Früh übt sich, wer Wasserrettungshund werden will
Früh übt sich, wer Wasserrettungshund werden will
In der Hüneggkurve in Hilterfingen sind einmal pro Woche auch die «Kleinsten» im Thunersee anzutreffen. Hier können die jungen Hunde ihre ersten Erfahrungen mit dem Element Wasser auf spielerische Art und Weise erleben. Wasserarbeit ist eine artgerechte und abwechslungsreiche Beschäftigung, die Spass und Spiel mit einer zielgerechten Erziehung des Hundes verbindet.
Text & Fotos: Christine Hunkeler
Hier darf die junge Kander noch mäandrieren, wie es ihr beliebt, und schlägt darum gelegentlich überraschende Läufe ein. Im Gasteretal kann man einen Fluss erleben, wie er früher war – bevor die grossen Gewässerkorrekturprojekte des 19. und 20. Jahrhunderts die Schweizer Flüsse und Ströme kanalisierten, zähmten und zivilisierten. Als Kind versuchte Adolf Ogi zusammen mit seinem Vater, die Ufer der Kander im Gasteretal aufzuforsten und so den Flusslauf zu stabilisieren. Wenn aber die Kander im Gasteretal stark anschwillt, ist sie kräftig genug, um auch grosse Bäume mitzureissen. Selbst die Hängebrücke bei Selden ist nicht sicher vor dieser Urgewalt und wurde schon mehrmals beschädigt. Eine Wanderung durch das Bachbett der Kander im Gasteretal ist immer auch eine Art Zeitreise, denn «dank der kanalisierten Flussläufe durch stabile, schnurgerade Flussbette sind wir uns heute gar nicht mehr an die zerstörerische Gewalt des Wassers gewöhnt. Ich erinnere mich gut, wie das früher war und welchen Segen die Bach- und Flusskorrekturen für Mensch und Tier darstellten», meint Ogi.
Die Geschichte des Gasteretals ist aber auch eine Geschichte der Menschen, die seit vielen Jahrhunderten in und mit diesem Tal leben. Noch vor nicht allzu langer Zeit war das wilde Tal sogar ganzjährig bewohnt – so lebte etwa Adolf Ogis Grossmutter Margrit Ogi-Künzi in ihrer Jugend ganzjährig in Selden. Dies ist heutzutage nicht mehr möglich; zu gefährlich sind die Winter im von hohen, steilen Felswänden umringten Trogtal. Aus diesem Grund wird im Oktober auch die einzige Zufahrtsstrasse geschlossen. Im Sommer aber kehrt wieder Leben ein, denn im Gasteretal existieren noch Spuren der uralten halbnomadischen Lebensweise, die den Völkern des Alpenraums einst eigen war. So gibt es hier noch die altehrwürdige Institution des Dorfältesten, in dessen Obhut sich die berühmte, über 300 Jahre alte Gasterebibel und die etwas jüngere Gasterechronik befindet. Der jetzige Dorfälteste Christian Künzi führt nebenher auch das Gasthaus Steinbock, in dem man am knisternden Kaminfeuer den Geist dieses Tales auf sich wirken lassen kann.
Kann man einen Besuch in diesem Naturschutzgebiet aber überhaupt verantworten? Darf man hingehen und etwa mit den eigenen Füssen durch das Bachbett der jungen Kander spazieren? Selbstverständlich, sagt Adolf Ogi, dem das Schlusswort überlassen sei: «Im Grunde unseres Herzens sind wir doch alle noch ein wenig Kantianer und durchaus fähig und willens, Verantwortung für etwas zu übernehmen. Indem ich meine Lieblingsplätze bekannt mache, werden sie in ihrer ganzen Bedeutung als wertvolle Orte in einer intakten Landschaft wahrgenommen und etwas Wertvolles zu schützen, sind die Menschen gerne bereit. Ich bin schon zu lange Politiker, als dass ich den Kräften der Demokratie nicht vertraute. Auch das Tragen von Verantwortung haben wir in den letzten fast hundert Jahren demokratisiert. Wir sind als Gesellschaft durchaus in der Lage, auch mit sensiblen Landschaften umzugehen und zu diesen ganz speziell Sorge zu tragen, das liegt mir sehr am Herzen.»
Sascha Küenzi, Einmal in der Woche wird mit den jungen Hunden in der Hüneggkurve geübt. Auf was muss bei diesen jungen Hunden besonders geachtet werden?
