Der Luchs – eine liebenswerte, wilde Katze
Der Luchs – eine liebenswerte, wilde Katze
Vor einigen Jahren wurde der Luchs in der Schweiz wieder angesiedelt. Vor allem in den Voralpen hat die grosse Katze mit ihren markanten Pinselohren einen Platz gefunden. Sein bevorzugter Lebensraum ist der Wald, wo er als heimlicher Jäger unterwegs ist. Der Luchs begeistert uns als eine Katzenart, die uns so liebenswert erscheint, wie sie auch wild ist.
Text: Peter Juesy, Jagdinspektor Kanton Bern von 1993 bis 2016 | Fotos: zvg
Hier darf die junge Kander noch mäandrieren, wie es ihr beliebt, und schlägt darum gelegentlich überraschende Läufe ein. Im Gasteretal kann man einen Fluss erleben, wie er früher war – bevor die grossen Gewässerkorrekturprojekte des 19. und 20. Jahrhunderts die Schweizer Flüsse und Ströme kanalisierten, zähmten und zivilisierten. Als Kind versuchte Adolf Ogi zusammen mit seinem Vater, die Ufer der Kander im Gasteretal aufzuforsten und so den Flusslauf zu stabilisieren. Wenn aber die Kander im Gasteretal stark anschwillt, ist sie kräftig genug, um auch grosse Bäume mitzureissen. Selbst die Hängebrücke bei Selden ist nicht sicher vor dieser Urgewalt und wurde schon mehrmals beschädigt. Eine Wanderung durch das Bachbett der Kander im Gasteretal ist immer auch eine Art Zeitreise, denn «dank der kanalisierten Flussläufe durch stabile, schnurgerade Flussbette sind wir uns heute gar nicht mehr an die zerstörerische Gewalt des Wassers gewöhnt. Ich erinnere mich gut, wie das früher war und welchen Segen die Bach- und Flusskorrekturen für Mensch und Tier darstellten», meint Ogi.
Die Geschichte des Gasteretals ist aber auch eine Geschichte der Menschen, die seit vielen Jahrhunderten in und mit diesem Tal leben. Noch vor nicht allzu langer Zeit war das wilde Tal sogar ganzjährig bewohnt – so lebte etwa Adolf Ogis Grossmutter Margrit Ogi-Künzi in ihrer Jugend ganzjährig in Selden. Dies ist heutzutage nicht mehr möglich; zu gefährlich sind die Winter im von hohen, steilen Felswänden umringten Trogtal. Aus diesem Grund wird im Oktober auch die einzige Zufahrtsstrasse geschlossen. Im Sommer aber kehrt wieder Leben ein, denn im Gasteretal existieren noch Spuren der uralten halbnomadischen Lebensweise, die den Völkern des Alpenraums einst eigen war. So gibt es hier noch die altehrwürdige Institution des Dorfältesten, in dessen Obhut sich die berühmte, über 300 Jahre alte Gasterebibel und die etwas jüngere Gasterechronik befindet. Der jetzige Dorfälteste Christian Künzi führt nebenher auch das Gasthaus Steinbock, in dem man am knisternden Kaminfeuer den Geist dieses Tales auf sich wirken lassen kann.
Kann man einen Besuch in diesem Naturschutzgebiet aber überhaupt verantworten? Darf man hingehen und etwa mit den eigenen Füssen durch das Bachbett der jungen Kander spazieren? Selbstverständlich, sagt Adolf Ogi, dem das Schlusswort überlassen sei: «Im Grunde unseres Herzens sind wir doch alle noch ein wenig Kantianer und durchaus fähig und willens, Verantwortung für etwas zu übernehmen. Indem ich meine Lieblingsplätze bekannt mache, werden sie in ihrer ganzen Bedeutung als wertvolle Orte in einer intakten Landschaft wahrgenommen und etwas Wertvolles zu schützen, sind die Menschen gerne bereit. Ich bin schon zu lange Politiker, als dass ich den Kräften der Demokratie nicht vertraute. Auch das Tragen von Verantwortung haben wir in den letzten fast hundert Jahren demokratisiert. Wir sind als Gesellschaft durchaus in der Lage, auch mit sensiblen Landschaften umzugehen und zu diesen ganz speziell Sorge zu tragen, das liegt mir sehr am Herzen.»
Im Winter 1998 wurden zum ersten Mal Fotofallen eingesetzt, um Luchse individuell zu erkennen.
