Der «Freienhof» in Thun: Die wahre Konstante ist der Wandel

Der «Freienhof» in Thun: Die wahre Konstante ist der Wandel

Der «Freienhof» in Thun: Die wahre Konstante ist der Wandel

Von Gerichtsverhandlungen über Adelsbesuche und Arbeiterversammlungen bis hin zu Bränden und Sprengungen – wenige Gebäude in Thun haben über die Jahr- hunderte so viel erlebt wie der «Freienhof». In der Geschichte der wahrscheinlich ältesten Gaststätte Thuns wurde nun Ende letzten Jahres ein neues Kapitel aufgeschlagen: Nach zweieinhalbjähriger Umbauphase eröffnete das Haus als Hotel Aare Thun aufs Neue seine Tore.

Text: David Heinen, Fotos: Luca Däppen, zvg

Wenn in dieser Rubrik jeweils die Entwicklung eines spannenden Gebäudes der Thunerseeregion erzählt wird, bedeuten die Recherchen meist ein Tappen im Dunkeln. Wenig ist bekannt und man kann oft nur Mutmassungen anstellen. Erst über neuere Renovationen und die veränderte Gestalt sind jeweils gesicherte Informationen vorhanden. Ganz anders beim «Freienhof»: Die Geschichte dieses ehrwürdigen Gebäudes im Zentrum von Thun ist so reichhaltig und gut dokumentiert, dass an dieser Stelle nur ein kurzer Überblick geliefert werden kann, indem wir geradezu durch die Jahrhunderte hüpfen.
 


Unterschlupf für Delinquenten, Könige und Arbeiter

Der Name «Freienhof» verweist auf einen äusserst spannenden Aspekt der Geschichte des Gebäudes: Vor einigen Jahrhunderten befand sich an seinem Standort wohl eine Gerichtsstätte, wobei die Gerichtsverhandlungen damals meist unter freiem Himmel stattfanden. Als «Freihof» wurde im Mittelalter ein Gebäude bezeichnet, in dem angeblichen Delinquenten Schutz vor Selbstjustiz gewährt wurde, bevor es zu einer ordentlichen Gerichtsverhandlung kam. Dazu kam, dass die Verhandlungen Leute von nah und fern anzogen und oft mehrere Tage dauerten. Diese Menschenschaar musste verpflegt und irgendwo untergebracht werden – dies ist wohl der Ursprung des «Freienhofs», der wahrscheinlich ältesten Gaststätte Thuns. Die erste urkundliche Erwähnung einer Gaststätte an jener Stelle stammt aus dem Jahr 1308. Von «Ort an der Schifffahrt» über «Bogkessenhof» bis zu «Taverne zum Engel» trug sie im Laufe der Jahrhunderte diverse Namen. Im Jahr 1741 kam es zu einem verheerenden Feuer, worauf das Gebäude vierzig Jahre eine Ruine blieb. Ab 1781 wurde unter der Regie des Thuner Städtebauers Christian Friedrich Anneler ein Neubau erstellt, der erstmals offiziell den Namen «Freienhof» trug. Es folgte eine wahre Glanzzeit, Mitglieder der High Society aus ganz Europa nächtigten im edlen Hotel. Ein neues Kapitel wurde im Jahr 1895 aufgeschlagen, als der Luzerner Hotelier Karl Truttmann-Oesch den «Freienhof» erwarb. Er unterzog das Gebäude einer umfassenden Renovation und erweiterte es um einen glamourösen Anbau im Stile eines Grandhotels, der den Namen «Schlosshotel Freienhof» bekam.  Nach den beiden Weltkriegen befand sich der «Freienhof» wie die gesamte Tourismusbranche in einer desolaten finanziellen Situation. Zu diesem Zeitpunkt trat die Thuner Arbeiter-Union auf den Plan. Schon seit Jahren hatte die Gewerkschaft nach einem Treffpunkt gesucht und mit dem Gedanken gespielt, gleich ein eigenes Gebäude zu erwerben. Nach langem Ringen und viel Widerstand aus bürgerlichen Kreisen gelang es 1947 endlich, den Gebäudekomplex als «Genossenschaft Hotel Freienhof» zu erstehen. Der «Freienhof» sollte aber nicht nur als Treffpunkt für die Thuner Arbeiterbewegung dienen, sondern weiterhin als Hotel betrieben werden. Dazu waren aber diverse Umbauten von Nöten. Man entschied sich schliesslich für einen radikalen Schritt: 1957 wurde der ganze Komplex abgerissen. Wobei «abgerissen» etwas euphemistisch ist: Er wurde gesprengt! (Davon sind im Internet sogar noch Videos zu finden.) Danach wurde der historische Altbau von 1873 detailgetreu rekonstruiert, das ehemalige Schlosshotel dagegen durch einen modernen Anbau ersetzt. Damit sind die wohl einschneidendsten Etappen erzählt; einzig ein zusätzlicher Erweiterungsbau von 1971, der den gestiegenen Platzbedarf decken sollte, änderte die Gestalt des «Freienhofs» noch einmal nennenswert. Anfang unseres Jahrtausends wurde dann schliesslich aus der Genossenschaft Hotel Freienhof die Freienhof Thun AG, die noch heute das Hotel betreibt.