Die ersten 16 Wochen eines Welpen gelten als sensible Phase. Das ist die Zeit, in der ein junger Hund «geprägt» wird. In dieser Zeit nehmen positive, negative und fehlende Erfahrungen einen bleibenden Einfluss auf das künftige Verhalten eines Hundes. Gerade in dieser wichtigen Phase ist es wichtig, das Zusammenleben von Mensch und Tier in die richtige Bahn zu lenken. Für einen Welpen ist die Trennung von der Wurfgemeinschaft eine sehr grosse Belastung und das bedeutet für den neuen Besitzer eine grosse Herausforderung. Daher steht bei der Arbeit im Wasser an erster Stelle Spiel und Spass mit den Welpen im Vordergrund. Pro Mal werden maximal zwei Übungen mit den Welpen gemacht. Ein einfaches Beispiel ist, dass sich der Besitzer zusammen mit dem Hund einfach ins Wasser setzt und so langsam ein Vertrauen mit dem Element Wasser aufgebaut werden kann. Bis einjährig sind die Hunde in einer Angewöhnungsphase.Was ist der Unterschied zwischen einem Welpen und einem Flegeli?
Welpen nennt man Hunde, bis sie 16 Wochen alt sind, Flegeli nennt man sie ab der 17. Woche bis zu sechs Monaten. Flegeli ist quasi sowas wie das «Flegelalter», wie wir es auch kennen.Welches sind mögliche Massnahmen, um ein Tier an das Wasser zu gewöhnen?
Die Welpen kann man schon früh mitnehmen, damit sie die erwachsenen Tiere beim Training im Wasser beobachten können. Ab sechs Monaten kann man dann langsam mit den «Kleinen» beginnen, im Wasser zu arbeiten. Wichtig ist, dass die Freude für das Wasser vorhanden ist. Eine der ersten Übung ist, dass der Hundeführer mit einem Stab (= geflochtenes Seil) ins Wasser geht und der Hund nachgeht, um den Stab zu holen. Dies ist für eine spätere Prüfung wichtig. Während dieser Anfangsübungen gibt es zwischendurch auch ein «Goodeli», damit der Hund eine Bestätigung für seine Handlung erhält. Damit er weiss, er hat es gut gemacht. Auch mit einem Stand Up Paddle (Surfbrett) kann ein Tier ans Wasser gewöhnt werden. Man nimmt den Hund mit aufs Brett, gleitet mit ihm übers Was- ser und wackelt zwischendurch ein bisschen durch. So kann der Hund die verschiedenen Empfindungen im Wasser kennenlernen. Bei der Arbeit im Wasser ist der Hund immer mit Schwimmweste unterwegs. Das Tier muss auch in der Lage sein, auf Rufe und Töne zu reagieren. Ein Hund muss lernen, dass ihm nichts passieren kann. Ein Gefühl von Geborgenheit und Schutz ist zwingend notwendig, wenn er sich im Wasser aufhält.Das jüngste Mitglied im Verein mit einem zarten Alter von 6 Monaten ist «Chicca», ein weisser Labrador. Sie springt bereits ab dem Boot ins Wasser. Ist das in ihrem Alter nicht noch zu gefährlich?
«Chicca» ist ein kleines Ausnahmetalent. Sie konnte bereits ein älteres Familienmitglied, einen beigen Golden Retriever, beim Wasserrettungsschwimmen beobachten. Wenn man einen Hund übers Wasser hält, so sind die reflexartigen Schwimmbewegungen bereits vorhanden; sprich, er kann schwimmen, das liegt in seiner Natur. «Chicca» liebt es, im Wasser zu sein. Man muss sie jedoch bremsen, sonst könnte sie sich plötzlich zu einer hyperaktiven Hündin entwickeln. Es muss für den Hundehalter klar sein, dass man dem Hund trotz der frühen Begeisterung für das Wasser nicht zu viel abverlangt und klare Grenzen setzt. Ein Hund soll immer freudig dabei sein und es darf auch kein Druck ausgeübt werden. Sonst ist es mit der Freude vorbei.Ein weiteres Mitglied ist die einjährige «Nera», eine schwarze Labradorhündin aus der «Waterfan»-Zucht, die bereits mit ganzem Herzen bei der Sache ist. Macht es einen Unterschied, aus welcher Zucht ein Tier kommt, um es für die Arbeit im Wasser zu begeistern? Braucht es überhaupt einen Zuchthund dazu?
Nein, das braucht es nicht und es spielt keine Rolle, ob es ein Rassenhund oder keiner ist. Das Wichtigste ist die Freude am Wasser und an der Arbeit.Ein Hund soll immer freudig dabei sein und es darf auch kein Druck ausgeübt werden.