«Am See» –  Ein Hauch Moderne an der Seestrasse

«Am See» – Ein Hauch Moderne an der Seestrasse

«Am See» – Ein Hauch Moderne an der Seestrasse

Von der Strasse her gesehen ist die Überbauung «Am See» fast schon unscheinbar. Dieser Eindruck täuscht aber: Hinter den hölzernen Garagen verbergen sich vier Häuser, die es in sich haben.

Text: Carmen Frei  |  Fotos: Roger Baumer/SQWER AG, Christian Helmle

Die Lage an der Seestrasse in Thun ist eine sehr privilegierte und man würde denken, dass sie schon lange vor der Überbauung «Am See» Standort einer schönen Villa gewesen sei. Dem ist allerdings nicht so: Bei dem Grundstück handelte es sich ursprünglich um eine Wiesenanlage, die als Umschwung der Villen in der unmittelbaren Nähe fungierte. Das Grundstück gehörte zu den Besitztümern der Familie de Rougemont. 1922 wurde das Grundstück von Eduard von Goumoens erworben, dessen Nachkommen es mit der neuen Überbauung verkauften. Auf dem benachbarten Grundstück befanden sich früher Dienstwohnungen sowie ein Stallgebäude. Das sogenannte «Geflügelhaus», welches noch heute neben der Überbauung steht, erinnert daran, dass ursprünglich die gesamte Umgebung Teil eines grösseren Anwesens war. Die meisten Häuser, die hier standen, waren Sommerresidenzen. Die Seelage war als dauerhafter Wohnsitz lange unbeliebt, da sie unerwünschte Feuchtigkeit mit sich brachte. Gleichzeitig war die Sonneneinstrahlung ebenso Stein des Anstosses: Die Aussicht auf den See liegt in südöstlicher Richtung, was heisst, dass man auf die beliebte Nachmittagssonne verzichten muss und stattdessen am Vormittag direkte Sonneneinstrahlung hat. Die Selve-Villa, die unweit der Wiesenanlage ihren Platz hatte, war ursprünglich ebenfalls eine Sommerresidenz. Heute steht an jener Stelle das Hotel Seepark. Die Seestrasse hatte schon die eine oder andere Veränderung durchgemacht. So entschloss man sich dazu, die unbebaute Wiese an der Seestrasse für Wohnhäuser zu nutzen. Nach gängiger Praxis der Stadt Thun wurde dafür ein Architekturwettbewerb ausgeschrieben, welcher die brügger architekten ag für sich zu entscheiden wusste.

Die Seelage war als dauerhafter Wohnsitz lange unbeliebt.

In der Planung liegt der Erfolg 

Bevor es soweit kommen konnte, musste viel Zeit für die Planung investiert werden. Heinz Brügger und sein Team hatten schon einige Architekturwettbewerbe gewonnen. «Wir analysieren den Ort genau und beschäftigen uns eingehend mit den Anforderungen der Bauherrschaft», begründet er den Erfolg. Dies beanspruche oft viel Zeit, lohne sich aber. Im Fall der Seestrasse 51 hatte man es mit konkurrierenden Projekten zu tun, die das Grundstück noch stärker bebauen wollten. Am Schluss setzte sich aber das Modell mit den vier Reiheneinfamilienhäusern durch, da es in den Augen des Beurteilungsgremiums am besten auf die Eigenheiten des Standorts und die Bedürfnisse der Nachbarschaft einging. Nach Vorliegen der Baubewilligung wurden die Häuser umgehend erfolgreich verkauft.

Inspiriert von der Moderne 

Der schnelle Verkauf der Häuser zeigte, dass in Thun durchaus Interesse an moderner Architektur besteht. Die Häuser heben sich durch ihre Bauweise und Gestaltung von der Umgebung ab. Das Adjektiv «modern» greift fast zu kurz. Es bedarf einer Präzisierung in Anbetracht der Architektur. Heinz Brügger erwähnt die «Tessiner Schule», die ab Mitte der Siebzigerjahre mit ihrer Architektur bekannt wurde. Vor allem Luigi Snozzi sieht er dabei als Inspiration. Ebenso verweist Brügger auf die Architekturgemeinschaft «Atelier 5» aus Bern und deren Architekturstil mit der klassischen Halensiedlung. «Ich nenne es gerne ehrliche Architektur», erklärt Brügger. Die Materialien wurden sichtbar und stilprägend verwendet. Die Formen fallen vor allem neben den verschnörkelten Villen in der Nachbarschaft durch ihre Schlichtheit auf. Sichtbeton, Eichenholz und Glas sind zu einem ästhetischen Ganzen zusammengefügt. Das Licht stellt einen weiteren wichtigen Bestandteil dar, den man durch geschickt platzierte Oberlichter für die Gestaltung der Häuser verwendet hat. Zudem dominiert auf der Seeseite die grosse Fensterfront, durch welche der Innenraum mit dem Aussenraum verknüpft wird. Einer der Grundgedanken des Gebäudes ist, dass man fast von jedem Zimmer aus auf den See blicken kann. So kann man beispielsweise vom Büro, welches eigentlich auf der Strassenseite liegt, durch das Wohnzimmer und über die Terrasse auf den See sehen. Diese Lenkung des Blicks auf den See wird durch die Positionierung der Häuser unterstützt. Schon früh im Planungsprozess standen die Wandscheiben im Fokus, die die Abgrenzung der Häuser voneinander ermöglichen und den Blick der Anwohnerinnen und Anwohner auf den See leiten. Die Privatsphäre ist dabei immer gewahrt, denn die vier Häuser liegen so nebeneinander, dass jeweils die Terrasse an die Wand des Wohnzimmers des nächsten Hauses grenzt. Ähnlich verhält es sich im Obergeschoss, wo die beiden Räume jeweils auf einer Seite durch eine Betonwand abgegrenzt werden. Von hier aus hat man einen noch besseren Blick auf den See als aus dem Erdgeschoss. Durch die Reduzierung des Ausmasses der Räume im Vergleich zum Erdgeschoss wird gleichzeitig der Eingriff in die Umgebung reduziert. Vom Untergeschoss her kann man sich zu einem Innenhof begeben, der auf die Strassenseite ausgerichtet ist. Die Verbindung von Innen und Aussen ist so in jeder Etage präsent.

