Der Igel – ein Winterschläfer
Der Igel – ein Winterschläfer
Viele Menschen wünschen sich in unserer stressigen Zeit, sie könnten sich einigeln und im Winterschlaf versinken. Was für uns so schön tönt, ist in Wirklichkeit anstrengend und kräftezehrend!
Text: Rosmarie Blaser | Fotos: Rosmarie Blaser, zvg
Ausgewachsene Igel haben bis zu 8000 Stacheln und können bis zu 1600 Gramm wiegen. Sie überwinden Hindernisse, indem sie klettern, oder graben sich mit den starken Krallen einen Schlupf untendurch. Sie können auch schwimmen, aber tun es ungern und nur wenn sie unbedingt müssen. Der Igel hat noch eine Eigenart: das Bespeicheln. Mit Schwung schleudert er mit seiner langen Zunge schaumigen Speichel auf die Stacheln. Es ist noch nicht abschliessend erforscht, warum er das macht, aber man geht davon aus, dass er so Gerüche und Geschmäcke speichert. Die Nahrung der Igel besteht hauptsächlich aus Insekten, Krabbeltieren und anderer tierischer Kost, die sie auf ihren nächtlichen Streifzügen finden oder überwältigen können. Ein Gelege mit jungen Mäusen zum Beispiel, auf das sie zufällig stossen, ist ein besonderer Leckerbissen! Auch das Nest eines am Boden brütenden Vogels wird geplündert (Eier und Nestlinge), wenn der Igel daran vorbeikommt. Gelegentlich verspeisen sie auch Beeren oder Fallobst, aber nur in der Hoffnung, dass sie noch ein «Würmli» in der Frucht finden. Igel haben 36 kleine spitze Zähne. Sie haben eine Lebenserwartung von bis zu neun Jahren. Leider erreicht selten ein Igel das vierte Lebensjahr.
Das Igeljahr
Im Frühling, wenn es wärmer wird, erwachen Igel aus dem Winterschlaf. Sie haben ungefähr einen Drittel ihres Körpergewichtes während des Winters verloren. Sie haben Hunger und Durst und machen sich schwach und erschöpft vom kräftezehrenden Aufwachprozess auf Nahrungssuche. Etwas gestärkt beginnt anschliessend die Brautschau. Die Männchen umwerben die Weibchen manchmal stundenlang, indem sie die Auserwählte umkreisen. Das nennt man Igelkarussell. Nach der Paarung gehen die Igel sofort wieder getrennte Wege. Circa 32 bis 35 Tage nach der Begegnung bringt die Igelfrau durchschnittlich 5 Junge zur Welt.
Die Babys sind je nach Wurfgrösse 14 bis 25 Gramm schwer. Sie sind rosarot, nackt, blind und taub und haben ungefähr 100 weisse Stacheli, die kurz nach der Geburt schon hart und spitzig werden. Die Igelmutter säugt die Jungen am Anfang alle zwei Stunden. Sie verlässt das Nest in der Zwischenzeit, um auf Nahrungssuche zu gehen oder sich in einem anderen Nest etwas zu erholen.
Zwischen dem 14. und 18. Lebenstag öffnen sich die Augen der Kleinen. Sie haben schon ungefähr 1500 Stacheln, die sich langsam braun färben. Am Bauch wachsen die ersten Haare. Ab der dritten Lebenswoche unternehmen die kleinen Igeli schon kurze Ausflüge mit der Mutter. Sie trinken immer noch Milch. Sechs Wochen nach der Geburt – die Igelkinder sind circa 250 Gramm schwer und haben gegen 3000 Stacheln – verlässt Mutter Igel ihren Nachwuchs und geht wieder eigene Wege. Vielleicht bringt sie im Spätsommer noch einmal einen Wurf Junge zur Welt. Die Igelteenager sind nun auf sich alleine gestellt. Manchmal bleiben die Geschwister noch einige Zeit zusammen und erkunden gemeinsam die grosse weite Welt.
Den ganzen Sommer über sind die Igel auf Nahrungssuche, damit sie im Herbst wieder genug Fettpolster für den Winterschlaf angefuttert haben. Sie bauen sich bis zu 20 verschiedene Schlaforte in ihrem Revier (0,3 bis 1,2 km²). Grundsätzlich finden Igel in der Natur genügend Nahrung und sind nur in Ausnahmesituationen (zu heiss und zu trocken, kalt, nass) auf Hilfe vom Menschen angewiesen. Ein «Wassergschirrli» im Garten ist aber sicher immer zu empfehlen.
