Eulen und Käuze rund um den Thunersee

Eulen und Käuze rund um den Thunersee

Eulen und Käuze rund um den Thunersee

Eulen gehören sicher zu den bekanntesten Vögeln, denn wir begegnen ihnen fast täglich, sei dies in der Werbung, auf Post- und Glückwunschkarten, als Dekoartikel, auf Haushaltsgegenständen und noch an vielen anderen Orten. Aber haben Sie schon eine dieser mystischen Eulen in freier Wildbahn gesehen? Diese Frage wird in den meisten Fällen mit einem Nein beantwortet. 

Text: Hans Meierhans  |  Fotos: Ruedi Aeschlimann, Martin Wettstein, zvg

Von den acht in der Schweiz brütenden Eulenarten sind sieben in der Thunerseeregion nachgewiesen. Die Eulen und Käuze im Berner Oberland leben in den verschiedensten Lebensräumen, die vom urbanen Raum bis in hoch liegende Bergwälder reichen. Unterschiedlich sind auch ihre Nester. Sie brüten in Gebäuden, in alten Krähen- oder Greifvogelnestern, in verlassenen Spechthöhlen, unter Felsvorsprüngen wie auch in künstlichen Nisthilfen.

Der relativ breite, runde Kopf der Eulen mit den recht weit auseinanderstehenden Augen weist eine gewisse Ähnlichkeit mit dem des Menschen auf. In früheren Zeiten wurde auch von menschenköpfigen Vögeln gesprochen, wenn es um Eulen und Käuze ging. Vielleicht werden deshalb die Eulen auch als weise Vögel angesehen, weil sie gewisse menschliche Züge aufweisen. Der Steinkauz war in der griechischen Mythologie der bevorzugte Vogel der Göttin Athene. Athene war die Göttin der Weisheit und die Beschützerin von Athen. Wenn es aber um tierische Intelligenz geht, haben Eulen und Käuze gegen Krähen und Raben das Nachsehen. 

Bereits in der Antike waren die Menschen von den geheimnisvollen Eulen fasziniert – aber auch voreingenommen. Zu dieser Haltung des Menschen haben sicher der starre Blick, der durch Mark und Bein gehende Gesang und ihr geheimnisvolles Leben in der Dunkelheit beigetragen. Als Totenvogel und Handlanger des Todes wurden die Eulen im mittelalterlichen Europa bezeichnet. Für die Indianer in Nordamerika waren Eulen Bindeglied zwischen Leben und Tod und in Zentral- und Südamerika galt die Eule als Bote des Todes. Auch in Asien wurden die Eulen, von wenigen Ausnahmen abgesehen, mehrheitlich mit dem Tod in Verbindung gebracht.

Eulen gehören mitunter zu den ältesten Vogelarten und bilden seit über sechzig Millionen Jahren eine eigene Abstammungslinie. Verschiedene körperliche Anpassungen im Laufe dieser sechzig Millionen Jahre führten dazu, dass sich Eulen zu grösstenteils nachtaktiven Vögeln entwickelten. Systematisch sind Eulen zwischen Papageien und Greifvögeln einzuordnen. Weltweit wurden bis heute rund zweihundertfünfzig Eulen- und Kauzarten nachgewiesen. 

Welche Besonderheiten zeichnen Eulen und Käuze aus? Eulen haben ein sehr gutes Gehör, eine ausgezeichnete Sehkraft bei Nacht wie auch am Tag, einen lautlosen Flug und eine perfekte Tarnung. Die genannten Eigenschaften treffen aber nicht für alle Arten gleichermassen zu. Mehr darüber in den Beschreibungen der einzelnen Arten. Alle nachtaktiven Eulen sind mit einem hochentwickelten Gehör ausgestattet, welches ihnen die Ortung der Beute ermöglicht. Die Ohren sind am Kopf der Eule asymmetrisch angeordnet und Eulen haben wie alle anderen Vögel keine Ohrmuscheln. Aus dieser asymmetrischen Anordnung der Ohren ergibt sich ein sehr kleiner Laufzeitunterschied des wahrgenommenen Geräusches und dieser Zeitunterschied ermöglicht der Eule eine äusserst präzise Richtungspeilung. Im Nahbereich der Beute übernehmen dann die Augen deren Ortung. Die Bündelung des wahrgenommenen Geräusches der Beute erfolgt durch den Gesichtsschleier der Eule. Eulen können die Form ihres Gesichtsschleiers verändern, um Geräusche optimal dem Gehör zuzuleiten.

Verschiedene Eulenarten haben einen geräuschlosen Flug. Die Schwungfedern der Flügel sind mit ganz feinen Haaren und kammartigen Zähnchen versehen, welche dazu dienen, die eigenen Fluggeräusche zu unterdrücken. Es ist davon auszugehen, dass der lautlose Flug zwei Aufgaben zu erfüllen hat. Einerseits vermeidet die Eule, dass sie ihre Wahrnehmung durch ihre eigenen Fluggeräusche stört und andererseits hört das Beutetier die herannahende Gefahr nicht.