Kunst und Design 

Die Architektur der Häuser verlangt auch eine entsprechende Inneneinrichtung. «Die Seestrasse 51 zieht vor allem kunst- und designbegeisterte Leute an», so Brügger. «In den Häusern wohnen kulturinteressierte Menschen, die sie auch entsprechend einzurichten wissen.» Was das genauer heisst, sieht man auch bei ihm zu Hause: Das Eichenholz findet sich in der Möblierung wieder und die Räume sind so ausgestattet, dass sie nicht überladen daherkommen. Der Architektur wird der Raum gelassen, den sie braucht, um ihre Wirkung zu entfalten. Die Nachbarn von Brügger wissen ebenso mit den architektonischen Voraussetzungen umzugehen. «Bei meinen Nachbarn fühlt man sich wie in einer Kunstgalerie», freut sich Brügger. Die Familie, die das letzte Haus der Überbauung bewohnt, hat die Wohnung ebenfalls passend gestalten lassen. Designmöbel, meist in schlichtem Weiss gehalten, führen das Design des Hauses fort. Auf der Terrasse trifft man auf bequeme Lounge-Möbel, die sich unter der Überdachung ideal einfügen. Das kleine Gartenhaus, welches auf der geteilten Parzelle der Häuser steht, wird ebenso mit den richtigen Designmöbeln komplementiert.


Herausforderung Uferweg

Was nun wie vorgesehen wirkt, war ursprünglich Bedingung: Der Uferweg war bereits vor dem Projekt geplant und formte als Vorgabe den Entwurf der Architekten. Er führt quer über das Grundstück und stellte, vor allem der Privatsphäre wegen, durchaus eine Herausforderung dar. Auf die Vorgabe wurde so eingegangen, dass die Grundstücke, auf denen die jeweiligen Häuser stehen, den Hausbesitzern gehören, das Grundstück mit Seezugang teilt man sich jedoch – der Uferweg teilt das Grundstück entsprechend auf. Die Individualität ging trotzdem nicht vergessen: Von jedem Grundstück aus führt ein Holztor zum öffentlichen Uferweg, auf der gegenüberliegenden Seite wurde jeweils ein Gartentor in den Zaun eingefügt, welches den Zugang vom eigenen Grundstück auf die geteilte Parzelle ermöglicht. Spazierende sind dabei immer noch ideal von den Häusern abgeschirmt, die Mauern um die Häuser sind derart konzipiert, dass der Blick vom Uferweg die Gärten der Häuser nicht preisgibt, der Blick von den Häusern aus auf den See aber nicht verdeckt ist.

Der Architekt des eigenen Hauses 

Dass Heinz Brügger selber in eines der Häuser einzieht, war nicht geplant. Nachdem drei Häuser verkauft waren, entschloss er sich, das letzte Haus mit seiner Familie zu beziehen. Er ist zufrieden mit dem Ergebnis seines Projekts. Dieses beinhaltete auch die Möglichkeit, die Innenräume der Häuser unterschiedlich zu gestalten. Jede der vier Nachbarschaften besitzt ein einzigartiges Zuhause. Der Innenhof, der bei den meisten auf der Seite der Strasse im Untergeschoss liegt, ist bei einem der drei Häuser ein Keller, der Platz über dem Keller schön bepflanzt. Bei der Raumaufteilung in den Häusern wird differenziert. Im einen Haus ist das Erdgeschoss nur in zwei Räume mit einer «Schrankinsel» in der Mitte des Wohnraumes aufgeteilt, beim anderen Haus wurde die Etage in drei oder sogar vier verschiedene Räume unterteilt. In einem anderen Haus wurde eine Einlegerwohnung eingeplant, die bei den anderen nicht vorhanden ist. Zudem unterscheidet sich das letzte der vier Häuser durch die Grösse. Die Individualität kommt also trotz einheitlicher Erscheinung in keinem Fall zu kurz.

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