Gimwänden musste man jedoch eine neue Fassade mit Fenstern errichten – sonst wäre es gar zügig und dunkel geworden. 

Der ursprüngliche Wohnteil wurde weitgehend beibehalten und eingehend renoviert. So können die neuen Mieter beispielsweise auf topmoderne Küchen zurückgreifen. Auch das wunderschöne Tafelparkett im 1. Obergeschoss wurde gerettet und musste nur instand gesetzt werden. Die Wände behielten ihren ursprünglichen Charme, indem das Holz als Tragstruktur und die Ausfachungen mit Bruchsteinmauerwerk weiterhin sichtbar sind. Ein besonderes Schmuckstück sind die alten Kachelöfen, die allerdings nicht mehr in Betrieb sind und nur noch eine ästhetische Funktion erfüllen. Ein hervorstechendes Merkmal alter Bauernhäuser bilden die Lauben; das ist beim Schlüsselmattengut nicht anders. Sie wurden renoviert und die Dachschrägen mit Glasziegeln erweitert, um mehr Licht zu gewinnen. Neben dem Hauptgebäude befindet sich eine ehemalige Wagenremise, die schon lange als Garage genutzt wird. Sie wurde ebenfalls umgebaut und das Dach mit einer Solaranlage versehen. Zusammen mit der neuen Pelletheizung wird nun Wärme direkt vor Ort produziert.  


Ein Berührungspunkt

Es ist also gelungen, den historischen Charakter des Bauernhauses zu bewahren. Das Haus-im-Haus-Prinzip ermöglicht es, dass sich das Äussere der bestehenden Grundsubstanz unterordnet. Genauso ist der Charme der alten Bauernstuben erhalten geblieben. Man hat jedoch nicht versucht, krampfhaft auf alt zu machen, sondern steht innerhalb des Gebäudes zu den neuen Elementen. Verteilt auf vier Stockwerke sind so fünf Wohnungen entstanden, die elegant die Annehmlichkeiten modernen Wohnens mit dem Charme vergangener Zeiten verbinden.

Neben all diesen architektonischen und bautechnischen Aspekten gab es beim Schlüsselmattengut einen sozialen Aspekt, dem die brügger architekten ag beim Umbau Rechnung trug. Denn zusammen mit den umliegenden Gebäuden bildet das Schlüsselmattengut gerade für Kinder einen Berührungspunkt mit der Landwirtschaft. An ihm führt der Weg zum Schulhaus Räumli vorbei, und viele Kinder passieren jeden Tag das Anwesen. Gleich gegenüber des Guts steht ein Stall, in dem ein Bauer aus Hondrich seine Kühe hält, wenn sie nicht im Sommer auf der Alp sind. Weiter findet man einen alten Brunnen, der behutsam renoviert wurde. Beim Schlüsselmattengut selbst wurde ein Grossteil des Ökonomieteils beibehalten, der auch nach wie vor landwirtschaftlich genutzt wird. Darin befindet sich unter anderem ein Pferdestall, und auch die Rebbaugenossenschaft hat dort ein Lager. Die Kinder treffen um das Gebäude also auf Tiere – manchmal können sie sogar ein Kalb streicheln –, atmen den Duft der Landwirtschaft und spielen mit dem Wasser im Brunnen. Diese Möglichkeiten, mit der bäuerlichen Welt in Kontakt zu treten und sich nebenbei noch miteinander auszutauschen, stellen ein wichtiges soziales Element für die Kinder aus der Umgebung dar.

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