«Camina, wo isch ’s Trüffeli?»

«Camina, wo isch ’s Trüffeli?»

«Camina, wo isch ’s Trüffeli?»

Errare humanum est. Irren ist menschlich. Gilt auch bei den Trüffeln, denn die Gleichung «Trüffel = Trüffel» ist falsch. Weil sich das Gespräch mit dem klassischen Trüffelhund, einem Lagotto Romagnolo, als doch eher schwierig erweist, haben wir uns mit seiner Besitzerin unterhalten, mit Christina Mader aus Bönigen.

Text: Thomas Bornhauser  |  Fotos: Thomas Bornhauser, zvg

Der Lagotto Romagnolo gehört zur Rasse der Wasserhunde. Früher wurden die Lagotti zur Entenjagd eingesetzt, ihr Jagdtrieb wurde später für die Trüffelhunde sozusagen weggezüchtet. Trotz dieser «Einschränkung»: Die Trüffelhunde bereiten ihren Besitzerinnen und Besitzern sehr viel Freude, so auch Christina Mader aus Bönigen.

«Der Lagotto könnte passen!»

Als Kind hatte man in ihrer Familie durchaus Hunde zu Hause, einen Berner Sennenhund etwa, oder eine Mischung aus Berner Sennenhund und Jura Laufhund. Dass Vierbeiner für lange Zeit kein Thema mehr waren, lag daran, dass Christina und ihr Mann, beide berufstätig, keine Zeit für den besten Freund des Menschen hatten. Und als sich Kinder zur Familie gesellten, hatte man mit den Kleinen sowieso genug zu tun – erst recht, als zusätzliche Tageskinder für Betrieb sorgten… Es kam jedoch, wie es kommen musste: Die Töchter aus dem Hause Mader verlangten nach einem Tier. Dem Antrag wurde stattgegeben, allerdings nicht nach einem Hund, sodass zuerst Schildkröten, danach Hasen und Katzen die Tierliebe bei Maders in Anspruch nehmen durften.

«Ich möchte sooo gerne einen Welpen», meldete sich Flurina vor ungefähr sechs Jahren, worauf die Suche nach einem geeigneten Kandidaten losging. Die Mutter aller Fragen: Welche Rasse denn? Also sass man in Bönigen zu Tische, surfte in der virtuellen Welt der Hunderassen rum und notierte sich die Plus- und die Minuspunkte verschiedener Rassen und erstellte zum Schluss eine Rangliste. «Der Lagotto könnte passen!» Nach einem Besuch bei einem Züchter in Thun war klar: Lagotto auf Pole.


«Le Parfait» als Belohnung

Wo aber einen geeigneten Welpen finden? In dieser Ungewissheit war eines klar: Der Familienzuwachs sollte aus einem Familienzuchtbetrieb kommen, nicht aus einer Grosszucht. In Oberthal im Emmental wurden Maders fündig, bei Familie Christener. «Alles stimmte da, die Leute waren sehr sympathisch», erinnert sich Christina Mader. Der danach zu langen Rede kurzer Sinn: Aus dem nächsten Wurf entschied man sich für ein weibliches Jungtier mit Namen Camina.

Logisch, Camina war jetzt Hahn im Korb bei Familie Mader. Und mit der Zeit reifte der Vorsatz, Camina «nadisna» für das auszubilden, wofür sie von der Natur auserkoren wurde. Exakt, die feine Nase für Trüffel. Dafür gab es zu Beginn ein Stofftier, einen «Trüffelhasen», gefüllt mit einer Art «Kinderüberraschung» mit Trüffelöl und einer Tube… «Le Parfait». Fortan spielte nun Camina mit dem Trüffelhasen, der im Laufe der Wochen jeweils weiter weggeworfen wurde: «Camina, wo isch ’s Trüffeli?» Zur Belohnung, dass Camina das Stofftier zurückbrachte, wurde sie mit dem Brotaufstrich belohnt. «Zudem», lacht Christina Mader, «wurde sie durch das Training schön müde und verlangte abends nicht nach zusätzlicher Aufmerksamkeit.»


Falsche Richtung

Mit der Routine kommt auch bei Hunden die Langeweile auf, weshalb es für Camina immer schwierigere Aufgaben gab. Will heissen: Weil sie sich inzwischen an den Geruch von Trüffelöl gewöhnt hatte, ging man mit ihr in den Wald, warf den Trüffelhasen herum, mit der Zeit dann nur noch das Überraschungsei und begann damit, das Ei bei Baumstämmen zu vergraben.