Viele Gefahren lauern auf sie! Die grössten natürlichen Feinde sind der Dachs und der Uhu. Füchse sind weniger gefährlich. Sie erlegen manchmal Jungtiere oder einen geschwächten erwachsenen Igel. Auch Hunde können einen Igel töten. Die meisten Hunde lassen nach einer ersten Begegnung mit einem Igel aber die Finger (Schnauze) davon, weil seine Stacheln eine blutende Nase und Schmerzen hinterlassen.
Weitaus die grösste Gefahr für die Stachelfreunde sind wir Menschen! Autos und Motorräder, Rasenmäher und Schnursensen, Gifte und Pflanzenschutzmittel, Abfälle wie Glasscherben und leere Dosen, Garten- und Brauchtumsfeuer, Gartenteiche und Schwimmbäder ohne Ausstiegshilfen, ungesicherte Keller- und Lüftungsschächte, zu tief angebrachte Rebnetze etc. können alles tödliche Fallen für den Igel sein!
Igel machen sich schwach und erschöpft vom kräftezehrenden Aufwachprozess auf Nahrungssuche.
Der Winterschlaf
Der Igel macht nicht Winterschlaf, weil er so «schampar müed» ist. Nein, der Igel schläft, weil seine natürliche Futterquelle fehlt und er sonst verhungern würde.
Wenn die Tage kürzer werden und es kälter wird, macht sich der Igel parat zum Winterschlaf. Er hat an einem gut gegen Wind und Wetter geschützten Platz ein kuscheliges warmes Nest aus Blättern und getrocknetem Gras gebaut, in das er sich vor Wintereinbruch einigelt und dem Frühling entgegen schläft. Sein Organismus wird auf Sparflamme heruntergefahren. Die Körpertemperatur sinkt von normal 35 Grad auf unter 10 Grad. Den Herzschlag verlangsamt er von 180 auf 20 Schläge pro Minute und er atmet nur noch 1 bis 10 Mal pro Minute und nicht 30 bis 50 Mal. Sollte es einmal längere Zeit aussergewöhnlich und sehr kalt werden, läutet beim Igel eine Alarmglocke, sobald die Körpertemperatur gegen 2 Grad absinkt. Er erwacht, damit er nicht erfriert.
Gelegentlich verspeisen sie auch Beeren oder Fallobst, aber nur in der Hoffnung, dass sie noch ein «Würmli» in der Frucht finden.
Hier darf die junge Kander noch mäandrieren, wie es ihr beliebt, und schlägt darum gelegentlich überraschende Läufe ein. Im Gasteretal kann man einen Fluss erleben, wie er früher war – bevor die grossen Gewässerkorrekturprojekte des 19. und 20. Jahrhunderts die Schweizer Flüsse und Ströme kanalisierten, zähmten und zivilisierten. Als Kind versuchte Adolf Ogi zusammen mit seinem Vater, die Ufer der Kander im Gasteretal aufzuforsten und so den Flusslauf zu stabilisieren. Wenn aber die Kander im Gasteretal stark anschwillt, ist sie kräftig genug, um auch grosse Bäume mitzureissen. Selbst die Hängebrücke bei Selden ist nicht sicher vor dieser Urgewalt und wurde schon mehrmals beschädigt. Eine Wanderung durch das Bachbett der Kander im Gasteretal ist immer auch eine Art Zeitreise, denn «dank der kanalisierten Flussläufe durch stabile, schnurgerade Flussbette sind wir uns heute gar nicht mehr an die zerstörerische Gewalt des Wassers gewöhnt. Ich erinnere mich gut, wie das früher war und welchen Segen die Bach- und Flusskorrekturen für Mensch und Tier darstellten», meint Ogi.
Die Geschichte des Gasteretals ist aber auch eine Geschichte der Menschen, die seit vielen Jahrhunderten in und mit diesem Tal leben. Noch vor nicht allzu langer Zeit war das wilde Tal sogar ganzjährig bewohnt – so lebte etwa Adolf Ogis Grossmutter Margrit Ogi-Künzi in ihrer Jugend ganzjährig in Selden. Dies ist heutzutage nicht mehr möglich; zu gefährlich sind die Winter im von hohen, steilen Felswänden umringten Trogtal. Aus diesem Grund wird im Oktober auch die einzige Zufahrtsstrasse geschlossen. Im Sommer aber kehrt wieder Leben ein, denn im Gasteretal existieren noch Spuren der uralten halbnomadischen Lebensweise, die den Völkern des Alpenraums einst eigen war. So gibt es hier noch die altehrwürdige Institution des Dorfältesten, in dessen Obhut sich die berühmte, über 300 Jahre alte Gasterebibel und die etwas jüngere Gasterechronik befindet. Der jetzige Dorfälteste Christian Künzi führt nebenher auch das Gasthaus Steinbock, in dem man am knisternden Kaminfeuer den Geist dieses Tales auf sich wirken lassen kann.
