Das Küchenfenster auf der Geissegg

Das Küchenfenster auf der Geissegg

Das Küchenfenster auf der Geissegg

Die Fauna der Thunersee-Region hat Freunden der Natur einiges zu bieten. Selbst im tiefsten Winter offenbart sich dem geduldigen Auge eine weite Bandbreite interessanter Tiere. Auch in Hanspeter Latours Garten im Eriz findet sich viel buntes Federvieh ein. Die ThunerseeLiebi bietet Ihnen einige Impressionen dieses Schauspiels.

Text & Fotos:  Hanspeter Latour

Ein Küchenfenster – was soll daran interessant sein? Darüber lässt sich doch keine Geschichte erzählen, werden Sie vielleicht denken. Über unseres auf der Geissegg aber schon. Nicht etwa weil es aus Spezialglas besteht oder einen besonders schönen Rahmen hat. Nein, aber man geniesst durch dieses Fenster einen freien Blick zum Brunnen, zu den Hecken, zum nahen Waldrand und – wenn noch keine Blätter an den Bäumen sind – zu Jauns steilen Matten. Eindeutig der beste Ort im ganzen Haus, um Tiere in der freien Natur zu beobachten.

Hans Jaun, dem die Matten gehören, war für mich immer ein Musterbauer. Vor Kurzem hat er den Hof seinem Sohn Heinz übergeben und wohnt jetzt mit seiner Frau im Stöckli. Zu meiner Freude führt Heinz den Bauernhof im gleichen sauberen Stil weiter, wie es sein Vater jahrzehntelang getan hat. Jedes Mal, wenn ich bei Jauns vorbeikomme, habe ich das Gefühl, ich müsste um unser Haus herum wieder einmal tüchtig aufräumen. Hans hat auch die Skischule im Innereriz aufgebaut. Kein Wunder, hat diese doch einen ausgezeichneten Ruf. Doch auch in diesem Bereich konnte Hans in vorbildlicher Weise loslassen – jetzt sind seine Tochter und sein Schwiegersohn mit einem starken Team für die Skischule zuständig. Übrigens war dort einst auch die bekannte Jodlerin Melanie Oesch als Skilehrerin tätig.

Man geniesst durch dieses Fenster einen freien Blick zum Brunnen, zu den Hecken, zum nahen Waldrand und zu Jauns steilen Matten.


Apropos Skifahren im Innereriz: Früher fanden hier noch Frauen-FIS-Rennen – vom internationalen Skiverband veranstaltete Ski-Wettbewerbe, die keiner Rennserie angehören – statt. Als ich einst in Pontresina einen Vortrag hielt, sagte mir die Verkehrsdirektorin von St. Moritz, die ehemalige Weltcup-Fahrerin Ariane Ehrat, sie sei im Innereriz einmal Dritte geworden. Den Preis, eine schöne Holz-Stabelle, bewahre sie noch heute bei sich zuhause auf. Ich will jetzt nichts von den «guten alten Zeiten» gesagt haben. Aber heute ist das einfach unvorstellbar.

Jetzt bin ich abgeschweift. Typisch Latour. Die Journalisten stellen eine Frage, und der redet so lange, dass alle weiteren Fragen gleich mit beantwortet sind. Nicht immer zum Vorteil der Fragenden. Als ich beim Radio Fussballspiele mitkommentierte, machten mich die Radioprofis jeweils darauf aufmerksam, dass ich rechtzeitig auf den Punkt kommen solle, wir hätten nur Zeit für einen zweiminütigen Beitrag…



Also zurück zu Jauns: Wir sind Waldnachbarn. Das klingt jetzt von meiner Seite her etwas geschwollen. Schliesslich besitzen Jauns mehrere Hektaren Wald, ich gerade einmal hundertvierundvierzig Quadratmeter. Auf Jauns Matten, die wie erwähnt von unserem Küchenfenster aus sichtbar sind, grasen oft Gämsen. Sogar Thilde hat manchmal zum Kochen den Feldstecher neben den Pfannen. Es gibt aber auch Momente, in denen es für sie hart ist, durch das Fenster zu schauen. Dann nämlich, wenn die Mönchsgrasmücken im Holunderstrauch sitzen und sämtliche Beeren fressen, bevor diese zu feiner Konfitüre verarbeitet in die bereitstehenden Gläser abgefüllt werden können. Mich wiederum interessieren natürlich speziell die Vögel, die ich aus nächster Nähe im Gehölz und am Brunnen beobachten kann. Am liebsten bei offenem Fenster. Im Winter reklamiert Thilde jeweils und findet, es werde viel zu kalt in der Küche. Aber es ist halt schwierig, vor dem Fotografieren noch rasch das Fenster zu öffnen – die Vögel fliegen dann garantiert auf und davon. Manchmal bleibt mir deshalb nichts anderes übrig, als durch die nicht immer ganz saubere Glasscheibe zu fotografieren.

Die Bilder, die Sie zu dieser Geschichte sehen, gelangen mir durch eben dieses ominöse Küchenfenster. Beim Gimpel stand es offen, beim Eichelhäher musste ich die Fotos durch das Fensterglas schiessen. Übrigens steht in unserer Küche eine Geschirrspülmaschine. Aber Sie verstehen sicher, warum ich auf der Geissegg so gerne in der Küche bin – und den gesamten Abwasch am liebsten von Hand tätige…

… finden Sie im Buch «Hanspeter Latour – Das isch doch e Schwalbe!» ISBN 978-3-906033-98-3,  CHF 39.00

Erhältlich im www.weberverlag.ch oder im Buchhandel

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