Die Rückkehr der Störche

Die Rückkehr der Störche

Die Rückkehr der Störche

Das Storchennest auf dem Kirchendach gehört zum Dorfbild dazu und ist fast nicht weg- zudenken. Bald ist es wieder so weit, die Vögel kehren aus ihren Winterquartieren zurück und die Nester sind wieder zu sehen. Diese Quartiere befinden sich in Afrika, immer häufiger jedoch auch in Spanien oder gar in der Schweiz.

Text: Laura Spielmann  |  Fotos: zvg 

Nur keine Menschenscheu: Weissstörche sind Kulturfolger, das heisst, sie suchen die Nähe der Menschen und folgen ihnen in ihre abwechslungsreichen und offenen Kulturlandschaften, so sieht man die Horste, wie man die Storchennester nennt, unter anderem auf Schornsteinen, Wiesen, Äckern und Strommasten. Diese sind heutzutage nicht mehr wegzudenken, dabei galt der Weissstorch in der Schweiz im letzten Jahrhundert noch als ausgestorben. Erst dank den Bemühungen von Max Bloesch, dem «Storchenvater», hat sich der Bestand erholt und ist tendenziell steigend. Bloesch, begeisterter Vogelbeobachter, wollte den Bestand retten und fasste den Entschluss, eine Storchensiedlung aufzubauen, die ab 1948 in Altreu mit Störchen aus dem Elsass, der Tschechoslowakei und Nordafrika entstand.


Wo überwintern die Tiere?

Weissstörche sind Zugvögel. Sie verlassen die Schweiz zwischen Ende Juli und Mitte bis Ende August, und nach circa 26 Tagen erreichen sie ihr Ziel – Afrika –, um dort zu überwintern. Meist kehren sie im Frühjahr, zwischen März und April, zurück, um in der Schweiz zu brüten. Für diese Reise brauchen sie circa 49 Tage. Die Jungstörche brechen dabei vor ihren Eltern auf und bleiben mehrere Jahre in Afrika, bevor sie, brutreif geworden, wieder zurückkehren. Erforderlich wurde die lange Reise nach Afrika, weil das Futter in der Schweiz im Winter eher rar war. Der Vogelzug ist genetisch verankert, genauso die Orientierungsmöglichkeiten: Ihr innerer Kompass, der sich nach dem magnetischen Feld der Erde richtet, findet immer wieder den Weg. Grundsätzlich kehren die Vögel aber immer an die Orte zurück, die sie kennen. Da Störche nur tagsüber fliegen, richten sie sich auch nach der Sonne. 

Da die Weissstörche sehr anpassungsfähig sind, haben sie sich über Jahrhunderte den jahreszeitlich wechselnden Klimabedingungen in Europa und Afrika angepasst. Die Störche flogen lange Zeit nach Afrika in die Sahelzone, mittlerweile gibt es aber vermehrt Tiere, die nur bis Spanien fliegen, einige überwintern gar hierzulande. Die Reise nach Südspanien ist nicht so strapaziös und gefährlich wie die nach Westafrika. Tödliche Gefahren unterwegs sind zum Beispiel Stromleitungen, landwirtschaftliche Monokulturen, trockengelegte Feuchtgebiete, der Einsatz von Pestiziden, Wassertürme, intensive Bejagung sowie auch der zunehmende Verlust an geeigneten Rastplätzen. Der Storchen-Vogelzug ist gut dokumentiert, die Beobachtung der Zugroute dokumentiert die Wanderrouten, das genaue Zugverhalten und dient somit auch der Gefahrenerkennung. So können länderübergreifend Schutzmassnahmen gefördert, erstellt und ausgerichtet werden. Die Störche sind während ihrer Reise darauf angewiesen, dass es geeignete Nahrungsgebiete gibt, da sie sich keine Reserven anfressen. Insbesondere auf Mülldeponien und Reisfeldern in Spanien finden die Tiere ausreichend Nahrung, denn der Weissstorch ist ganz und gar nicht wählerisch: Dort findet er essbare Überreste wie Fischköpfe, Kartoffeln, Hühnerbeine, auf den spanischen Reisfeldern hat sich der eingeschleppte amerikanische Sumpfkrebs breitgemacht – ein gefundenes Fressen. Dieses üppige Futter sichert ihr Überleben und gibt ihnen die Chance auf die besseren Nistplätze, wenn sie im Frühling in die Schweiz zurückkehren. Denn diese spielen beim Bruterfolg eine wichtige Rolle. Auch eine weitere Entwicklung konnte beobachtet werden: Viele Tiere bleiben sogar in der Schweiz. Durch die Klimaerwärmung sind auch in der Schweiz die Winter milder geworden und es gibt ausreichend Nahrung. Sie sparen sich so Kalorien und haben im Frühling die beste Brutchance. Leider kann man sie in der Nähe des Thunersees nur kurz beobachten – wenn man Glück hat. 

Doch wieso bleiben die Vögel nicht einfach in Afrika? Die Jungen in Afrika auszubrüten, ist unmöglich, die Wüste gibt zwar Insekten wie Heuschrecken als Nahrung her, aber dies ist für die Jungen zu eintönig. Ausserdem müsste ein Storchenpaar weit fliegen, um Nahrung zu beschaffen. Damit die Jungen ideal aufgezogen werden können, muss die Nahrung ca. 5 km um den Horst sein, diese Bedingung ist in Europa von März bis September gegeben, weshalb sie für die sichere Aufzucht der Jungen wieder nach Europa fliegen.