Als Camina ungefähr 18 Monate alt ist, erlebt Christina Mader ihr persönliches «Heureka!». Zusammen mit einer Bekannten, die mit Scheppi ebenfalls einen Lagotto besitzt, spaziert sie im Wald, die Hunde in bester Laune. Ein Ei wird weit weg geworfen. Das Dumme daran: Die Vierbeiner rennen in die falsche Richtung, beginnen aber bei einem Baumstrunk zu graben. «Was Cheibs sueche die dört?», fragt Christina Mader. Diese Antwort liegt auf der Hand, besser gesagt unter der Erdoberfläche. Alle sind sie völlig aus dem Häuschen: Caminas erster Trüffel!

Trüffel-, kein Drogenhund

In einer früheren Ausgabe von «ThunerseeLiebi» stand vom gleichen Autor zu lesen, wie in Interlaken vor allem belgische Schäferhunde zum Aufspüren von Drogen, Sprengstoff oder Tabak ausgebildet werden, nämlich ziemlich genau wie Camina mit ihrem Trüffel-Stofftier, einfach mit anderen Riechstoffen. Weshalb aber eignet sich Camina nicht für solche Einsätze? Hier eine Eigeneinschätzung des Schreibenden, die für Hundehalter nicht unbedingt «wasserdicht» sein muss: Lagotti scheinen eigenständiger und eigensinniger als belgische Schäfer, sie arbeiten weit weniger zielgerichtet mit ihrem Meister, rennen oft umher, bevor sie Trüffel finden, bei Sprengstoff wäre dieses Verhalten katastrophal.


Fantastischer Geschmack

Und nun aber – endlich – zu den Trüffeln, die man auch im Berner Oberland findet, wenn auch nicht identisch mit den berühmten und teuren Alba-Trüffeln. Viele unter Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, die Trüffel wegen ihres charakteristischen Geschmacks nicht mögen, werden staunen: Die Berner Oberländer Trüffel schmecken ganz anders, ohne den penetranten Geruch von Alba-Trüffeln (Liebhaber dieser piemontesischen Spezialität mögen mir diese Bemerkung verzeihen, bezeichnen Sie mich ruhig als gastronomischen Banausen). «Nussig» ist treffender. Sie heissen Herbst- oder Bur­gun­dertrüffel und schmecken… köstlich.

Selbstverständlich schweigt sich Christina Mader ebenso über ihre Suchgebiete aus wie über die Anzahl Trüffel, die sie im Laufe der Saison findet, pardon, die natürlich Camina findet. Was aber macht sie mit den Kostbarkeiten? «Wir haben natürlich Eigenbedarf, dann verschenke ich sie ab und zu an Freunde, zudem kann ich kleine Mengen, zeitlich begrenzt, an wirkliche Spitzenköche in der Region liefern, die den feinen Geschmack der Trüffel belassen.» Ohnehin sei der Handel mit Alba-Trüffeln ein gutes Geschäft, vor allem für die Restaurants, denn in den meisten Fällen würden die Gerichte in der Küche mit synthetisch hergestelltem Trüffelöl «veredelt», um mit dem Reiben der Knolle vor dem Gast das grosse Geld zu machen.


Achtung vor der Natur 

Christina Mader ist es wichtig, dass man Sorge zur Natur trägt, indem man beispielsweise Löcher, die durch das Graben und das Ausheben der Trüffel entstehen, mit dem herausgearbeiteten Erdreich wieder füllt, weil dort sonst keine Trüffeln mehr wachsen. Beim Graben sei auch darauf zu achten, dass das Wurzelwerk eines Baums nicht beschädigt wird. «Leider gibt es immer wieder Beispiele, die beweisen, dass das nicht gemacht wird. Für mich ist das eine Ausbeutung der Natur. Geht gar nicht.» Apropos graben: Die Lagotti haben die klassischen Trüffelschweine grösstenteils abgelöst, weil sie weit weniger Schaden an den Bäumen und dem Waldboden anrichten. Berner Oberländer Trüffel eignen sich dank ihres Geschmacks hervorragend, um sich an neue Produktvarianten heranzumachen, sei es mit Honig, mit Essig oder mit Käse, mit dem der Schreibende zum Schluss des Besuchs verwöhnt wird. 

Hinterlassen Sie einen Kommentar

* Erforderlich