Auf rasanter Fahrt mit den Huskys
Auf rasanter Fahrt mit den Huskys
Im Wald herrscht idyllische Stille, nur das Geräusch von 40 Hundepfoten, die durch den Schnee preschen, ist zu hören. Schnell, jedoch sanft gleitet der Wagen zwischen den Bäumen hindurch. Im nächsten Moment durchbricht das Gespann die letzte Reihe Bäume und überquert ein offenes Feld mit weiter Aussicht auf die schneebedeckten Berge. Etwa so fühlt es sich an, das unvergessliche Erlebnis, welches Ruedi Grütter mit seinen Huskywagenfahrten in Heimberg anbietet.
Text: Laura Scheidegger | Fotos: zvg
Hier darf die junge Kander noch mäandrieren, wie es ihr beliebt, und schlägt darum gelegentlich überraschende Läufe ein. Im Gasteretal kann man einen Fluss erleben, wie er früher war – bevor die grossen Gewässerkorrekturprojekte des 19. und 20. Jahrhunderts die Schweizer Flüsse und Ströme kanalisierten, zähmten und zivilisierten. Als Kind versuchte Adolf Ogi zusammen mit seinem Vater, die Ufer der Kander im Gasteretal aufzuforsten und so den Flusslauf zu stabilisieren. Wenn aber die Kander im Gasteretal stark anschwillt, ist sie kräftig genug, um auch grosse Bäume mitzureissen. Selbst die Hängebrücke bei Selden ist nicht sicher vor dieser Urgewalt und wurde schon mehrmals beschädigt. Eine Wanderung durch das Bachbett der Kander im Gasteretal ist immer auch eine Art Zeitreise, denn «dank der kanalisierten Flussläufe durch stabile, schnurgerade Flussbette sind wir uns heute gar nicht mehr an die zerstörerische Gewalt des Wassers gewöhnt. Ich erinnere mich gut, wie das früher war und welchen Segen die Bach- und Flusskorrekturen für Mensch und Tier darstellten», meint Ogi.
Die Geschichte des Gasteretals ist aber auch eine Geschichte der Menschen, die seit vielen Jahrhunderten in und mit diesem Tal leben. Noch vor nicht allzu langer Zeit war das wilde Tal sogar ganzjährig bewohnt – so lebte etwa Adolf Ogis Grossmutter Margrit Ogi-Künzi in ihrer Jugend ganzjährig in Selden. Dies ist heutzutage nicht mehr möglich; zu gefährlich sind die Winter im von hohen, steilen Felswänden umringten Trogtal. Aus diesem Grund wird im Oktober auch die einzige Zufahrtsstrasse geschlossen. Im Sommer aber kehrt wieder Leben ein, denn im Gasteretal existieren noch Spuren der uralten halbnomadischen Lebensweise, die den Völkern des Alpenraums einst eigen war. So gibt es hier noch die altehrwürdige Institution des Dorfältesten, in dessen Obhut sich die berühmte, über 300 Jahre alte Gasterebibel und die etwas jüngere Gasterechronik befindet. Der jetzige Dorfälteste Christian Künzi führt nebenher auch das Gasthaus Steinbock, in dem man am knisternden Kaminfeuer den Geist dieses Tales auf sich wirken lassen kann.
Kann man einen Besuch in diesem Naturschutzgebiet aber überhaupt verantworten? Darf man hingehen und etwa mit den eigenen Füssen durch das Bachbett der jungen Kander spazieren? Selbstverständlich, sagt Adolf Ogi, dem das Schlusswort überlassen sei: «Im Grunde unseres Herzens sind wir doch alle noch ein wenig Kantianer und durchaus fähig und willens, Verantwortung für etwas zu übernehmen. Indem ich meine Lieblingsplätze bekannt mache, werden sie in ihrer ganzen Bedeutung als wertvolle Orte in einer intakten Landschaft wahrgenommen und etwas Wertvolles zu schützen, sind die Menschen gerne bereit. Ich bin schon zu lange Politiker, als dass ich den Kräften der Demokratie nicht vertraute. Auch das Tragen von Verantwortung haben wir in den letzten fast hundert Jahren demokratisiert. Wir sind als Gesellschaft durchaus in der Lage, auch mit sensiblen Landschaften umzugehen und zu diesen ganz speziell Sorge zu tragen, das liegt mir sehr am Herzen.»
Die lange Suche nach einem Ort für die Schlittenfahrten
Die Haltung eines Husky-Rudels und das Schlittenfahren sind jedoch teure Unterfangen und bald merkte Ruedi Grütter, dass er irgendwie Einnahmen generieren musste. So entschloss er sich, die Hundeschlittenfahrten kommerziell anzubieten. Mit dieser Entscheidung begann jedoch auch eine dreijährige Suche nach einem passenden Ort, wo die Fahrten stattfinden konnten. Eine der Hauptschwierigkeiten während dieser Suche waren die strengen Bauvorschriften bei Arealen, die gross genug für das Projekt waren. Denn um die Schlittenfahrten überhaupt durchführen zu können, brauchte Ruedi Grütter unter anderem einen Zwinger für die Hunde wie auch Schlafmöglichkeiten für die Gäste und das Team. Schliesslich fand er in Oberwald im Wallis den perfekten Austragungsort für die Hundeschlittenfahrten. Denn im Holiday-Camp im Ort konnte Ruedi Grütter ein kleines Husky-Dorf errichten und seine Gäste in Schlaffässern unterbringen, damit das Abenteuer bereits in aller Früh am nächsten Morgen starten konnte.
