Spürhunde und das Hotel Rex

Spürhunde und das Hotel Rex

Spürhunde und das Hotel Rex

Im Kompetenzzentrum für Sicherheit, Intervention und Technik KOSIT in Interlaken – in Sichtweite der «Mystery Park»-Gebäude – werden unter anderem auch Spürhunde ausgebildet. Fazit nach einem Besuch beim Diensthundewesen des schweizerischen Grenzwachtkorps: Glauben Sie nicht ganz alles, was so in Kriminalfilmen zu sehen ist …

Text & Fotos: Thomas Bornhauser

Beginnen wir diesen Bericht beim Fernsehen, wo Spürhunde mit Kratzen, Scharren und lautem Bellen freudig verkünden, dass sie auf der Suche nach Sprengstoff oder Drogen fündig geworden sind. Das mag für die Zuschauer durchaus unterhaltend sein, die Regie lässt grüssen. In der Realität könnte es aber einem Tier – und möglicherweise auch seinem Halter – das Leben kosten, würde eine Sprengladung durch den Druck der Pfoten explodieren. Beeindruckend ist bei unserem Besuch in Interlaken das Verhalten der Hunde, wenn sie einmal ausgebildet sind: Durch blosses Verharren – «Sitz!»- oder «Platz!»-Position – signalisieren sie dem Hundeführer aus der Distanz, ob sie in oder an einem Objekt das Gesuchte gefunden haben – oder auch nicht. Es liegt an- und abschliessend am Menschen, Entscheide zu treffen, «denn ein Hund kann niemals ein Freipass sein, um das weitere Vorgehen einzig auf sein Verhalten abzustützen».

Hotel Rex

Der dies sagt, das ist der Oberländer Marc Michel, Technischer Leiter und Stv. Chef Dienstbereich Diensthundewesen, selber Hundeführer. Ausgangspunkt aller Ausbildungen ist das erst vor drei Jahren in Betrieb genommene Gebäude, das von gewissen Zeitgenossen spitzbübisch als «Hotel Rex» bezeichnet wird. Dies deshalb, weil es nach den neuesten Erkenntnissen in der Hundehaltung realisiert wurde. «Während den diversen Stufen ihrer Ausbildung hier in Interlaken werden sie entsprechend in 20 individuellen Ruheboxen gehalten», sagt Marc Michel, den Sie mit seinem neunjährigen Capo abgebildet sehen. Wie jetzt aber diesen Bericht strukturieren? Mit dem Kauf der Hunde beginnen? Mit ihrer Ausbildung? Mit den verschiedenen Bereichen, in denen sie eingesetzt werden? Versuchen wir es der Reihe nach. Der Wahl eines neuen Hundes kommt grösste Bedeutung zu, denn für ein Tier, bei dem sich später herausstellt, dass es sich nur suboptimal entwickelt hat und für die anspruchsvollen Einsätze nicht eignet, ist die Umstellung an einen neuen Halter nicht einfach. Marc Michel: «Mir ist es auf der Suche nach einem passenden Hund lieber, 1000 Kilometer mehr zu fahren, als das Prinzip Hoffnung zu bemühen mit einem schliesslich unbefriedigenden Resultat. Das wäre dem Tier gegenüber unfair.» Stellt sich also die Frage: Wie findet man einen geeigneten Hund?


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Das Grenzwachtkorps überlässt nichts dem Zufall, sie übernehmen nicht einfach Welpen von Privatpersonen, sondern grundsätzlich aus in- und ausländischen Zuchtbetrieben, mit denen das GWK – und auch andere ausländische Grenzkontrollorgane – gute Erfahrungen gemacht haben. Mit anderen Worten: Man spricht miteinander, über Landesgrenzen hinweg, «schliesslich verfolgen wir die gleichen Interessen». Staunen erlaubt: Die «Misserfolgsquote», wenn man sie überhaupt so bezeichnen darf, wenn sich also herausstellt, dass ein Hund den Anforderungen nicht entsprechen kann, liegt beim GWK unter einem Prozent. In unserem Korps gibt es ungefähr 100 Spürhunde. «Technisch» teilt sich die Schweiz für das Grenzwachtkorps (siehe Kasten) in sieben Regionen auf. Das heisst auch für die Hundeausbildung: Es gibt zentrale, aber auch dezentrale Kurse für die jeweils maximal 20 regionalen Hundeführer. «Ein Hund ist für den Hundeführer schlicht und einfach ein Familienmitglied», schmunzelt Marc Michel, «wenn der Hundeführer Ferien nimmt, nimmt auch der Hund Ferien.» Zurück zu den Welpen: Nach ungefähr zehn Wochen werden diese von den Hundeführern übernommen und bis zu ihrer Pension im «aktiven Berufsleben» geführt (siehe Kasten).