Energiesparende Flugtechnik

Der Ruderflug ist für die grossen, schweren Vögel – sie können eine Höhe von bis zu 125 cm und ein Gewicht von bis zu 4 kg erreichen – mit ihrer grossen Flügelspannweite von bis zu zwei Metern viel zu kräftezehrend. Weissstörche nutzen deswegen warme Aufwinde, um sich fortzubewegen. Solche Aufwinde entstehen, wenn sich der Boden schneller erwärmt als die Umgebung. Besagte Umgebung erwärmt dann nicht die Luft, sondern den Boden. Dieser erwärmt die darüberliegende Luft, die sich ausdehnt und steigt. Mithilfe ebendieser warmen, aufsteigenden Luft schrauben sie sich dann bis zu 1000 Meter hoch. Sie segeln also von einem zum nächsten Aufwind und müssen dabei nicht einmal mit den Flügeln schlagen, das spart Energie. Auf diese Weise werden grosse Strecken von 150 bis 300 km am Tag zurückgelegt. Innerhalb von den drei bis vier Zugmonaten wird die Reise so ca. 10000 km lang, sie sind also wahre Vielflieger. Da grosse Wasserflächen aber die Wärme eher aufnehmen als reflektieren, sich somit keine Aufwinde bilden, können sie nicht über Wasser fliegen. Stattdessen fliegen sie über Land auf zwei Routen — im Westen über Spanien und Gibraltar in die westafrikanische Sahelzone und im Osten über den Bosporus, Kleinasien und Ägypten nach Ost- und Südafrika.


Nesttreue

In letzter Zeit konnte man immer vermehrt beobachten, dass sich Weissstörche gerne in Kolonien aufhalten. Das kann dann schon mal um die 30 Horste umfassen. Als soziale Tiere beobachten sie gerne das Verhalten ihrer Artgenossen, um sich Dinge abzuschauen und Entscheidungen zu treffen. Weissstörche führen saisonale Ehen. Sie sind also nesttreu, nicht partnertreu, weswegen es aber trotzdem sein kann, dass sie über Jahre hinweg mit denselben Partnern brüten. Sollte es dazu kommen, dass zwei männliche Vögel dasselbe Nest wollen, kann es zu Nestkämpfen kommen. Denn die Störche sind auf gute Nistplätze angewiesen, kommen sie zu spät heim, haben sie keine Chance mehr, Junge auszubrüten. Ausserdem wird der Standort so gewählt, dass in ca. 5 km Umkreis rund ums Nest ausreichend Nahrung vorhanden ist bzw. gefunden werden kann. Konnten sie ein Nest besetzen und haben eine Partnerin gefunden, beginnt die «Renovierung»: Das alte Nest wird ausgebessert und ausgebaut. Manche Storchenhorste erreichen so einen Durchmesser von rund zwei Metern und eine Höhe von bis zu drei Metern. Diese Horste sind in halboffenen und offenen wasserreichen und feuchten Landschaften meist auf Schornsteinen, Dächern, Masten oder Kirchentürmen, seltener auch Bäumen gebaut. Wer einen Blick erhaschen möchte, kann in Münsingen sein Glück versuchen – dort befindet sich die nächste Storchenkolonie. Die Brutzeit, in der beide Partner abwechselnd brüten, beträgt circa einen Monat. Die Brutpflege jedoch ist sehr aufwendig. Sollte also nicht genügend Futter gefunden werden, kann es sein, dass Weissstörche das schwächste Junge opfern, damit die restlichen Jungtiere bessere Überlebenschancen haben.

Weissstörche können nicht singen und auch nicht pfeifen, stattdessen nutzen sie Schnabelklappern und Zischlaute, um sich mit ihren Artgenossen zu verständigen. Dabei werfen sie ihre Köpfe so stark zurück, dass die Schnäbel in die Luft zeigen. Das Klappern dient aber nicht nur der Begrüssung untereinander, sondern auch dem Vorspiel für die Paarung oder der Verjagung von Eindringlingen und Konkurrenten. 

Der Weissstorch ist Opportunis: der Storch jagt am Tag, ist karnivor und, was sein Futter angeht, nicht wählerisch: Mäuse, Insekten, Würmer, Amphibien, kleine Säugetiere, kleine Vögel, Fische und Reptilien stehen auf seinem Speiseplan. Er frisst, was häufig vorhanden ist. Seine Nahrung nimmt er vom Boden, aus der niedrigen Vegetation und aus dem flachen Wasser auf.  

Um die Nahrung zu beschaffen, haben sich die Vögel vielseitige Strategien angeeignet: 
– In Afrika, aber auch in Europa halten sie sich häufig in der Nähe von Huftieren auf. Diese scheuchen Insekten auf, die die Störche dann fangen. 
– Buschfeuer sind den Tieren ebenfalls eine gute Nahrungsquelle, sie erbeuten die vom Feuer flüchtenden Kleintiere. 
– Sie schreiten Wiesen, Äcker oder Bäche ab, um dann blitzartig mit dem Schnabel auf Insekten und Fische hinabzustossen und sie zu fangen. 
– Mäuse werden nach Art der Katzen erbeutet. Sie lauern ihnen also auf. 

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