Die Wasservögel auf dem Thunersee
Die Wasservögel auf dem Thunersee
Schaut man genau hin, entdeckt man zahlreiche Wasservögel auf dem Thunersee. Doch was macht Krickente, Gänsesäger und Lachmöwe so einzigartig? Ein Überblick über die gefiederten Bewohner und Gäste auf dem Thunersee.
Text & Fotos: Martin Wettstein
Aufgrund des nährstoffarmen Wassers beherbergt der Thunersee zwar keine so grosse Zahl an Wasservögeln wie andere grosse Seen in der Schweiz. Es hat nur wenige Schilfgebiete, wovon die grössten unter Naturschutz gestellt wurden: Weissenau, Gwattlischenmoos und Seeallmend. Auch kleinere Schilfbestände sind besonders wichtig als Brutplatz für die Wasservögel. Wegen starken Wasserstandschwankungen werden die Nester aber leider oft überschwemmt, sodass der Bruterfolg häufig schlecht ist. Trotzdem ist der Artenreichtum gross, praktisch alle Arten können zumindest als Gäste am Thunersee beobachtet werden. Auf dem Thunersee wurden bisher 40 verschiedene Arten von wilden Entenvögeln beobachtet. Dazu kommen 13 Möwenarten (darunter 2 Erstnachweise für die Schweiz: Aztekenmöwe und Polarmöwe), 3 Raubmöwenarten, 9 Seeschwalbenarten und 34 Watvogelarten! Diese enorme Vielfalt zeigt die grosse Bedeutung des Sees und der
Flachufer als Rastplatz.
Im Winter tummeln sich bei uns die meisten Wasservögel. Wenn in Nordeuropa und Sibirien die Gewässer zufrieren, wandern viele nach Süden und Westen, wo die Seen meist eisfrei bleiben. In der Schweiz (inklusive Boden- und Genfersee) überwintern rund eine halbe Million Wasservögel! Seit 1967 wird immer Mitte Januar eine nationale Zählung durchgeführt, die von der Schweizerischen Vogelwarte koordiniert wird. Bei den Wintergästen ist die Reiherente mit regelmässig über 100 000 die häufigste Art in der Schweiz. Auf den weiteren Ranglistenplätzen folgen Blässhuhn, Tafelente, Stockente, Lachmöwe und Haubentaucher. Auf dem Thunersee sieht die Platzierung etwas anders aus: Die häufigste Art ist hier die Lachmöwe, dann folgen Stockente, Blässhuhn, Reiherente, Tafelente und Haubentaucher. Die grössten Zahlen auf dem Thunersee gab es in den Jahren 1969 – 1989 (mit einem Maximum im Januar 1981 mit 12 992). Seither haben hier die Zahlen kontinuierlich abgenommen, dies im Gegensatz zum Gesamtbestand in der Schweiz, der seit den 1980er-Jahren recht stabil bleibt. In den letzten Jahren konnten nur noch rund 4000 Wasservögel auf dem Thunersee gezählt werden. Am stärksten abgenommen haben Haubentaucher, Blässhuhn und Lachmöwe. Hauptgrund dafür ist das verringerte Nahrungsangebot aufgrund des immer sauberer werdenden Wassers durch die Gewässerschutzmassnahmen. Mikroverunreinigungen werden durch Kläranlagen aber noch kaum herausgefiltert und haben somit möglicherweise auch einen negativen Einfluss auf die Nahrungskette. Zudem könnten zunehmende Störungen im Winter, wie etwa durch Paddler und Bootsfahrer, bei einigen Arten zu Bestandseinbussen geführt haben. Bei der Lachmöwe ist leider auch der Brutbestand in Europa stark zurückgegangen. Wegen den wärmeren Wintern, die in Nordeuropa viele Gewässer nicht mehr zufrieren lassen, kamen in den letzten paar Jahren weniger Reiher- und Schellenten zu uns.
In der Schweiz wurden zehn Gewässerabschnitte, die international Bedeutung für Wasservögel haben, unter Schutz gestellt. Daneben gibt es 43 Wasservogelgebiete von nationaler Bedeutung, wovon 23 ganz oder teilweise geschützt sind. Unter diesen ist auch das untere Thunerseebecken zu finden. Ein Gebiet erlangt nationale Bedeutung, wenn von einer Art 2 % des schweizerischen Winterbestandes gezählt werden. Schwarzhalstaucher, Stockente, Kolbenente, Gänsesäger und Blässhuhn hatten hier zeitweise diese Limite erreicht. Im Folgenden werden die häufigsten Wasservogelarten kurz beschrieben.
Ein Gebiet erlangt nationale Bedeutung, wenn von einer Art 2 % des schweizerischen Winterbestandes gezählt werden.