Lernen durch… Spielen

Eine gute Frage, die Sie sich spätestens jetzt stellen: Wie bringt man einem Spürhund bei, was er später einmal aufspüren soll? Verblüffend: mit Spielen. Ausgangspunkt ist ein sogenannter «Muff», ein zusammengerolltes Tuch, das den Aussenstehenden an einen Knochen erinnert. Der «Muff» ist absolut geruchsneutral. Dieses scheinbare Spielzeug begleitet den Hund zeit seines Lebens. Zu Beginn hält man – um bei den Sprengstoffspürhunden zu bleiben – dem Hund gleichzeitig mit dem «Muff» ein Geruchssäckchen mit Sprengstoff unter die Nase, sodass für den Vierbeiner, vereinfacht gesagt, folgende Formel gilt: Geruch = «Spielzeugmuff». Je länger er trainiert, desto mehr brennt sich der Geruch in seine «geistige Festplatte» ein. Beim späteren Einsatz wird der Hund auf ein Ziel losgelassen, um festzustellen, ob sich dort Sprengstoff befindet. Beim Auffinden eines Objekts muss sich der Hund unbedingt passiv verhalten: Er setzt oder legt sich zur Anzeige hin und macht so den Fund deutlich, andernfalls zeigt er kein Interesse und signalisiert so, dass er nichts gefunden hat. Ein aktives Verhalten – zum Beispiel durch Kratzen am Objekt – wäre hier für Hund und Hundeführer möglicherweise gefährlich oder gar tödlich. Besteht der Hund im Training die Prüfung, bekommt er zur Belohnung einen «Muff» für einige Augenblicke, dann geht es weiter. Auffallend: Die Trainingsinstruktoren in Interlaken sind den Hundeführern gegenüber knallhart, da ist während der Arbeit nichts von «unter Kollegen» zu spüren. Wenn ein Hund seine Aufgabe nicht erfüllt hat, bekommt er auch keinen «Muff», dann wird weitergeübt. Hat ein Hund wie wir Menschen auch bessere und schlechtere Tage? «Selbstverständlich», stellt Marc Michel fest. Ein erfahrener Hundeführer wird das merken – zum Beispiel bei einer Hündin in der Läufigkeit – und zu interpretieren wissen.


Die Schweiz sicherer machen

Aus Sicherheitsgründen darf Marc Michel nicht alles rund um den Aktionsradius der Spürhunde verraten. Immerhin so viel: Präsentiert sich eine Gefahrenlage, kommt der Sprengstoffspürhund zum Zug. Zum Beispiel an Flughäfen, Fahrzeugen oder Gebäuden auch präventiv im Gepäck- oder im Frachtbereich. Es kann auch vorkommen, dass ein bestimmtes Objekt genauer unter die Lupe genommen wird. Im Einsatz am Flughafen sind jedoch aus nachvollziehbaren Gründen in erster Linie Betäubungsmittelspürhunde, aber auch Artenschutzspürhunde. Sicher ist: Die Sprengstoffspürhunde helfen mit, die Schweiz ein Stück sicherer zu machen. 

«In unserem Korps gibt es ungefähr 100 Spürhunde.»