Eine neue Ära mit dem Wagen
So bot er während mehreren Saisons erfolgreich Hundeschlittenfahrten an. Auf vier Schlitten mit Gespannen von je acht bis zehn Hunden verteilt, bot er so rund hundert Leuten pro Woche ein einmaliges Erlebnis. Doch seit letztem Winter ist leider Schluss mit den Schlittenfahrten. «Auf Dauer wurde es einfach zu anstrengend!», berichtet Ruedi Grütter. «Ich bin nicht mehr der Jüngste und das Pendeln zwischen Heimberg und dem Wallis jede Woche ging mit der Zeit recht auf die Knochen.» Ein wichtiger Grund, warum sich Ruedi Grütter gezwungen sah, die Schlittenfahrten nicht mehr anzubieten, war jedoch der Mangel an gutem Personal. «Plötzlich hatten wir grosse Mühe, gute und motivierte Leute zu finden. Die Arbeit war saisonal nur im Winter und recht anstrengend.» Er benötigte aber unbedingt zusätzliches Personal, da er nicht sein ganzes Team mit ins Wallis nehmen konnte, denn auch die Tiere in Heimberg wollten Betreuung.
Doch ganz aufgegeben hat Ruedi Grütter die Hundefahrten nicht. Er hat einfach die Unterlage gewechselt, denn nun fährt er seine Huskys mit dem Wagen aus. Im Moment hat er noch zwanzig einsetzbare Huskys und vier Oldies. Auf dem Wagen können zwei Personen gemütlich sitzen und die Fahrt geniessen. Doch genau wie früher die Schlittenfahrten, sind auch die Wagenfahrten stark saisonal. Denn bevor die Temperaturen nicht unter 15° Celsius gesunken sind, können die Huskys nicht eingesetzt werden, zu gross ist die Gefahr, dass die Hunde einen Hitzestau erleiden. Die Saison startet somit normalerweise Ende Oktober oder Anfang November und dauert bis ca. Ende April.
Entlang der Aare und durch den Blätterwald
Wenn Interessierte erfahren, dass die Schlittenfahrten nicht mehr angeboten werden, sind viele im ersten Moment enttäuscht. Schliesslich verbindet man Huskys irgendwie automatisch mit diesem ikonischen Fortbewegungsmittel. Schlussendlich seien sie jedoch alle restlos von den Wagenfahrten begeistert, meint Ruedi Grütter und erklärt auch gleich die Vorteile: «Mit den Schlitten konnten wir nur auf vordefinierten Pisten fahren, mit dem Wagen sind wir viel freier und müssen nicht immer den genau gleichen Weg nehmen.» Zudem ist der Wagen um einiges schneller als der traditionelle Schlitten, mit ihm erreicht man Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 35 Kilometer pro Stunde. Die Umgebung von Heimberg bietet die perfekte Kulisse für die idyllischen Wagenfahrten mit Huskys. Eine von Ruedi Grütters Lieblingsrouten verläuft über die nahen Felder und dann hinunter zur Aare. Die Huskys folgen dann eine Weile dem Flusslauf, bevor Ruedi Grütter sie durch Wälder wieder zurücklenkt. «Besonders im Winter ist diese Tour unglaublich schön und friedlich! Man hört dann im Wald nichts ausser dem Knirschen des Schnees unter den Pfoten der Hunde.»
Videokonferenz mit dem Vierbeiner
Neben den Wagenfahrten betreibt Ruedi Grütter zusammen mit seinem Team ein reguläres Tierheim und Tierferienheim für Hunde, Katzen und Kleintiere. Sollte während den Ferien die Sehnsucht nach dem Vierbeiner zu gross werden, hat Ruedi Grütter eine Lösung bereit: Eine Kamera nimmt den Aussenbereich der Hunde auf, das Filmmaterial kann auf der Homepage des Tierheimes angesehen werden. «Ich habe auch schon Anrufe aus Amerika erhalten, in denen mir Besitzer überglücklich mitgeteilt haben, dass sie gerade ihren Hund draussen haben beim Spielen beobachten können.»
Alle Mitarbeiter sind ausgebildete Tierpfleger und der Betrieb bildet zudem Lehrlinge aus. Auch Ruedi Grütters Tochter Cyrine arbeitet im elterlichen Betrieb und übernimmt diesen nun schrittweise von ihrem Vater. «Es ist schön zu sehen, wenn jemand mit viel Herzblut die Tradition weiterführt», meint Ruedi Grütter stolz.
«Besonders im Winter ist diese Tour unglaublich schön und friedlich! Man hört dann im Wald nichts ausser dem Knirschen des Schnees unter den Pfoten der Hunde.»
Kontakt
Tierferienhof Rotachen
Familie Grütter
Brenzikofenstrasse 81, 3627 Heimberg
Öffnungszeiten
Mo – Sa: 8.00 –11.30 Uhr
und 14.00 –17.30 Uhr
Reservationen für Wagenfahrten
Telefon 033 437 87 84