Sich der Zukunft öffnen

Kommen wir nun in die Gegenwart. Weshalb hat man sich überhaupt dazu entschieden, das ehrwürdige Hotel neu zu lancieren? Einerseits waren das Gebäude und vor allem die Zimmer in die Jahre gekommen – da gab es auf jeden Fall Veränderungsbedarf. Andererseits hat man sich in der Freienhof Thun AG Gedanken darüber gemacht, wie man das Hotel in Zukunft positionieren will: Welches Gesicht gibt man dem Haus? Was soll es ausstrahlen? Wie kann man den internationalen und den nationalen Tourismus noch besser abholen? So entsprang beispielsweise der heutige Namen dieser Neuausrichtung: Hotel Aare Thun lässt sich vor allem im internationalen Tourismus besser vermarkten. Und nicht nur im Namen, sondern auch in der architektonischen Gestaltung wollte man die unmittelbare Nähe zum Wasser widerspiegeln.  Man machte sich also mit grossen Ideen ans Werk. Erste kleine Umbauten wurden bereits 2018 vorgenommen, doch der Löwenanteil davon begann Anfang 2021 und fiel damit in keine einfache Zeit: Während einer Pandemie ein solches Grossprojekt zu realisieren, ist kein leichtes Unterfangen. Es kam zu Lieferschwierigkeiten, und die allgemeine Teuerung trieb die Investitionssumme nach oben. Wie es bei Umbauten – gerade bei einer so alten Bausubstanz – üblich ist, kam zudem einiges Unerwartetes zu Tage. Dies alles führte dazu, dass der Umbau ein halbes Jahr länger als geplant dauerte. Ganze zweieinhalb Jahre blieb der «Freienhof» komplett geschlossen. Bis auf die Grundmauern wurde alles zurückgebaut und neu errichtet. Und auch in der Einrichtung blieb von der Gabel bis zu den Stühlen nichts beim Alten. Seit Ende September 2023 können nun all die Neuerungen bestaunt werden.


Auf zu neuen Ufern

Die federführenden Architekten der Jordi + Partner AG haben die bestehende Architektur des Neubaus aus den Fünfzigerjahren aufgenommen und neu interpretiert. Das umgebaute Gebäude erinnert an ein Schiff, das an der Aarehalbinsel anlegt – Inspirationsquelle war die Architektur von Le Corbusier, der selbst begeistert von Hochseeschiffen gewesen war. Die Innenarchitektinnen von Ushi Tamborriello holten mit runden Durchsichten, einem Schrankkoffer im Hotelzimmer und einer grosszügigen Schiffsbibliothek in der Lobby das Schiffsthema ins Innere des Hotels. Ein Gefühl von Weite, Sehnsucht und Aufbruch pulsiert in diesem Bau, der historische Elemente in zeitgenössische Architektur überführt hat. Bei so viel Neuerungen stellt sich die Frage, ob die Geschichte des Hauses noch präsent ist. Doch der alte «Freienhof» ist nicht ganz verschwunden. Das nun vom Hotel getrennte Restaurant – die beiden werden als unterschiedliche Betriebe auf dem Markt positioniert – trägt nach wie vor den Namen «Freienhof», womit die Geschichte des Gebäudes gewürdigt wird. Das Restaurant hat einen eigenen Eingang, eine eigene Website und die Mitarbeitenden tragen eine eigene Uniform. Das Lokal ist so gestaltet, dass es vorrangig die Thuner und Thunerinnen emotional abholen soll. Von der gutbürgerlichen Ausrichtung hat man sich aber verabschiedet und bietet nun eher gehobene regionale Küche an – gehoben, aber nicht abgehoben präsentieren sich die Küche und das Ambiente. Mit diesem neuen Konzept integriert sich das Restaurant Freienhof elegant in die umfassende Modernisierung des gesamten Komplexes. Der «Freienhof» hat in seiner langen Geschichte so viele Veränderungen erlebt, dass man sagen könnte, dass die eigentliche Konstante in der Geschichte des Hauses der Wandel ist. Nun wurde ein neues Kapitel aufgeschlagen und Hotel und Restaurant sind ideal für die Zukunft aufgestellt. Man darf gespannt sein, was die Zukunft noch alles für den «Freienhof» bzw. das Hotel Aare Thun mit sich bringt.