Info

Die verschiedenen Rassen 

Nicht alle Hunderassen eignen sich gleichermassen für die Ausbildung zum Spürhund. Im GWK kommen vor allem folgende Rassen in Frage: Malinois (eine Varietät des Belgischen Schäferhundes), der Deutsche Schäferhund, der Labrador, der Flat Coated Retriever, der Border Collie, der Deutsche Drahthaar und der Epagneul Breton.

Die verschiedenen Bereiche 

In Interlaken werden die Spürhunde auf einen bestimmten Sektor ausgebildet, wobei zu beachten ist, dass die Mehrheit der Hunde zusätzlich auch Schutzhunde sind. Die Spezialgebiete sind Betäubungsmittel, Sprengstoff (inkl. Waffen und pyrotechnisches Material), Artenschutz und Tabak. Die Sprengstoffspürhunde bilden die Grundlage zu diesem Bericht, den Bereich Betäubungsmittel kann man sich gut vorstellen, deshalb nur kurz die Beschreibung der beiden anderen Spezialgebiete. Der Artenschutzspürhund wird auf zehn Gerüche ausgebildet, die den Grossteil der verbotenen Schmuggelware ausmachen. Beispiel: Für den ausgebildeten Hund ist Schlange = Schlange. Auch wenn er selber noch nie an einer Texas-Klapperschlange gerochen hat, er wird mit seinem Geruchsinn einen einzelnen Zahn dieser Schlangenart ausmachen können. Tabakhunde werden im Kampf gegen die illegale Einfuhr vor allem von Zigaretten eingesetzt, dies aus zwei Gründen. Zum einen entgehen der Zollverwaltung durch den Schmuggel Zollbeträge in zweistelliger Millionenhöhe, zum anderen ist der Tabak vornehmlich aus Ländern des ehemaligen Ostblocks vielfach mit Pestiziden und Herbiziden belastet, die gesundheitliche Probleme nach sich ziehen können; abgesehen davon, dass das Rauchen an sich bereits tödlich sein kann.

Werdegang eines Sprengstoffspürhundes 

Während der beiden ersten Lebensjahre finden die Grundausbildung und der Grundkurs für Junghunde statt. Entscheidend ist das dritte Lebensjahr für das Tier, da Eignungs- und Einsatztests stattfinden, sowie spezielle Grund- und Weiterbildungskurse. Ab dem vierten Lebensjahr absolvieren Hundeführer und Hunde jedes Jahr einwöchige Wiederholungs- und spezielle Trainingskurse, insgesamt jeweils während 42 Stunden. Die Wiederholungskurse lassen sich sehr gut mit militärischen WK vergleichen: Man bringt sich mit dem Üben des Grundwissens wieder «auf Vordermann» und lernt Neues hinzu. Mit Erreichen des zehnten Lebensjahres gehen die Vierbeiner in Rente.

Das Grenzwachtkorps 

Das Grenzwachtkorps (GWK) ist der bewaffnete und uniformierte Verband  der Eidgenössischen Zollverwaltung (EZV) und gehört zum Eidgenössischen Finanzdepartement (EFD). Es ist das grösste nationale, zivile Sicherheitsorgan der Schweiz. Der organisierte bandenmässige Schmuggel und die grenzüberschreitende Kriminalität sind eine Herausforderung für Staat und Gesellschaft. Kriminelle Gruppierungen und Organisationen sind weltweit vernetzt und agieren immer professioneller. Sie schaden nicht nur dem Wirtschaftsstandort Schweiz, sondern auch der Sicherheit und Gesundheit der Schweizer Bevölkerung. Das Grenzwachtkorps leistet einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung dieser Phänomene. Es trägt zum Schutz der Wirtschaft sowie zur Sicherheit und Gesundheit der Schweizer Bevölkerung bei, indem es den Waren- und Personenverkehr über die Zollgrenze kontrolliert und den Grenzraum überwacht. Das Grenzwachtkorps beteiligt sich auch an internationalen Einsätzen. Auch stellt es zur Abwehr von strafbaren Handlungen an Bord von schweizerischen Flugzeugen im internationalen gewerbemässigen Luftverkehr so genannte Air- und Groundmarshalls zur Verfügung.

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