Lebensweise des Luchses
Die Gattung Luchs umfasst heute vier Arten, von welchen je zwei in Nordamerika (Rotluchs und Kanadaluchs) und in Eurasien (eurasischer Luchs und Pardelluchs) heimisch sind. Die Luchse gehören zu den Grosskatzen, sind aber typische Jäger von mittelgrossen Säugetieren, sie jagen Rehe, Gämsen, Hasen und Füchse. Der bei uns lebende eurasische Luchs ist mit bis zu 30 kg etwa doppelt so schwer wie sein engster Verwandter, der Kanadaluchs, mit einem Gewicht von bis zu 15 kg.Der Luchs ist ein Waldbewohner. Seine Jagdweise erfordert einen deckungsreichen Lebensraum. Lediglich in Zentralasien, am Westrand der Wüste Gobi und im Himalaya tritt er auch in Gebieten ausserhalb dichter Wälder auf. In Europa besiedelte er von südlichen Hartlaubwäldern bis zu nördlichen Nadelwäldern alle Klimazonen von der Meereshöhe bis zur Waldgrenze im Gebirge. Dabei ist die Art keineswegs an Gebirge gebunden. Beispielsweise fehlen im Schweizer Mittelland die Luchse nicht, weil ihnen das Flachland nicht behagt, sondern weil dieser Teil des Landes zu stark entwaldet und zu dicht besiedelt ist.
Luchse leben als Einzelgänger in Revieren, in denen sie keine anderen erwachsenen Tiere des gleichen Geschlechts dulden. Reviere von Männchen umfassen ein bis zwei Reviere von Weibchen. Die Reviergrösse der ausgewachsenen Luchse schwankt in Abhängigkeit vom Nahrungsangebot und vom Zustand der Population. In den Revieren verständigen sich Vater, Mutter und Jungtiere entsprechend mit Rufen.
Während der Paarungszeit von März bis April sind Luchse auch tagsüber aktiv und rufen häufiger. Die Luchsin wirft nach einer Tragzeit von ca. 70 Tagen Ende Mai oder Anfang Juni meist zwei blinde Junge an einem geschützten Ort wie einer Höhle oder unter einem umgestürzten Baum. Sie kümmert sich allein um die Aufzucht der Jungen. Jungluchse leben von Milch, bis sie im Alter von zwei Monaten der Mutter zu einem gerissenen Tier folgen können. Während rund zehn Monaten bleiben die Jungen bei der Mutter. Danach lösen sie sich und suchen sich ein eigenes Revier. In dieser Zeit sind sie manchen Gefahren ausgesetzt, sodass es ihnen nur gelingen kann, zu überleben und sich fortzupflanzen, wenn sie ein freies Revier besetzen können. Die Sterblichkeit beträgt im ersten und zweiten Lebensjahr ganze 50%.
Der eurasische Luchs ist ein Jäger von kleinen Paarhufern wie Rehen, Gämsen, Hasen und Füchsen. In der Schweiz sind 88% der Beutetiere Rehe und Gämsen. Füchse machen gerade rund 4% aus. Auf Haustiere – vor allem Schafe und seltener Ziegen – weicht der Luchs nur aus, wenn der Rehbestand tief ist. Der Luchs ist ein Anschleich- und Überraschungsjäger, der die Beute nicht verfolgt. Er greift das Opfer mit den Krallen der Vorderpranken und tötet es mit einem gezielten Biss in die Kehle. Danach verzehrt er das Reh oder die Gämse während mehrerer Nächte vollständig. Nur die groben Knochen, der Kopf, das Fell sowie der Verdauungstrakt bleiben übrig. Ein Luchs braucht pro Woche ungefähr ein Reh oder eine Gämse, das sind bis zu 60 Tiere pro Jahr. (Quelle: KORA)
Mensch und Luchs
Luchse stellen für Menschen keine Gefahr dar. Konflikte können sich jedoch aus Übergriffen auf Nutztiere und der Konkurrenz zum Jäger um Rehe und Gämsen ergeben. Der Luchs ist geschützt, das Konzept Luchs Schweiz gibt aber Richtlinien für das Management vor. Bauern werden für gerissene Nutztiere von Bund und Kantonen entschädigt. Bei wiederholten Angriffen sind zudem Massnahmen zum Schutz der Herden vorgesehen. Wenn ein Luchs mehr als 15 Schafe oder Ziegen reisst und kein anderer Ausweg mehr gefunden werden kann, wird eine Abschussbewilligung erteilt. Falls der Luchs regional oder lokal zu viele Rehe oder Gämsen reisst, sodass die Jagd nicht mehr möglich ist, kann der Luchsbestand auch gezielt reduziert werden. Für einen Eingriff müssen jedoch mehrere Voraussetzungen erfüllt sein. Die Reduktion erfolgt dann durch Einfangen und Umsiedlung und notfalls durch Abschüsse. Das Ziel ist dabei, eine lokal hohe Dichte zu senken und gleichzeitig die Verbreitung des Luchses zu fördern. (Quelle: KORA)Der Luchs in der Schweiz
