Spürhunde und das Hotel Rex
Spürhunde und das Hotel Rex
Im Kompetenzzentrum für Sicherheit, Intervention und Technik KOSIT in Interlaken – in Sichtweite der «Mystery Park»-Gebäude – werden unter anderem auch Spürhunde ausgebildet. Fazit nach einem Besuch beim Diensthundewesen des schweizerischen Grenzwachtkorps: Glauben Sie nicht ganz alles, was so in Kriminalfilmen zu sehen ist …
Text & Fotos: Thomas Bornhauser
Hier darf die junge Kander noch mäandrieren, wie es ihr beliebt, und schlägt darum gelegentlich überraschende Läufe ein. Im Gasteretal kann man einen Fluss erleben, wie er früher war – bevor die grossen Gewässerkorrekturprojekte des 19. und 20. Jahrhunderts die Schweizer Flüsse und Ströme kanalisierten, zähmten und zivilisierten. Als Kind versuchte Adolf Ogi zusammen mit seinem Vater, die Ufer der Kander im Gasteretal aufzuforsten und so den Flusslauf zu stabilisieren. Wenn aber die Kander im Gasteretal stark anschwillt, ist sie kräftig genug, um auch grosse Bäume mitzureissen. Selbst die Hängebrücke bei Selden ist nicht sicher vor dieser Urgewalt und wurde schon mehrmals beschädigt. Eine Wanderung durch das Bachbett der Kander im Gasteretal ist immer auch eine Art Zeitreise, denn «dank der kanalisierten Flussläufe durch stabile, schnurgerade Flussbette sind wir uns heute gar nicht mehr an die zerstörerische Gewalt des Wassers gewöhnt. Ich erinnere mich gut, wie das früher war und welchen Segen die Bach- und Flusskorrekturen für Mensch und Tier darstellten», meint Ogi.
Die Geschichte des Gasteretals ist aber auch eine Geschichte der Menschen, die seit vielen Jahrhunderten in und mit diesem Tal leben. Noch vor nicht allzu langer Zeit war das wilde Tal sogar ganzjährig bewohnt – so lebte etwa Adolf Ogis Grossmutter Margrit Ogi-Künzi in ihrer Jugend ganzjährig in Selden. Dies ist heutzutage nicht mehr möglich; zu gefährlich sind die Winter im von hohen, steilen Felswänden umringten Trogtal. Aus diesem Grund wird im Oktober auch die einzige Zufahrtsstrasse geschlossen. Im Sommer aber kehrt wieder Leben ein, denn im Gasteretal existieren noch Spuren der uralten halbnomadischen Lebensweise, die den Völkern des Alpenraums einst eigen war. So gibt es hier noch die altehrwürdige Institution des Dorfältesten, in dessen Obhut sich die berühmte, über 300 Jahre alte Gasterebibel und die etwas jüngere Gasterechronik befindet. Der jetzige Dorfälteste Christian Künzi führt nebenher auch das Gasthaus Steinbock, in dem man am knisternden Kaminfeuer den Geist dieses Tales auf sich wirken lassen kann.
Kann man einen Besuch in diesem Naturschutzgebiet aber überhaupt verantworten? Darf man hingehen und etwa mit den eigenen Füssen durch das Bachbett der jungen Kander spazieren? Selbstverständlich, sagt Adolf Ogi, dem das Schlusswort überlassen sei: «Im Grunde unseres Herzens sind wir doch alle noch ein wenig Kantianer und durchaus fähig und willens, Verantwortung für etwas zu übernehmen. Indem ich meine Lieblingsplätze bekannt mache, werden sie in ihrer ganzen Bedeutung als wertvolle Orte in einer intakten Landschaft wahrgenommen und etwas Wertvolles zu schützen, sind die Menschen gerne bereit. Ich bin schon zu lange Politiker, als dass ich den Kräften der Demokratie nicht vertraute. Auch das Tragen von Verantwortung haben wir in den letzten fast hundert Jahren demokratisiert. Wir sind als Gesellschaft durchaus in der Lage, auch mit sensiblen Landschaften umzugehen und zu diesen ganz speziell Sorge zu tragen, das liegt mir sehr am Herzen.»