So können wir uns also freuen – bald ist das «Spiezerli» wieder auf dem Thunersee unterwegs. Auf der Website www.spiezerli.ch können Sie sich über den Zeitplan informieren und zusätzliche spannende Informationen zum Dampfer nachlesen. Ausserdem besteht auch immer noch die Möglichkeit, sich durch eine Spende am Projekt zu beteiligen – jeder Franken kann gebraucht werden. Es steht der Thunerseeregion sicherlich gut zu Gesicht, dass ein solches Stück Schifffahrts- und auch Tourismusgeschichte gepflegt wird und nicht finanziellen Überlegungen geopfert wurde. Gute Fahrt!
Höckerschwan
Ursprünglich war der Höckerschwan nur zwischen Nordosteuropa und Nordchina heimisch. Auf dem Thunersee wurden die ersten Tiere Ende des 19. Jahrhunderts ausgesetzt. Es hat regelmässig etwa 12 Brutpaare, wobei nicht alle jedes Jahr brüten. Der Gesamtbestand ist seit Jahren recht stabil bei etwa 100 Tieren.
Schnatterente
Diese Schwimmente ist ein nicht häufiger Durchzügler und Wintergast. Für die Nahrungssuche tauchen Schwimmenten nicht, gründeln aber häufig («Köpfchen in das Wasser, Schwänzchen in die Höh»)! Durchschnittlich überwintern nur etwa 15 Stück auf dem See.Diese kleine Ente ist recht scheu und am ehesten in der Weissenau und am Stauweiher Spiez zu beobachten. Es überwintern nur etwa 30 Vögel auf dem See (inklusive Stauweiher Spiez).
Stockente
Sie ist die häufigste und zutraulichste Schwimmente. Ihre Nester mit durchschnittlich 7 – 11 Eiern haben sie manchmal an ungewöhnlichen Orten wie zum Beispiel in Blumenkisten oder auf Flachdächern. Von Mai bis Juli kann man fast überall auf dem See Weibchen mit Jungen beobachten. Viele natürliche Feinde oder schlechte Witterung begünstigen die Jungensterblichkeit jedoch. Die Erpel beteiligen sich nicht an der Betreuung der Jungen. Im Winter halten sich etwa 800 – 1000 Stockenten auf dem See auf.
Kolbenente
Diese schöne Tauchente kommt vor allem in Südwest- und Südosteuropa vor. Einige Brutvorkommen sind aber auch in Mitteleuropa bekannt. Am Thunersee brütet sie seit 1976 in wenigen Paaren. Ab 1990 stieg der Bestand der überwinternden Kolbenenten in der Schweiz massiv an und erreichte in den letzten Jahren 20 000 – 30 000 Stück, was rund 30 % des europäischen Bestandes sind! Der Grund für diese Zunahme ist eine Verschiebung der Winterquartiere von Süden nach Norden, da in Spanien einige Gewässer ausgetrocknet sind. Zudem hat sich die Armleuchteralge, die Hauptnahrung der Kolbenente, stark vermehrt. Im Gegensatz zu anderen Algenarten profitierte sie von der besseren Wasserqualität. Auf dem Thunersee wurden die grössten Zahlen zwischen 1995 und 2006 erreicht (mit einem Maximum von 436 Tieren am 14.02.2000). Seither ist sie wieder seltener geworden.
Tafelente
Sie ernährt sich hauptsächlich von Muscheln und anderen Wassertierchen, aber auch von Unterwasserpflanzen. Auf dem Thunersee überwintern zwischen 100 und 200 Tafelenten, in der ganzen Schweiz ca. 70’000.
Reiherente
Diese Art hat wie die Tafelente von der Ansiedlung der Wandermuschel profitiert. Deshalb stieg der Bestand in den 1970er-Jahren rasant an, in den 1980er / 1990er-Jahren überwinterten rund 150 000 – 200 000 Reiherenten in der Schweiz, gut 10 % des europäischen Bestands! Seither sind die Zahlen wieder rückläufig. Die Wandermuschel existierte bisher im Thunersee nicht, erst 2008 wurden die ersten nachgewiesen. Daher nahm hier der Reiherentenbestand nicht markant zu; in den letzten Wintern waren es meist zwischen 300 und 600 Tiere. Sie brütet auch regelmässig in wenigen Paaren. In den Jahren 1985 – 1992 war der untere Thunersee sogar der wichtigste Brutplatz der Schweiz (mit höchstens 46 Bruten 1992). Aber nach dem Hochwasser von 1995 nahm der Brutbestand wieder massiv ab.Schellente
Diese hübsche Tauchente ist ein regelmässiger Wintergast am Thunersee. Am häufigsten ist sie in der Weissenau, auch bei der Schadau (Thun) ist oft eine Gruppe auf der Aare oder auf dem See anzutreffen. Mitten im Winter kann man die spektakuläre Balz der Männchen beobachten. Die Schellenten ernähren sich fast ausschliesslich von Köcherfliegenlarven. Gut 1200 Tauchgänge pro Tag sind nötig, damit sie genügend Nahrung aufnehmen können! Wenn sie zu häufig gestört werden, droht ihnen Unterernährung oder sogar der Hungertod. Etwa 50 Schellenten überwintern auf dem ganzen See, auch diese Zahl ist rückläufig, früher waren es noch 100 – 200.
