Der «Freienhof» in Thun: Die wahre Konstante ist der Wandel
Der «Freienhof» in Thun: Die wahre Konstante ist der Wandel
Von Gerichtsverhandlungen über Adelsbesuche und Arbeiterversammlungen bis hin zu Bränden und Sprengungen – wenige Gebäude in Thun haben über die Jahr- hunderte so viel erlebt wie der «Freienhof». In der Geschichte der wahrscheinlich ältesten Gaststätte Thuns wurde nun Ende letzten Jahres ein neues Kapitel aufgeschlagen: Nach zweieinhalbjähriger Umbauphase eröffnete das Haus als Hotel Aare Thun aufs Neue seine Tore.
Text: David Heinen, Fotos: Luca Däppen, zvg
Unterschlupf für Delinquenten,
Könige und Arbeiter
Sich der Zukunft öffnen
Kommen wir nun in die Gegenwart. Weshalb hat man sich überhaupt dazu entschieden, das ehrwürdige Hotel neu zu lancieren? Einerseits waren das Gebäude und vor allem die Zimmer in die Jahre gekommen – da gab es auf jeden Fall Veränderungsbedarf. Andererseits hat man sich in der Freienhof Thun AG Gedanken darüber gemacht, wie man das Hotel in Zukunft positionieren will: Welches Gesicht gibt man dem Haus? Was soll es ausstrahlen? Wie kann man den internationalen und den nationalen Tourismus noch besser abholen? So entsprang beispielsweise der heutige Namen dieser Neuausrichtung: Hotel Aare Thun lässt sich vor allem im internationalen Tourismus besser vermarkten. Und nicht nur im Namen, sondern auch in der architektonischen Gestaltung wollte man die unmittelbare Nähe zum Wasser widerspiegeln. Man machte sich also mit grossen Ideen ans Werk. Erste kleine Umbauten wurden bereits 2018 vorgenommen, doch der Löwenanteil davon begann Anfang 2021 und fiel damit in keine einfache Zeit: Während einer Pandemie ein solches Grossprojekt zu realisieren, ist kein leichtes Unterfangen. Es kam zu Lieferschwierigkeiten, und die allgemeine Teuerung trieb die Investitionssumme nach oben. Wie es bei Umbauten – gerade bei einer so alten Bausubstanz – üblich ist, kam zudem einiges Unerwartetes zu Tage. Dies alles führte dazu, dass der Umbau ein halbes Jahr länger als geplant dauerte. Ganze zweieinhalb Jahre blieb der «Freienhof» komplett geschlossen. Bis auf die Grundmauern wurde alles zurückgebaut und neu errichtet. Und auch in der Einrichtung blieb von der Gabel bis zu den Stühlen nichts beim Alten. Seit Ende September 2023 können nun all die Neuerungen bestaunt werden.
Auf zu neuen Ufern
Die federführenden Architekten der Jordi + Partner AG haben die bestehende Architektur des Neubaus aus den Fünfzigerjahren aufgenommen und neu interpretiert. Das umgebaute Gebäude erinnert an ein Schiff, das an der Aarehalbinsel anlegt – Inspirationsquelle war die Architektur von Le Corbusier, der selbst begeistert von Hochseeschiffen gewesen war. Die Innenarchitektinnen von Ushi Tamborriello holten mit runden Durchsichten, einem Schrankkoffer im Hotelzimmer und einer grosszügigen Schiffsbibliothek in der Lobby das Schiffsthema ins Innere des Hotels. Ein Gefühl von Weite, Sehnsucht und Aufbruch pulsiert in diesem Bau, der historische Elemente in zeitgenössische Architektur überführt hat. Bei so viel Neuerungen stellt sich die Frage, ob die Geschichte des Hauses noch präsent ist. Doch der alte «Freienhof» ist nicht ganz verschwunden. Das nun vom Hotel getrennte Restaurant – die beiden werden als unterschiedliche Betriebe auf dem Markt positioniert – trägt nach wie vor den Namen «Freienhof», womit die Geschichte des Gebäudes gewürdigt wird. Das Restaurant hat einen eigenen Eingang, eine eigene Website und die Mitarbeitenden tragen eine eigene Uniform. Das Lokal ist so gestaltet, dass es vorrangig die Thuner und Thunerinnen emotional abholen soll. Von der gutbürgerlichen Ausrichtung hat man sich aber verabschiedet und bietet nun eher gehobene regionale Küche an – gehoben, aber nicht abgehoben präsentieren sich die Küche und das Ambiente. Mit diesem neuen Konzept integriert sich das Restaurant Freienhof elegant in die umfassende Modernisierung des gesamten Komplexes.
Der «Freienhof» hat in seiner langen Geschichte so viele Veränderungen erlebt, dass man sagen könnte, dass die eigentliche Konstante in der Geschichte des Hauses der Wandel ist. Nun wurde ein neues Kapitel aufgeschlagen und Hotel und Restaurant sind ideal für die Zukunft aufgestellt. Man darf gespannt sein, was die Zukunft noch alles für den «Freienhof» bzw. das Hotel Aare Thun mit sich bringt.
Der Gartenpark
Besonders erwähnenswert ist der herrschaftliche Gartenpark mit wertvollem Baum- bestand. Am imposantesten ist die grosse Blutbuche am Seeufer, die seit 1979 unter Schutz steht, etwa 100 Lenze zählt und damit erst rund die Hälfte ihrer möglichen Lebensjahre erreicht hat. Wie in einer Mitteilung der Naturforschenden Gesellschaft in Bern aus dem Jahr 1980 zu lesen ist, erfolgte das Gesuch zur Unterschutzstellung auf Antrag der Eigentümerin, der Pensions-, Witwen- und Waisenkasse der Firma Wander AG in Bern, da es zu dieser Zeit in der Gemeinde Leissigen noch keine Baumschutzverordnung gab. In einem kleinen Gartenbeet im hinteren Teil des Parks werden Kräuter, Salat und etwas Gemüse angepflanzt, und je nach Saison können Äpfel, Pflaumen sowie Kirschen geerntet werden. Letztere werden vom Gastgeber zu Marmelade verarbeitet.
Im Garten gibt es viel zu entdecken – auch Kunstwerke –, und gerade die jungen Gäste haben viel Platz für Spiele, sei es zum Beispiel für Fussball oder einen Tischtennismatch, oder für eine Partie Schach. Aber auch viele Tiere finden hier wichtigen Lebensraum. Seien es Eidechsen, die sich bei Gefahr geschwinde zwischen den Steinen verstecken, oder Vögel, die von Ast zu Ast hüpfen und in den schönsten Tönen singen.