Faszinierende Fischwelt im Thunersee

Faszinierende Fischwelt im Thunersee

Faszinierende Fischwelt im Thunersee

Weil die Uferzone stark genutzt wird, fehlt es einigen Fischarten an geeignetem Lebensraum und Laichplätzen. Trotz menschlichen Einflüssen hat der Thunersee einen ungewöhnlichen Reichtum unterschiedlicher Fischarten bewahrt. Dies auch dank der Hilfe des kantonalen Fischereiinspektorats, das jeden Eingriff in Gewässer bewilligt und begleitet sowie Arterhaltung grossschreibt.

Text: Laura Spielmann  |  Fotos: Martin Mägli, Michel Roggo (aus Buch «Aare – alles im Fluss») 

amit Fische geboren werden können, legen die Weibchen ihren Laich im Wasser ab und die Männchen befruchten ihn. Der Laich besteht aus vielen Tausend Eiern, die von einer weichen Eihaut umhüllt sind. In diesen Eiern entwickeln sich die Embryos, bevor sie als kiementragende Larven schlüpfen. Die Dauer des Prozesses kann je nach Art sehr unterschiedlich sein. Es werden verschiedene Formen der Laichablage unterschieden: Freilaicher entlassen die Eier frei ins Wasser, während Haftlaicher die Eier mittels eines klebrigen Sekrets an Gegenständen (z. B. an Wasserpflanzen oder an Steinen) anheften (beispielsweise Rotaugen). Egli schliesslich produzieren Laichbänder mit tausenden von Eiern, welche an versunkenen Ästen oder Wasserpflanzen aufgehängt werden. Der Thunersee ist ein klassischer Felchen-, Saibling- und Seeforellensee. Während die Laichablage von Felchen und Saiblingen im See erfolgt, schwimmen die Seeforellen zum Laichen in die Zuflüsse des Thunersees wie der Aare und der Kander. Dort graben die Weibchen Laichgruben in den lockeren Kies, in denen die befruchteten Eier abgelegt und danach wieder zugedeckt werden. Unabhängig von der Art der Eiablage müssen die Eier ständig mit frischem Wasser umspült werden, nur so erhalten sie den notwendigen Sauerstoff. Laichplätze sind enorm vielfältig; sie unterscheiden sich nicht nur zwischen den Arten, sondern sogar auch innerhalb der eigenen Art können Fische sehr unterschiedlich laichen. Für die Wahl der Laichplätze werden gewisse Regionen mit besonderen Strukturen ausgewählt: So unterscheidet sich zum Beispiel das Substrat, auf dem der Laich abgelegt wird, von Fischart zu Fischart. So legen einige Fische ihre Eier in flachen, strömungsreichen Bereichen der Flüsse ab, in denen sich der Laich in den Zwischenräumen des Kiesbetts entwickelt. Andere Arten wiederum schützen ihren Laich vor der Strömung und Fressfeinden durch die Ablage der Eier in dichter Uferbepflanzung oder in Bodenvertiefungen. So bevorzugt zum Beispiel der Saibling sauberen Kies, der oft vor Bachdeltas zu finden ist. Der Hecht laicht ganz nah am Ufer und flach im Schilf, andere wiederum bevorzugen die Tiefe des Sees: die Felchen 15 bis 30 Meter Tiefe, Saiblinge und Brienzlige gar bis über 100 Meter Tiefe. Weibchen legen je nach Art bei einem Laichvorgang mehrere Hundert bis mehrere Tausend Eier ab. Da aber keine Brutpflege stattfindet, sind sowohl die befruchteten Eier als auch die geschlüpften Fischlarven auf sich allein gestellt. Junge Fische müssen sich also selbst den Herausforderungen stellen: Sie sind so gezwungen, sich ihre Nahrung selbst zu besorgen, und sind zudem Fressfeinden schutzlos ausgesetzt. Aus diesem Grund sind Seen nicht randvoll mit Fischen. Da nur aus wenigen befruchteten Eiern schliesslich auch erwachsene Fische entstehen, die ebenfalls laichen. Fast jede Fischart hat eine spezifische Laichperiode. Diese ist jahreszeitlich feststehende, artspezifisch und abhängig von der Wassertemperatur sowie der Tageslänge. Während dieser Zeit ist es übrigens untersagt, die entsprechende Art zu fischen, da sonst die Nachhaltigkeit ernsthafte Schäden nimmt. Viele Laichplätze sind heute aufgrund der menschlichen Nutzung bedroht. Um Arten vor dem Aussterben zu bewahren, müssen diese Lebensräume geschützt werden, denn ein optimaler Laichplatz bietet den Jungtieren ausreichend Nahrung und Schutz vor Fressfeinden, aber auch vor dem Menschen. 