Der Luchs starb in der Schweiz während des 19. Jahrhunderts aus. Die letzte historische Beobachtung erfolgte 1904 beim Simplonpass. Der Luchs wurde mit allen Mitteln verfolgt, aber auch die Lebensgrundlage war zerstört: Die Wälder waren weitgehend abgeholzt und die Beutetiere ausgerottet. Mit der Rettung der Wälder und der wilden Paarhufer im 20. Jahrhundert wurden jedoch die ökologischen Voraussetzungen für eine Wiederansiedlung geschaffen. 1967 fasste der Bundesrat einen entsprechenden Beschluss, und 1971 wurden die ersten Luchspaare aus den Karpaten im Kanton Obwalden freigelassen. Seither haben sich in der Schweiz zwei Luchspopulationen entwickelt, zum einen im Jura und zum anderen in den Nordwestalpen. Von dort wurden zwischen 2001 und 2008 einige Luchse im Rahmen des Projektes LUNO in die Nordostschweiz umgesiedelt, um die Ausbreitung der Art zu fördern. Heute leben in der Schweiz ungefähr 190 Luchse. (Quelle: KORA)Der Luchs im Kanton Bern
Seit 1975 lebt der Luchs auch im Kanton Bern. Laut einer in den achtziger Jahren gemachten Studie schöpften die Luchse in den Berner Alpen bis 9% des Rehbestandes und bis 3% des Gämsenbestandes ab, wobei die Bestände dieser Wildarten stabil blieben oder teilweise sogar wieder zunahmen. Gäms- und Rehwild stellten sich auf den Luchs durch Anpassung ihres Verhaltens ein. So verschwanden lokale Wildkonzentrationen, wodurch sich die Wildschadensituation entschärfte; gleichzeitig wurde jedoch die Jagd für den Jäger aufwändiger. Man kann sagen: Lokal und regional war der Einfluss des Luchses auf die Reh- und Gämsenbestände spürbar.Der in den neunziger Jahren zu beobachtende überraschende Anstieg des Luchsbestandes in den Nordwestalpen konnte nur dank einem sehr guten Nahrungsangebot erfolgen. Die Vermehrung von Rehen und Gämsen ihrerseits führte jedoch zu stärkeren Wildschäden an Wäldern. Die bernische Jagdverwaltung erhöhte von 1994 bis 1998 den Jagddruck auf die genannten Wildarten stark, um die Wildschäden zu vermindern. Die kombinierte Wirkung von verstärkter Jagd sowohl durch den Menschen als auch durch den Luchs, verbunden mit steigenden Winter- und Fallwildverlusten sowie Verlusten infolge von Gämsblindheit, führten – speziell im Berner Oberland – zu einem deutlichen Rückgang von Reh- und Gämswild.
Nach der raschen Zunahme von Luchsrissen in den Nordwestalpen hat der Kanton Bern die Initiative ergriffen und Anfang 1997, zusammen mit den Bundesbehörden und den Nachbarkantonen Freiburg und Waadt, ein dreijähriges Forschungsprojekt in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse bestätigten, dass Ende der neunziger Jahre der Einfluss des Luchses namentlich im westlichen Berner Oberland zugenommen hatte; er schöpfte dort auf dem Höhepunkt der Luchspopulationsentwicklung etwa 36 bis 39% des Reh- und rund 6% des Gämsenbestandes ab. Mit verschiedenen anderen Massnahmen versuchte der Kanton Bern, die Emotionen um das Thema Luchs zu dämpfen, was leider nur teilweise gelang. Zudem wurde die Jagd auf Rehe und Gämsen eingeschränkt.
Anfangs 2000 hat die Volkswirtschaftsdirektorin des Kantons Bern, zusammen mit fünfzehn andern Kantonen, dem BAFU zum Konzept Luchs Schweiz folgende Bedingungen gestellt:
Der Luchs ist als wichtiger Teil der einheimischen Fauna langfristig anzusiedeln.