Der Gartenpark

Besonders erwähnenswert ist der herrschaftliche Gartenpark mit wertvollem Baum- bestand. Am imposantesten ist die grosse Blutbuche am Seeufer, die seit 1979 unter Schutz steht, etwa 100 Lenze zählt und damit erst rund die Hälfte ihrer möglichen Lebensjahre erreicht hat. Wie in einer Mitteilung der Naturforschenden Gesellschaft in Bern aus dem Jahr 1980 zu lesen ist, erfolgte das Gesuch zur Unterschutzstellung auf Antrag der Eigentümerin, der Pensions-, Witwen- und Waisenkasse der Firma Wander AG in Bern, da es zu dieser Zeit in der Gemeinde Leissigen noch keine Baumschutzverordnung gab. In einem kleinen Gartenbeet im hinteren Teil des Parks werden Kräuter, Salat und etwas Gemüse angepflanzt, und je nach Saison können Äpfel, Pflaumen sowie Kirschen geerntet werden. Letztere werden vom Gastgeber zu Marmelade verarbeitet.

Im Garten gibt es viel zu entdecken – auch Kunstwerke –, und gerade die jungen Gäste haben viel Platz für Spiele, sei es zum Beispiel für Fussball oder einen Tischtennismatch, oder für eine Partie Schach. Aber auch viele Tiere finden hier wichtigen Lebensraum. Seien es Eidechsen, die sich bei Gefahr geschwinde zwischen den Steinen verstecken, oder Vögel, die von Ast zu Ast hüpfen und in den schönsten Tönen singen.

Die Renovationen

Das Albert-Wander-Haus ist bei der Denkmalpflege des Kantons Bern als «schützenswertes» Baudenkmal katalogisiert, was bedeutet, dass sich das Gebäude noch fast im Originalzustand befindet. Folgende Renovationen wurden gemäss den Schweizer Jugendherbergen in den vergangenen Jahren vorgenommen, wobei ordentliche Unterhaltsarbeiten nicht aufgeführt sind. Im Jahr 1997 wurde im Untergeschoss des Haupthauses eine Einliegerwohnung eingebaut. Sechs Jahre später wurden die Oberflächen in den Zimmern renoviert, die Nassräume grösstenteils totalsaniert sowie die Betriebsküche komplett erneuert, wobei sich der Lotteriefonds mit 160000 Schweizer Franken beteiligte. Im Jahr 2012 erfolgte die Restaura- tion des Kachelofens im Speisesaal. Im Jahr darauf wurden im Nebengebäude die Duschen und WCs totalsaniert und der Balkon im gleichen Gebäude ersetzt. Restaurations- und Malerarbeiten wurden im Jahr 2015 durchgeführt, indem historisch relevante Möbel aus der Gründerzeit, wie zum Beispiel die zwei Holzbetten mit farbigen Verzierungen, aufgefrischt wurden. Im gleichen Jahr wurden im Nebengebäude die Lavabos renoviert und mit wasserabweisenden Rückwänden versehen. In diesem Jahr musste der nach Süden ausgerichtete Balkon beim Haupthaus ersetzt werden, und in Planung sind Malerarbeiten an der Fassade. Vorgesehen ist zudem die Optimierung und Instandsetzung der Spielanlage, da viele Familien hier ihre Sommerferien verbringen.

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