Die Lichterfeen der Nacht

Die Lichterfeen der Nacht

Die Lichterfeen der Nacht

Seit 1998 verleiht Pro Natura jährlich einer Tierart den Titel «Tier des Jahres». Ziel dieses Projektes ist es, Fakten, Wunder und Geheimnisse einheimischer Wildtiere bekannter zu machen. Dieses Jahr geht der Titel an das Glühwürmchen.

Text: Nina Richard  |  Fotos: Nina Richard, zvg

Glühwürmchen sind eigentlich keine Würmer, sondern Käfer, und sie glühen nicht, sondern leuchten. Somit ist ihr offizieller Name «Leuchtkäfer» etwas zutreffender. Pro Natura widmet speziell der einheimischen Art des Grossen Leuchtkäfers die diesjährige Aufmerksamkeit. Die Wahl zum «Tier des Jahres» fiel vor allem auf das Glühwürmchen, weil es Pro Natura erlaubt, auf die zunehmende Umwelt- und Lichtverschmutzung in der Schweiz, die die Lebensräume tausender Insekten und anderer Tierarten bedroht, aufmerksam zu machen.

Von der Larve bis zum Leuchtkäfer

Glühwürmchen, oder eben Leuchtkäfer, verbringen den Grossteil ihres Lebens als Larve. Während ihres zwei Jahre langen Daseins als Larve ernähren sie sich ausschliesslich von Schnecken aller Arten. Mithilfe eines Gifts töten die Larven die Schnecken, und machen so ihr Grössendefizit auf der Jagd wett. Eine Larve kann danach einen ganzen Tag damit verbringen, ihre Beute zu fressen. Nicht nur in den Mundzangen, sondern im ganzen Körper verteilt verfügen die Larven über Abwehrgifte, mit denen sie sich vor Fressfeinden schützen. Wie viele andere giftige Tiere warnen die Larven auch visuell über die Gefahr, die von ihnen ausgeht. Am Hinterleib sind sie mit aufleuchtenden Lichtpunkten versehen, die zur Abschreckung dienen. Das Leuchten ist aber viel schwächer als das der erwachsenen Leuchtkäfer und nur bis auf etwa ein bis zwei Meter Entfernung sichtbar.

Nach zwei oder drei Überwinterungen verpuppen sich die Larven für einen Monat, nach dem die ausgewachsenen Leuchtkäfer schlüpfen. So gefrässig wie die Larven sind, so abstinent verhalten sich die ausgewachsenen Leuchtkäfer: Sie können nämlich keine Nahrung zu sich nehmen. Einmal ausgeschlüpft ist das einzige Ziel der Leuchtkäfer die Paarung. Die Weibchen suchen sich einen guten Landeplatz, um die Männchen anzulocken. Bei den Grossen Leuchtkäfern entzünden sich nur die Weibchen, und machen so die Männchen auf sich aufmerksam. Bei anderen Arten leuchten auch die Männchen. Diese biochemische Reaktion, bei der pflanzliche und tierische Organismen Licht erzeugen, nennt man Biolumineszenz.

Nach der Paarung legt das Weibchen 60 bis 80 Eier am Boden, meist unter Gräsern, Steinen oder kleinerem Geröll, die das Gelege schützen. Nachdem es die Eier gelegt hat, stirbt das Weibchen, während das Männchen noch rund zwei Wochen weiterlebt. Die wenige Millimeter grossen Larven schlüpfen nach einem Monat Inkubationszeit und gehen sofort auf die Jagd nach Schnecken.

Das Licht als Problem für die Leuchtkäfer 

In der Schweiz leben die Leuchtkäfer in diversen Gebieten bis auf 2000 Meter über Meer. Ein idealer Lebensraum für Leuchtkäfer bedarf drei Voraussetzungen: Verfügbarkeit von Schnecken, eine vielfältige und pestizidfreie Landschaft und Dunkelheit. Diese Kriterien kreieren den Eindruck, dass der Leuchtkäfer fast überall ein Zuhause finden kann. Jedoch werden vor allem die beiden letzten Voraussetzungen mehr und mehr zur Problematik. Die Vielfältigkeit und Reinheit von Landschaften einerseits wird schnell mit der Problematik vom Naturgebietsverlust und zunehmender Umweltverschmutzung relativiert. Andererseits ist aber die Dunkelheit, oder besser gesagt die fehlende Dunkelheit in den Nachtstunden ein zunehmendes Problem für die Leuchtkäfer. Strassenbeleuchtungen, Laternen und Leuchtketten in Gärten und Leuchtreklamen verhindern, dass Leuchtkäfer-Männchen die Weibchen für die Paarung finden. Die Weibchen leuchten so vergeblich.

Erst kürzlich hat ein Team von australischen Forschern 73 Studien zum weltweiten Insektensterben ausgewertet und befunden, dass alle Arten von Insekten vom Artenschwund betroffen sind. Die prominenteste Ursache für das weltweite Sterben der Insekten ist dabei der Verlust von Lebensraum durch den Verbau von Naturlandschaften und intensive Landwirtschaft. 

An zweiter Stelle setzen die Forscher den erheblichen Einsatz von Dünger und Pestiziden, die das Nervensystem von tierischen Organismen beschädigen und sich daher nicht nur auf Insekten auswirken können. 

Die Dunkelheit, oder besser gesagt die fehlende Dunkelheit in den Nachtstunden ist ein zunehmendes Problem für die Leuchtkäfer.

Bemühungen zum Schutz des Leuchtkäfers

So pessimistisch die Befunde der australischen Wissenschaftler sind, so stark bemühen sich zahlreiche Organisationen in der Schweiz, um den Naturschutz zu fördern und vor allem auch darüber aufzuklären. Nebst Pro Natura setzten sich daher auch andere Projekte und Privatpersonen speziell für das Wohl der Leuchtkäfer ein. 

So hat zum Beispiel der Verein Glühwürmchen Projekt, der 2012 gegründet wurde, das Ziel, Fachleute zusammenzubringen und dadurch die Erforschung und Förderung der Leuchtkäfer zu fördern. Der Verein engagiert sich auch stark in der Öffentlichkeitsarbeit und möchten die Kommunikation zu der Thematik weiter fördern. 

Ein weiteres Projekt, das sich für den Naturschutz und Artenerhaltung – und als Folge auch für die Leuchtkäfer – einsetzt, ist «Dark Sky Switzerland». Die Non-Profit Organisation engagiert sich für die Senkung der Lichtverschmutzung im Nachthimmel, mit dem Ziel, den Folgen der Lichtverschmutzung entgegenzuwirken. Wie bereits erwähnt, können sich Insekten – aber auch andere Tierarten – aufgrund zunehmend hellem Nachthimmel immer schlechter orientieren, und vernachlässigen so ihre Paarungs- und Nahrungsbedürfnisse. Wie auch der Verein Glühwürmchen setzt sich Dark Sky Switzerland im Bereich Öffentlichkeitsarbeit ein. Beide Projekte werden vereint durch die Bemühungen, sicher zu stellen, dass der Leuchtkäfer weiterhin unsere Nächte mit seinem Lichterzauber bereichert.

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