Die vorgesehenen Umsiedlungen von Luchsen müssen im Jahr 2000 erfolgen, damit von der momentan hohen Luchsdichte in den Nordwestalpen profitiert werden kann.
Der Kanton Bern muss die Kompetenz erhalten, bei grösseren Schäden an Nutztieren Luchsabschüsse anzuordnen.
Die Kantone sollen bei gesicherten Luchsbeständen auch im Fall von anhaltend unterdurchschnittlichen jagdlichen Nutzungsmöglichkeiten des Schalenwildes lokal oder regional in die Luchsbestände eingreifen können, sofern die Kriterien der Nachhaltigkeit beachtet werden.
Wenn der Luchsbestand im Alpenraum als gesichert gilt, ist der Schutz zu lockern und regulierende Eingriffe in den Luchsbestand sind zuzulassen, ohne diese Tierart wieder zu bedrohen.
Diesem Anliegen wurde Rechnung getragen und das Konzept Luchs Schweiz trat im gleichen Jahr in Kraft. Den Kantonen wurde mit diesem Konzept die Kompetenz für Eingriffe bei schadenstiftenden Luchsen übertragen, wenn bei Nutztieren die Anzahl von 15 Rissen erreicht wird. Im Kanton Bern wurden 1999, 2001 und 2002 drei schadenstiftende Luchse durch die Wildhut erlegt. Der Regierungsrat, aber auch die Berner Jägerschaft haben zudem 2001 der Umsiedlung von Luchsen in die Ostschweiz zugestimmt. Damit wurde ein wesentlicher Beitrag zur langfristigen Sicherung des Luchses im Alpenraum geleistet. Mit dieser Massnahme konnte vorerst auch der entstandene Populationsdruck im Berner Oberland vermindert werden, ohne dabei einzelne Luchse zu töten und damit seine Existenz erneut zu gefährden.
Luchswilderei im Kanton Bern
Nach einer ersten «Luchswelle» in den frühen achtziger Jahren war es um den Luchs im Kanton Bern lange Zeit ruhig. Mitte der neunziger Jahre begann der Luchsbestand zuzunehmen, wohl als Folge der angewachsenen Reh- und Gämsenbestände. Der Aufschwung des Luchses betraf vor allem das westliche Berner Oberland. Dort wurde in den Jahren 1999/2000 ein Höchststand erreicht, der schliesslich zu den erwähnten Wegfängen, aber auch illegalen Tötungen und natürlichen Abgängen führte. Obschon damals das Jagdinspektorat bei jedem toten Luchs Strafanzeigen gegen unbekannte Täterschaft einreichte, konnten leider keine Täter strafrechtlich überführt werden. Nach Angaben des Programms KORA hatte in dieser Zeit der Luchsbestand im Berner Oberland deutlich abgenommen.Im östlichen Berner Oberland zeichnete sich eine Zunahme der Luchsbeobachtungen ab, weshalb dort im Winter 1998 zum ersten Mal Fotofallen an Luchsrissen eingesetzt wurden, um Luchse individuell zu erkennen. In Zusammenarbeit mit den angrenzenden Kantonen Obwalden und Nidwalden wurden im vergangenen Winter systematisch Fotofallen auch auf Luchswechseln eingesetzt. Damit konnten sieben verschiedene Luchse identifiziert werden, das entsprach einer geringen bis mittleren Luchsdichte.
2004 wurden erstmals im überarbeiteten Konzept Luchs Schweiz Kriterien für eine mögliche Regulation des Luchsbestands festgelegt: Die Bestände des Schalenwilds und die Jagdstrecke mussten rückläufig, der Luchsbestand steigend, die natürliche Waldverjüngung auf mindestens 75% der Fläche gesichert sein und der Rückgang von Reh und Gämse durfte nicht auf erhöhte Bejagung, Krankheiten oder strenge Winter zurückzuführen sein. Obschon verschiedene Rechtsgutachten mehrheitlich bestätigten, dass der Begriff «Wildschaden» im Bundesgesetz weiter gefasst werden darf und spürbare Einbussen beim Jagdertrag ebenfalls darunterfallen. Bis heute wurden jedoch in der Schweiz keine Eingriffe beim Luchs vorgenommen.
Das Zusammenleben von Menschen und Grossraubtieren setzt voraus, dass die Menschen die Existenz dieser Tiere anerkennen.
Durch das Vordringen des Menschen ist der Druck auf Wildtiere immer stärker gestiegen.