Artenschutz und -erhaltung 

Gewässer sind vielen Nutzungen ausgesetzt, die Spuren in den Ökosystemen hinterlassen und nicht selten die Vielfalt der Lebensräume und geeignete Laichplätze zerstören. Bauliche Massnahmen wie hohe Schwellen schränken insbesondere die freie Fischwanderung massiv ein, die eine zentrale Voraussetzung für die Erhaltung der Bestände darstellt. Gerade Flachwasser-Laichzonen, aufgrund der starken Nutzung der Uferzone (Verbau- ungen, Uferwege, Badegäste usw.), leiden unter dem starken Einfluss des Menschen, was immer weniger Rückzugsmöglichkeiten – insbesondere auch zum Laichen – zur Folge hat. Wehre und Staudämme können viele Wanderfische daran hindern, geeignete Laichplätze zu erreichen; schädliche Substanzen aus dem Abwasser führen zu einer erschwerten Entwicklung der jungen Fische; die Uferzonen sind stark verbaut und deren Zuflüsse stark kanalisiert, was verhindert, dass das natürliche, saubere Geschiebe in den See kommt, damit sedimentieren viele Stellen nach und nach. Zusätzlich hat auch der Klimawandel einen enormen Einfluss auf Laichplätze und wird in den nächsten Jahrzehnten einiges verlagern und verändern. So kommen neue, wärmeliebende Fische in den Thunersee, die die einheimischen Arten verdrängen und ihnen die Nahrung wegfressen.  Wenn geeignete Laichplätze verloren gehen, stehen viele Arten nicht nur vor Herausforderungen, sondern bald auch vor dem Aussterben. Um den Bestand einer Art zu erhalten, muss die Fortpflanzung der Tiere sichergestellt werden. Deswegen sorgt der Kanton Bern mit unterschiedlichen Aufwertungsmassnahmen dafür, dass die Gewässer und ihre Ufer möglichst naturnah erhalten bleiben oder revitalisiert werden. Hindernisse, die diese wesentlich beeinträchtigen, müssen dementsprechend saniert und fischgängig gestaltet werden. Mit Flachufern, Riffen und Totholz werden monotone Verbauungen ökologisch aufgewertet oder ganz ersetzt. Vieles ist aber Learning by Doing: Man versucht etwas und sieht, was danach passiert. Ein weiteres Mittel sind versenkte Tannenbäume: Weihnachtsbäume bieten mit ihren feinen Ästen optimale Bedingungen zum Ablaichen verschiedener Fischarten wie des Egli, der seinen Laich an flachen Uferstellen an Wasserpflanzen, Steinen, versunkenem Astwerk im April bis Juni in Form von Laichbändern ablegt. Sie schaffen somit wertvollen Lebensraum. Durch Kiesschüttungen wird zudem angestrebt, den kieslaichenden Fischen zusätzliche Laichplätze zur Verfügung zu stellen. Nur wo für die Fische der Lebensraum auch lebenswert ist, können alle diese Anstrengungen zur Erhaltung eines gesunden Fischbestandes Früchte tragen, und auch die Bevölkerung kann daran teilnehmen.  

Gut zu wissen

Fischereistützpunkt Faulensee: Das Fischereiinspektorat betreibt den Fischereistützpunkt Faulensee bereits seit vielen Jahren. Die Anlage wurde 1950–1951 erbaut und zum Teil von der Kraftwerke Oberhasli AG als Abgeltung für die Wasserkraftnutzung im Haslital finanziert. Nebst anderen Standorten in der Beatenbucht oder beim heutigen Seebad in Faulensee hat sich das Areal einer ehemaligen Gipsfabrik als geeigneten Bauplatz angeboten. Der Fischereistützpunkt dient als Anlaufstelle für sämtliche fischereilichen Fragen im westlichen Berner Oberland. Die verschiedenen Aufgabengebiete werden von drei kantonalen Fischereiaufsehern wahrgenommen. Dabei geht es um Aufgaben in der Fischereiwirtschaft, der Artenförderung, bei technischen Eingriffen in Gewässern sowie um Renaturierungen und Öffentlichkeitsarbeit.


Stützpunkt der Fischereiaufsicht: Im Fischereistützpunkt Faulensee befindet sich die Arbeitsstätte von drei Fischereiaufsehern. Vom Büroarbeitsplatz aus koordinieren sie technische Eingriffe und Renaturierungsprojekte und begleiten diese anschliessend direkt im Feld.  Im Stützpunkt sind Dienstfahrzeuge und Boote einquartiert, mit denen die Aufseher sich auf Besichtigungen und Kontrollen begeben. Auch Lager- und Reparaturräume für die Arbeitsgeräte und -materialien der Fischereiaufsicht im westlichen Oberland finden sich in der Anlage. Zu den weiteren zentralen Funktionen eines Stützpunktes, von denen es im Kanton Bern vier gibt (Kandersteg, Faulensee, Reutigen, Ligerz), zählt die Aufzucht einheimischer Fisch- und Krebsarten. Die Tiere aus dem Stützpunkt Faulensee dienen der Erhaltung und der Stützung von gefährdeten Populationen im Thunersee und in weiteren Gewässern im Fischereiaufsichtskreis westliches Oberland. Dazu zählen Felchen, Saiblinge, Seeforellen, für Artenförderungsmassnahmen werden zudem Äschen, Dohlen- und Edelkrebse gezüchtet, die durch eine starke Beeinträchtigung ihrer natürlichen Lebensräume bedroht sind. Alle Fische werden nach circa einem halben Jahr, die Krebse nach circa einem Jahr im Thunersee und den umliegenden Gewässern ausgesetzt. Die Bestände variieren je nach Jahreszeit und werden vom Ei bis zum Brütling, das heisst, bis sie fress- und schwimmfähig sind, begleitet. Gewisse Bestände werden danach weiter beobachtet, besonders in Ufernähe. Aber gewisse, wie Balchen und Egli, werden auch mit einem Tauchgang kontrolliert. Nicht zuletzt ist ein Fischereistützpunkt auch Ort der Informationsvermittlung: Hier werden Schulungen von freiwilligen Fischereiaufsehern durchgeführt und Vorträge abgehalten, es wird Öffentlichkeitsarbeit betrieben und eine Anlaufstelle für Amtsstellen, Gemeinden, Fischende und weitere Interessierte bei Fragen rund um die Fischerei, die Fische sowie deren Lebensraum geschaffen. Auf Anfrage sind im Frühjahr Führungen durch die Anlage möglich.

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