Auch wenn Eulen sehr gut hören, heisst dies noch lange nicht, dass sie dafür schlecht sehen. Die Sehleistung der Eulenaugen ist sowohl in der Nacht wie auch am Tag ausgezeichnet. Aber ohne einen Restlichtanteil in der Nacht kann auch die Eule nichts sehen. Jedes der länglichen Augen ist in einem Knochenring in Längsrichtung fixiert. Dadurch haben Eulen ein relativ beschränktes Sehfeld von lediglich etwa 110°. Dieses Manko wird aber durch die Beweglichkeit des Kopfes wettgemacht, denn dadurch erweitert sich das Sehfeld auf rund 270°. 

Bei allen hier vorgestellten Eulenarten gibt es im Bezug auf das Aussehen keinen sichtbaren Unterschied zwischen Männchen und Weibchen. Die Weibchen sind etwas grösser als die Männchen, was aber kaum je auffällt, da bei der Mehrzahl der Beobachtungen nicht beide Geschlechter gleichzeitig beobachtet werden können.

Von einer Ausnahme abgesehen, sind alle im Berner Oberland vorkommenden Arten nachtaktiv. Damit die Eulen am Tag nicht durch Fressfeinde gestört werden, haben alle Eulenarten eine ausgezeichnete Gefiedertarnung, welche zumindest einen gewissen Schutz vor Feinden bietet.

Pro Natura rückt dieses Jahr mit der Wahl dieses Tieres die Wichtigkeit der kleinen Bäche in den Fokus.

Welche Eulen und Käuze können rund um den Thunersee und in den angrenzenden Gebieten, selbstverständlich mit viel Geduld und Ausdauer, beobachtet oder zumindest gehört werden? Es besteht durchaus die Chance, dem Uhu, dem Waldkauz, der Waldohr- und der Schleiereule, dem Raufusskauz und dem Sperlingskauz zu begegnen. Vergeblich werden wir hingegen den Steinkauz suchen. Er brütete bis in die 1980er-Jahre noch regelmässig in der Region Thun, verschwand aber wegen Verlust seines Lebensraumes.

Uhu

Die weltweit grösste Eule ist noch an verschiedenen Orten im Berner Oberland anzutreffen und ihr Reviergesang verweist auch auf ihren Namen. Noch vor wenigen Jahrzehnten war der Uhu ein sehr seltener Brutvogel. Grund dafür war die intensive Verfolgung durch den Menschen, denn der Uhu galt als Konkurrent bei den Niederwildjägern. Heute sind wieder mehrere Reviere rund um den Thunersee und in dessen Umgebung besetzt. Der Uhu bevorzugt felsiges Gelände mit Nischen, die ihn vor Regen und Schnee schützen, aber auch einen freien Anflug gewährleisten, und er sucht auch die Nähe zu stehenden oder fliessenden Gewässern. Allein aufgrund seiner Grösse und der markannten Federohren ist der Uhu mit keiner anderen Eule zu verwechseln. Das Nahrungsspektrum des Uhus ist breit und als Fleischfresser liebt er selbst geschlagenes Wild, verschmäht aber auch Aas nicht. Als Opportunist jagt er hauptsächlich angeschlagene und verletzte Tiere. Der kräftige Uhu hat praktisch keine Feinde. Gefährdet ist der Uhu einerseits durch menschliche Freizeitaktivitäten, wie Störungen durch Freizeitsportler am Brutfelsen, und andererseits durch Stromleitungen, Seilbahnkabel, Stachel- und Glattdraht, die zu Todesfallen werden können. Auch für andere Eulenarten und Greifvögel können Kollisionen mit diesen Hindernissen mit schweren Verletzungen oder gar tödlich enden.

Waldkauz

Der Waldkauz ist jene Eulenart, die am ehesten festgestellt werden kann, denn sie kommt in tiefen Lagen und in jedem Wald vor und bewohnt auch urbane Gebiete. Bruten sind beispielsweise mitten in Interlaken bekannt. In der Regel sind diese Käuze bis auf eine Höhe von etwa 1200 Metern über Meer anzutreffen. Waldkäuze sind ausgesprochene Standvögel und bleiben ihren Revieren treu. Das Wort Kauz stammt übrigens aus dem mittelhochdeutschen «kuze» und bedeutet Schreihals – eine nicht von der Hand zu weisende Bezeichnung für den Waldkauz. Der Waldkauz hat einen runden Kopf ohne Federohren und kommt in den drei Gefiederfärbungen braun, rot und grau vor. Über die Hälfte der Käuze trägt ein braunes Federkleid. Die Balz der nächtlichen Jäger beginnt bereits im Februar und ihr weittragender Gesang ist meist eine gute halbe Stunde nach Sonnenuntergang zu hören. Waldkäuze haben ein breites Nahrungsangebot, das zur Hauptsache aus Mäusen und Vögeln besteht. Daneben fressen sie auch Frösche, Kröten, verschiedenste Käfer und Würmer. Die Brut erfolgt vorzugsweise in Baumhöhlen, aber auch ruhige Gebäudeteile, Greifvogelhorste oder Nistkästen dienen dem Waldkauz als Nistplatz. In vielen Fällen wird über mehrere Jahre der gleiche Brutort benutzt. 