Bestandesentwicklung des Luchses
KORA hat im letzten Winter erneut mittels Fotofallen-Monitoring eine Bestandesschätzung der Luchse im Oberland durchgeführt. Unter anderem zeigt die Untersuchung, dass auf hundert Quadratkilometer Fläche südlich des Thuner- und Brienzersees über drei Luchse leben. Insgesamt wurden in der Untersuchungsregion fünfzehn erwachsene Luchse und bis zu acht Jungtiere fotografiert. Die geschätzte Luchspopulation im östlichen Berner Oberland liegt höher als in andern Gebieten der Schweiz. Nur im südlichen Jura hat es geschätzt noch mehr Luchse.Warum gibt es im Berner Oberland mehr Luchse als anderswo? «Mit letzter Sicherheit lässt sich das nicht beantworten», sagt die Wildtierökologin Kristina Vogt. Es sei normal, dass die Anzahl Tiere in einer Population schwanke. «Der Luchs findet im Berner Oberland genügend Nahrung», sagt sie.
Nahrung und Lebensraum seien bei allen Wildtieren für den Fortpflanzungserfolg entscheidend. Der Luchs ernähre sich hauptsächlich von Rehen und Gämsen. Ab und zu erlege er einen Fuchs oder Hasen. Nutztiere reisse der Luchs hingegen selten. Auf rund 190 Luchse in der Schweiz würden jährlich etwa 50 Nutztierrisse gemeldet. «Im Verhältnis zu den Rissen durch Wölfe, von denen es weniger gibt, ist die Zahl unbedeutend», sagt Vogt. Vor diesem Hintergrund und gestützt auf das Konzept Luchs Schweiz verlangt der Berner Jägerverband eine Regulierung des hohen Luchsbestandes. Gemäss Konzept Luchs Schweiz des BAFU ist die Luchsdichte von 1,5 Tieren pro 100 Quadratkilometer allerdings der Mindestbestand, bevor ein regulativer Eingriff in den Luchsbestand erfolgen kann – diese Voraussetzung wäre erfüllt.
Neu können die Kantone mit vorheriger Zustimmung des BAFU befristete Massnahmen zur Regulierung von Beständen geschützter Tierarten treffen, wenn Tiere einer bestimmten Art trotz zumutbarer Massnahmen zur Schadenverhütung grosse Schäden an Wald, landwirtschaftlichen Kulturen oder Nutztierbeständen oder hohe Einbussen bei der Nutzung der Jagdregale durch die Kantone verursachen.
Fazit
Die Biodiversität – die Vielfalt von Lebensräumen, Arten und Genen sowie ihr Zusammenspiel – ist für die Natur und für uns Menschen wichtig. Wildtiere sind Teil unserer Landschaft und unseres Lebensraums. Durch das Vordringen des Menschen ist der Druck auf Wildtiere in den letzten Jahrhunderten immer stärker gestiegen und hat bei einigen Arten auch zu deren Ausrottung geführt. Die Rückkehr von Arten wie Wolf, Bär oder Biber ist für unsere Naturlandschaft ein gutes Zeichen, denn diese Tiere erobern nur Räume zurück, in denen sie geeignete Bedingungen vorfinden.Obschon eine flächendeckende Ansiedlung des Luchses im Alpenraum angestrebt wird, soll gleichzeitig eine nachhaltige Bewirtschaftung von Schalenwildbeständen (Reh, Gämse, Rothirsch und Steinbock) möglich sein. In Anbetracht der politischen Diskussionen um die Rückkehr der Grossraubtiere in die Schweiz ist ein Totalschutz von Luchs, Wolf und Bär, der sich einzig an der ökologischen Lebensraumkapazität orientiert und die Sorgen der besonders betroffenen Bevölkerung ausser Acht lässt, auf die Dauer nicht tragfähig.
Das Zusammenleben von Menschen und Grossraubtieren im dicht besiedelten Gebiet der Schweiz setzt einerseits voraus, dass die Menschen die Existenz dieser Tiere anerkennen, und andererseits, dass auch die Nutzungsbedürfnisse betroffener Kreise der Bevölkerung respektiert und berücksichtigt werden. Wenn es gelingt, die naturschützerischen, landwirtschaftlichen, jagdlichen und forstlichen Interessengruppen für eine gemeinsame Stossrichtung zu verpflichten, wird das neue Konzept Luchs Schweiz erfolgreich umgesetzt werden können.
Eine umfassende Koordination aller Massnahmen, eine intensive Aufklärung der Bevölkerung und die Beteiligung der besonders betroffenen Kreise ist für die Um- setzung des Konzeptes Luchs von zentraler Bedeutung.