Hotel Rex
Der dies sagt, das ist der Oberländer Marc Michel, Technischer Leiter und Stv. Chef Dienstbereich Diensthundewesen, selber Hundeführer. Ausgangspunkt aller Ausbildungen ist das erst vor drei Jahren in Betrieb genommene Gebäude, das von gewissen Zeitgenossen spitzbübisch als «Hotel Rex» bezeichnet wird. Dies deshalb, weil es nach den neuesten Erkenntnissen in der Hundehaltung realisiert wurde. «Während den diversen Stufen ihrer Ausbildung hier in Interlaken werden sie entsprechend in 20 individuellen Ruheboxen gehalten», sagt Marc Michel, den Sie mit seinem neunjährigen Capo abgebildet sehen. Wie jetzt aber diesen Bericht strukturieren? Mit dem Kauf der Hunde beginnen? Mit ihrer Ausbildung? Mit den verschiedenen Bereichen, in denen sie eingesetzt werden? Versuchen wir es der Reihe nach. Der Wahl eines neuen Hundes kommt grösste Bedeutung zu, denn für ein Tier, bei dem sich später herausstellt, dass es sich nur suboptimal entwickelt hat und für die anspruchsvollen Einsätze nicht eignet, ist die Umstellung an einen neuen Halter nicht einfach. Marc Michel: «Mir ist es auf der Suche nach einem passenden Hund lieber, 1000 Kilometer mehr zu fahren, als das Prinzip Hoffnung zu bemühen mit einem schliesslich unbefriedigenden Resultat. Das wäre dem Tier gegenüber unfair.» Stellt sich also die Frage: Wie findet man einen geeigneten Hund?365/24
Lernen durch… Spielen
Eine gute Frage, die Sie sich spätestens jetzt stellen: Wie bringt man einem Spürhund bei, was er später einmal aufspüren soll? Verblüffend: mit Spielen. Ausgangspunkt ist ein sogenannter «Muff», ein zusammengerolltes Tuch, das den Aussenstehenden an einen Knochen erinnert. Der «Muff» ist absolut geruchsneutral. Dieses scheinbare Spielzeug begleitet den Hund zeit seines Lebens. Zu Beginn hält man – um bei den Sprengstoffspürhunden zu bleiben – dem Hund gleichzeitig mit dem «Muff» ein Geruchssäckchen mit Sprengstoff unter die Nase, sodass für den Vierbeiner, vereinfacht gesagt, folgende Formel gilt: Geruch = «Spielzeugmuff». Je länger er trainiert, desto mehr brennt sich der Geruch in seine «geistige Festplatte» ein. Beim späteren Einsatz wird der Hund auf ein Ziel losgelassen, um festzustellen, ob sich dort Sprengstoff befindet. Beim Auffinden eines Objekts muss sich der Hund unbedingt passiv verhalten: Er setzt oder legt sich zur Anzeige hin und macht so den Fund deutlich, andernfalls zeigt er kein Interesse und signalisiert so, dass er nichts gefunden hat. Ein aktives Verhalten – zum Beispiel durch Kratzen am Objekt – wäre hier für Hund und Hundeführer möglicherweise gefährlich oder gar tödlich. Besteht der Hund im Training die Prüfung, bekommt er zur Belohnung einen «Muff» für einige Augenblicke, dann geht es weiter. Auffallend: Die Trainingsinstruktoren in Interlaken sind den Hundeführern gegenüber knallhart, da ist während der Arbeit nichts von «unter Kollegen» zu spüren. Wenn ein Hund seine Aufgabe nicht erfüllt hat, bekommt er auch keinen «Muff», dann wird weitergeübt. Hat ein Hund wie wir Menschen auch bessere und schlechtere Tage? «Selbstverständlich», stellt Marc Michel fest. Ein erfahrener Hundeführer wird das merken – zum Beispiel bei einer Hündin in der Läufigkeit – und zu interpretieren wissen.Die Schweiz sicherer machen
Aus Sicherheitsgründen darf Marc Michel nicht alles rund um den Aktionsradius der Spürhunde verraten. Immerhin so viel: Präsentiert sich eine Gefahrenlage, kommt der Sprengstoffspürhund zum Zug. Zum Beispiel an Flughäfen, Fahrzeugen oder Gebäuden auch präventiv im Gepäck- oder im Frachtbereich. Es kann auch vorkommen, dass ein bestimmtes Objekt genauer unter die Lupe genommen wird. Im Einsatz am Flughafen sind jedoch aus nachvollziehbaren Gründen in erster Linie Betäubungsmittelspürhunde, aber auch Artenschutzspürhunde. Sicher ist: Die Sprengstoffspürhunde helfen mit, die Schweiz ein Stück sicherer zu machen.«In unserem Korps gibt es ungefähr 100 Spürhunde.»