Gänsesäger
Diese nordische Art hat sich wohl erst um die Mitte des 19. Jahrhunderts in der Schweiz angesiedelt. Er brütet in Baumhöhlen und in Fels- und Gebäudenischen. Am Thunersee ist er seit den 1960er-Jahren regelmässiger Brutvogel. In normalen Jahren werden 10 – 20 Familien auf dem See gezählt. Der Gänsesäger ist auf der Roten Liste der Brutvögel als verletzlich aufgeführt, da der Schweizer Brutbestand als Teil der isolierten Alpenpopulation mit etwa 600 Paaren relativ klein ist. Interessant ist, dass die meisten Männchen Anfang Juni verschwinden und erst ab Ende Oktober wieder zurückkommen. Offenbar verlassen sie die Schweiz, möglicherweise fliegen sie bis nach Nordnorwegen, um ihr Gefieder zu mausern. Im Winter werden auf dem Thunersee normalerweise 50 – 100 Gänsesäger gezählt.
Zwergtaucher
Der kleinste unter den Lappentauchern ist ein seltener Brutvogel in den Schutzgebieten Gwattlischenmoos und Weissenau. Er wird auf der Roten Liste ebenfalls als verletzlich bezeichnet. Als Durchzügler und Wintergast findet man ihn meist auf Kanälen und in ruhigen Buchten. Etwa 50 Vögel überwintern auf dem ganzen See.
Auch kleinere Schilfbestände sind sehr wichtig als Brutplatz für die Wasservögel.
Haubentaucher
Sein Name stammt vom schönen Kopfschmuck seines Prachtkleides. Er vollführt im Frühling ein eindrückliches Balzverhalten. Auf dem See brüten etwa 40 Paare, die meisten aber in den Schilfgebieten in der Weissenau und im Gwattlischenmoos. Ungefähr 100 Haubentaucher überwintern auf dem See. Vor dem Bau der Kläranlagen waren es jeweils mehrere Hundert, maximal waren es 1735 Exemplare im Jahr 1969.
Schwarzhalstaucher
In den Jahren 1980 – 2000 war er mit einem Winterbestand von rund 100 Tieren gut vertreten. Seither ist der Bestand rückläufig, momentan überwintern nur noch etwa 20 Vögel. Dagegen hat der Bestand auf dem Genfer- und Bodensee zugenommen. In den Jahren 2003 – 2005 hat ein Paar in der Weissenau gebrütet.
Kormoran
Auf der Jagd nach Fischen kann der Kormoran bis zu 25 Meter tief tauchen! Im Gegensatz zu den anderen Wasservögeln ist sein Gefieder nicht eingefettet, deshalb muss er es nach den Tauchgängen trocknen, indem er seine Flügel ausbreitet. Der Kormoran ist seit etwa 1985 regelmässiger Durchzügler und Wintergast auf dem Thunersee. Es überwintern etwa 20 – 30 Kormorane auf dem See, was, verglichen mit anderen Seen, eine kleine Zahl ist. In der ganzen Schweiz überwintern etwa 5000 Stück, davon werden pro Jahr jeweils über 1000 erlegt.
Blässhuhn
Das auch als «Taucherli» bekannte Blässhuhn ist ein recht häufiger Brutvogel. Der Winterbestand auf dem Thunersee ist jedoch seit langem rückläufig, der Grund dafür ist nicht genau bekannt. Vermutlich hat sich die Nahrungsgrundlage verschlechtert, da gewisse Wasserpflanzen zurückgegangen sind. Während es in den 1970er / 1980er-Jahren noch mehrere Tausend waren (mit einem Maximum von 5531 Tieren im 1971), zählte man in den letzten zehn Jahren nur noch zwischen 500 und 1000 Blässhühner.
Lachmöwe
Die Lachmöwe ist die häufigste Möwenart auf dem Thunersee. Sie hat, von allen Möwen auf dem Thunersee, am wenigsten Scheu vor den Menschen und bedient sich lautstark und frech an den ihr zugeworfenen Brotbrocken. Im Winter hat es auf dem ganzen See etwa 1000 Lachmöwen. Früher zählte man sogar mehrere Tausend (im Jahr 1975 waren es 3795 Stück).
Sturmmöwe
Wer die Möwenschwärme genau durchmustert, kann vor allem im Januar und Februar unter ihnen regelmässig Sturmmöwen aus Nordeuropa entdecken. Je strenger der Winter im Norden ist, desto zahlreicher kommen sie zu uns an den Thunersee.
Mittelmeermöwe
Wie ihr Name vermuten lässt, stammt diese Grossmöwe aus dem Mittelmeerraum. Sie ist seit 1990 ein regelmässiger Wintergast. Die höchsten Zahlen werden aber jeweils im Spätsommer erreicht. Es gab auch schon vereinzelte Brutversuche, eine erfolgreiche Brut gab es 2013 in der Gwattbucht.