Kann man einen Besuch in diesem Naturschutzgebiet aber überhaupt verantworten? Darf man hingehen und etwa mit den eigenen Füssen durch das Bachbett der jungen Kander spazieren? Selbstverständlich, sagt Adolf Ogi, dem das Schlusswort überlassen sei: «Im Grunde unseres Herzens sind wir doch alle noch ein wenig Kantianer und durchaus fähig und willens, Verantwortung für etwas zu übernehmen. Indem ich meine Lieblingsplätze bekannt mache, werden sie in ihrer ganzen Bedeutung als wertvolle Orte in einer intakten Landschaft wahrgenommen und etwas Wertvolles zu schützen, sind die Menschen gerne bereit. Ich bin schon zu lange Politiker, als dass ich den Kräften der Demokratie nicht vertraute. Auch das Tragen von Verantwortung haben wir in den letzten fast hundert Jahren demokratisiert. Wir sind als Gesellschaft durchaus in der Lage, auch mit sensiblen Landschaften umzugehen und zu diesen ganz speziell Sorge zu tragen, das liegt mir sehr am Herzen.»
Fragen rund um den Igel
Wann geht der Igel in den Winterschlaf bzw. wann erwacht er wieder?
Das ist sehr wetterabhängig. Bei sonnigem schönem Herbstwetter bis in den November ist der Igel noch anzutreffen und weiterhin emisg auf Futtersuche. Ab März, wenn warmes und trockenes Wetter herrscht, erwacht der Igel.
Wie schwer muss ein Igel vor dem Winterschlaf sein?
Mitte Oktober sollte der Igel mindestens 500 Gramm schwer sein. Beobachtet man einen leichteren Igel, der oft auch tagsüber nach Nahrung sucht, unbedingt Rat bei einer Igelstation einholen. Bitte vorher nach Möglichkeit wiegen.
Wie berühre respektive transportiere ich einen Igel?
Igel sind Wildtiere und sollten im Normalfall nicht berührt werden. Muss es trotzdem mal sein, den Igel vorsichtig mit Handschuhen oder einem Tuch anfassen. Zum Transportieren eignet sich eine Kartonschachtel, die mit Zeitungs- oder Haushaltspapier ausgelegt ist und zur Polsterung noch «chli verwuscheti Papierfötzeli» enthält.
Trinken Igel Milch?
Ja, Igel trinken Milch. Aber es soll darauf verzichtet werden, den Igeln Milch anzubieten. Ihr Verdauungssystem ist nicht eingerichtet, Milch zu verdauen, was zu Bauchschmerzen, Magen-Darmentzündungen, Durchfall und nicht selten zum Tod der Igel führt. Deshalb: Nie Milch anbieten!
Soll man Igel füttern?
Grundsätzlich nicht. Es gibt aber Ausnahmen. Wenn im Herbst ein gesunder, lebhafter Igel tagsüber auf Nahrungssuche ist und sein Gewicht von mindestens 500 Gramm noch nicht erreicht hat, kann man ihm etwas Katzenfutter anbieten. Wasser dazustellen nicht vergessen!
Wie kann ich dem Igel
ein Winterquartier einrichten?
Ast-und Steinhaufen im Garten erleichtern es dem Igel, einen geeigneten Platz für sein Winternest zu finden. Überhaupt sollten Gartenbesitzer etwas unordentlich sein beim «Garte ywintere». Ein unaufgeräumter Garten ist die beste Adresse für ein Igel-Winterquartier. Ein flacher Blumentopf (Schale) eignet sich perfekt als Igelnest. Die Schale umgekehrt auf den Boden legen, einen Stein oder ein Stück Holz unterlegen, trockenes Laub, Heu oder Stroh in der Nähe verstreuen – fertig.
Der Igel entscheidet nun selber, ob er das menschliche Angebot annehmen will oder nicht.
Igelpflegestation
In einer Igelpflegestation werden kranke, verunfallte, verletzte, verwaiste und untergewichtige Igel aufgenommen, gepflegt und betreut.
Igel sind geschützte Wildtiere! Für die Haltung und Pflege braucht es eine Bewilligung vom Kanton. Wer Igel füttert, beherbergt und/oder behandelt – dann immer mit der Absicht, die Tiere wieder in der Natur auszuwildern.
Tierschutz Region Thun
Geschäftsstelle,
3657 Schwanden
info@tierschutz-region-thun.ch
Kontakttelefon Igelstation: 079 378 80 18