Info
Die verschiedenen Rassen
Nicht alle Hunderassen eignen sich gleichermassen für die Ausbildung zum Spürhund. Im GWK kommen vor allem folgende Rassen in Frage: Malinois (eine Varietät des Belgischen Schäferhundes), der Deutsche Schäferhund, der Labrador, der Flat Coated Retriever, der Border Collie, der Deutsche Drahthaar und der Epagneul Breton.
Die verschiedenen Bereiche
In Interlaken werden die Spürhunde auf einen bestimmten Sektor ausgebildet, wobei zu beachten ist, dass die Mehrheit der Hunde zusätzlich auch Schutzhunde sind. Die Spezialgebiete sind Betäubungsmittel, Sprengstoff (inkl. Waffen und pyrotechnisches Material), Artenschutz und Tabak.
Die Sprengstoffspürhunde bilden die Grundlage zu diesem Bericht, den Bereich Betäubungsmittel kann man sich gut vorstellen, deshalb nur kurz die Beschreibung der beiden anderen Spezialgebiete. Der Artenschutzspürhund wird auf zehn Gerüche ausgebildet, die den Grossteil der verbotenen Schmuggelware ausmachen. Beispiel: Für den ausgebildeten Hund ist Schlange = Schlange. Auch wenn er selber noch nie an einer Texas-Klapperschlange gerochen hat, er wird mit seinem Geruchsinn einen einzelnen Zahn dieser Schlangenart ausmachen können.
Tabakhunde werden im Kampf gegen die illegale Einfuhr vor allem von Zigaretten eingesetzt, dies aus zwei Gründen. Zum einen entgehen der Zollverwaltung durch den Schmuggel Zollbeträge in zweistelliger Millionenhöhe, zum anderen ist der Tabak vornehmlich aus Ländern des ehemaligen Ostblocks vielfach mit Pestiziden und Herbiziden belastet, die gesundheitliche Probleme nach sich ziehen können; abgesehen davon, dass das Rauchen an sich bereits tödlich sein kann.
Werdegang eines Sprengstoffspürhundes
Während der beiden ersten Lebensjahre finden die Grundausbildung und der Grundkurs für Junghunde statt. Entscheidend ist das dritte Lebensjahr für das Tier, da Eignungs- und Einsatztests stattfinden, sowie spezielle Grund- und Weiterbildungskurse. Ab dem vierten Lebensjahr absolvieren Hundeführer und Hunde jedes Jahr einwöchige Wiederholungs- und spezielle Trainingskurse, insgesamt jeweils während 42 Stunden. Die Wiederholungskurse lassen sich sehr gut mit militärischen WK vergleichen: Man bringt sich mit dem Üben des Grundwissens wieder «auf Vordermann» und lernt Neues hinzu. Mit Erreichen des zehnten Lebensjahres gehen die Vierbeiner in Rente.
Das Grenzwachtkorps
Das Grenzwachtkorps (GWK) ist der bewaffnete und uniformierte Verband der Eidgenössischen Zollverwaltung (EZV) und gehört zum Eidgenössischen Finanzdepartement (EFD). Es ist das grösste nationale, zivile Sicherheitsorgan der Schweiz.
Der organisierte bandenmässige Schmuggel und die grenzüberschreitende Kriminalität sind eine Herausforderung für Staat und Gesellschaft. Kriminelle Gruppierungen und Organisationen sind weltweit vernetzt und agieren immer professioneller. Sie schaden nicht nur dem Wirtschaftsstandort Schweiz, sondern auch der Sicherheit und Gesundheit der Schweizer Bevölkerung. Das Grenzwachtkorps leistet einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung dieser Phänomene. Es trägt zum Schutz der Wirtschaft sowie zur Sicherheit und Gesundheit der Schweizer Bevölkerung bei, indem es den Waren- und Personenverkehr über die Zollgrenze kontrolliert und den Grenzraum überwacht.
Das Grenzwachtkorps beteiligt sich auch an internationalen Einsätzen. Auch stellt es zur Abwehr von strafbaren Handlungen an Bord von schweizerischen Flugzeugen im internationalen gewerbemässigen Luftverkehr so genannte Air- und Groundmarshalls zur Verfügung.