Waldohreule

Nadelwälder oder Mischwälder mit einem grossen Anteil an Nadelholz sind die bevorzugten Lebensräume der Waldohreulen. Zum Jagen brauchen die Vögel hingegen offenes Gelände. Die Gefiederfärbung, die orangefarbene Iris und die Federohren erinnern an einen etwas klein geratenen Uhu. Waldohreulen leben rund um den Thunersee, aber nicht in einer hohen Dichte. Zur Brutzeit meidet die Waldohreule die Wohngebiete. Hingegen können Waldohreulen in strengen Wintern die Tagesruhe auch in Städten und Dörfern verbringen. Dabei kommt es zu Ansammlungen von drei bis zehn, gelegentlich auch mehr Vögeln. Solche Schlafplätze sind aus Thun und Interlaken bekannt. Waldohreulen jagen im Suchflug meist nachts und dabei sind Wühlmäuse ihre Hauptbeutetiere. Weiter gehören auch Kleinvögel und Insekten zum Beutespektrum. Waldohreulen rufen nachts, hauptsächlich im März und April. Mit etwas Glück kann man Duette von Männchen und Weibchen oder ihr Flügelklatschen während Balzflügen hören. Waldohreulen brüten bevorzugt in alten Krähennestern.

Raufusskauz

Der Name Raufusskauz bezieht sich auf seine befiederten Füsse. Früher wurde er rauchfüssiger Kauz genannt, denn Rauch war bis ins 19. Jahrhundert eine Bezeichnung für Pelz. Der Raufusskauz lebt ausschliesslich in Bergwäldern. Auf der Nordseite des Thunersees wurden Raufusskäuze auch in tieferen Lagen beobachtet. Dort geht allerdings der Raufusskauz das Risiko ein, Beute des Waldkauzes zu werden. Bereits im Februar kann der flötende Gesang des Raufusskauzes gehört werden. Kurz nach Sonnenuntergang beginnen die Käuze mit ihren weithin hörbaren Reviergesängen. Raufusskäuze sind weitgehend auf Höhlen des Schwarzspechts angewiesen, nehmen aber auch künstliche Bruthilfen an. Männchen sind ausserhalb der Brutzeit meist standorttreu. Die Weibchen hingegen verlassen das gemeinsame Revier, um Orte mit einem guten Nahrungsangebot aufzusuchen. Raufusskäuze machen von Warten aus vorzugsweise Jagd auf Kleinnager. Daneben gehören aber auch Vögel zur regelmässigen Beute. Bei Nahrungsüberschuss lagern sie einen Teil der Beute in Baumhöhlen.

Sperlingskauz

Der Sperlingskauz ist die kleinste in der Schweiz vorkommende Eule. Er hat etwa die Grösse eines Stars und lebt zur Hauptsache in reich strukturierten Bergwäldern mit einem guten Anteil an Totholz. Der Sperlingskauz ist die einzige in der Schweiz vorkommende tag- und dämmerungsaktive Eulenart. Dieser Kauz ist rund um den Thunersee gut vertreten, aber, wie die meisten andern Eulen auch, nicht ganz einfach zu entdecken. Für das Vorkommen der Sperlingskäuze ist entscheidend, dass es genügend Höhlen von Bunt- oder Dreizehenspechten gibt. Im Herbst und ab Februar, hauptsächlich in der Dämmerung, ist der Gesang zu vernehmen. Der Kauz ernährt sich, von der Jahreszeit abhängig, von Mäusen und Vögeln. Sperlingskäuze sind furchtlose Jäger und nehmen es auch mit Beutetieren auf, die grösser sind als sie selbst. Für Zeiten, in denen die Beutetiere nicht so zahlreich vorhanden sind, legt der Sperlingskauz umfangreiche Vorräte in Höhlen an. Gefrieren diese, taut er sie mit der eigenen Körperwärme auf, bis sie verzehrbar sind.

Es besteht durchaus die Chance, dem Uhu, dem Waldkauz, der Waldohr- und der Schleiereule, dem Raufusskauz und dem Sperlingskauz zu begegnen.

Schleiereule

Die Schleiereule ist praktisch nur noch im Thuner Westamt zu finden. Sie braucht abwechslungsreiches und natürlich bewirtschaftetes Kulturland. Für die Brut und als Tageseinstand dienen ihr landwirtschaftliche Gebäude und Kirchen. Schleiereulen schätzen ruhige und störungsfreie Räume, in denen sie zurückgezogen leben können. Feldmäuse bilden ihre Hauptnahrung und werden im Suchflug erbeutet. Auch Schleiereulen legen zum Teil umfangreiche Nahrungsdepots an. Die Reviergesänge sind ab Mitte März zu hören, wenn die Schleiereulen Balzflüge unternehmen. Gefährdet ist diese Eule insbesondere durch die laufende Intensivierung der Landwirtschaft. Viele Schleiereulen werden auch Opfer des Verkehrs.

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