Die High Definition von Magie
Die High Definition von Magie
Musik im Dunkeln hören? Eher nicht, denn das Design der Multimedia-Elektronik ist zu ästhetisch, um sie nicht dabei sehen zu wollen. Die Zauberformeln für solch technisch geschaffene Magie kennt das Familien- unternehmen von Walter Tännler seit 30 Jahren: vom Videorekorder zur Vision von «Smart Home».
Text: Daniela Dambach | Fotos: Andrea Abegglen, Bang & Olufsen, zvg
Es gab eine Zeit, da begriffen Maschinen nur zwei Wörter: «ein» und «aus». Heute verstehen sie weitaus mehr, sogar wortlos: Sie reagieren auf Fingertippen, die vage Wahrnehmung einer Geste, führen anmutige mechanische Kunststücke auf, kommunizieren untereinander, denken mit, berühren und wollen berührt sein. Im lichtdurchfluteten Laden von Media-Line sieht man sich umgeben von dieser Technologie. Man wähnt sich in einem Museum der «Modern Art», doch die TV-Geräte und Lautsprecher sind mehr als nüchterne Kunstwerke: sie tönen, sie hallen, sie schallen, sie bebildern – und unterhalten. Wenn hier Kundinnen und Kunden auf und ab gehen, ist das kein Akt des angespannten Wartens. Sie tun es, um zu versuchen, ihren gespitzten Ohren zu trauen, denn altbekannte Melodien in innovativen Modi wie «Narrow», «Wide» oder «Omni» durch Highend-Lautsprecher oder -Kopfhörer wahrzunehmen, kommt einem neuem Hören gleich – einer Art «Überwältigungseffekt»: Der «BeoLab 90» beispielsweise ist einer der intelligentesten Lautsprecher, welche die Soundingenieure jemals für den Heimgebrauch entwickelten, denn dieser bietet ein Musikerlebnis, das sich dem Raum und der Hörposition anpasst. Die Klangbühne ist da, wo man sie gerade haben will: Raumfüllend oder nur in der einen Lieblingsecke, wo die Couch steht – die neue Technologie kompensiert gar die Einflüsse des Zimmers oder der Möbel, um die Klänge fein darauf abzustimmen. Bewegt man sich frei durch die Wohnung – vielleicht schon im Partydress, aber mit dem Putzlappen in der Hand, weil gleich die Gäste klingeln –, begleitet und trägt einen die Musik einfach, sodass man sich unter der Dunstabzugshaube nicht mehr fragen muss: Ist das jetzt Beethoven? Oder doch Beatles? In einem ausgeklügelten Messprozedere legt man ausserdem die favorisierten Hörpositionen fest, sogenannte «Sweet Spots» – süsser die Glocken nie klingen.
Die Geschichte von Media-Line ist auch die Geschichte der Unterhaltungselektronik – eine Geschichte voller Quantensprünge: von Tonbänder verschlingenden Apparaturen, meterweit verkabelten Monsterstereoanlagen, Langwellenradios für Kurzweil und zittrigen Röhrenmonitoren, deren Wuchtigkeit an Meteoriten erinnerte – hin zu slimfitten, drahtlosen Multiroom-Systemen mit zunehmend konvergierenden Technologien.
Die Multimedia-Massschneider: Das Media-Line-Team, angeführt von Rolf und Walter Tännler, bringt das Kino- und Konzert-erlebnis nach Hause, von der Beratung bis zur Installation.
Schlüsselerlebnis im Sommer 1972
Als Walter Tännler seinen ersten Fernsehmomenten frönte, guckte er noch «in die Röhre». «Als Kind habe ich die bewegten Bilder regelrecht eingeatmet», erinnert sich der Geschäftsinhaber, der in Innertkirchen aufwuchs. Einmal pro Woche besuchte er seine Tante, um bei ihr den Dienstagskrimi zu schauen. Der Weg führte durch ein finsteres Gässchen, wo ihm seine älteren Schwestern Heidi und Ruth auflauerten, um ihn zu erschrecken. Manch eine Kindheitserinnerung mag sich um den eckigen Kasten drehen, der längst nicht selbstverständlich in jeder Stube stand und der zu klein war für all die grossen Augen, die sich davor drängten – für Walter Tännler aber war eine Begebenheit wegweisend.
Während der Olympischen Spiele 1972 – rund vier Jahre nachdem in der Schweiz die allererste reguläre Sendung in Farbe über die Mattscheiben ging – stellte ein Geschäft aus Meiringen seiner Familie einen TV probeweise zur Verfügung. Unter den staunenden Augen von Walter Tännler, der das Treiben still beobachtete, sprang der Techniker um das ganze Haus herum, verschwand im Keller, tauchte wieder auf, verlegte Kabel und montierte eine Antenne, die Besteck aus dem Land der Giganten ähnelte. «Es hat mich schlicht und ergreifend fasziniert, dass er fähig war, einen Apparat in Betrieb zu setzen, mit dem man fernschauen konnte», erinnert er sich an sein Schlüsselerlebnis. Der damals 14-Jährige wusste: «Das will ich auch können.» Nach einem Zwischenjahr an der Handelsschule in Thun trat er seine Lehrstelle zum Radio- und TV-Elektriker an. Seine Kenntnisse über Installationen und Reparaturen kann er nach wie vor einsetzen, wobei sich die Technologie grundlegend verändert hat. «Früher mass man jedes Einzelteil aus, um den Defekt festzustellen und die beschädigte Komponente auszuwechseln. Heute ersetzt man die gesamte Platine», veranschaulicht er, «sofern das Konstrukt dies überhaupt noch zulässt, bedingt durch die Komplexität der Technologie.» Eine Ausnahme ist der dänische Audiopionier «Bang & Olufsen», der nach wie vor mit einzelnen Elementen arbeitet, die ersetz- und erweiterbar sind – eine nachhaltigere Philosophie, die es überdies erlaubt, sich langsam mit der Technik vertraut zu machen und das System schrittweise auszubauen. So auch bei der jüngsten Multiroom-Lautsprecher-Kreation «Beosound Level» – dem ersten Produkt in der Unterhaltungselektronik, das mit der «Cradle to Cradle»-Zertifizierung ausgezeichnet ist: Der Schacht hinter der Schallabdeckung lässt sich öffnen, um beispielsweise die Elektronikplatine für Upgrades auszutauschen. Der zierlich gebaute Speaker, den man wie eine schmucke Clutch unter den Arm klemmen kann, klingt grösser, als er ist, und vermag den Raum mit Rhythmus zu füllen – in allen erdenklichen Positionen: liegend wie ein tönendes Tablett, stehend wie ein basslastiges Buch oder an der Wand als beatendes Bild, dekoriert mit Rippen aus gemasertem Eichenholz.
Visionär in der Videothek
Weit vor solchen revolutionären Erfindungen absolvierte Walter Tännler den Abschluss zum technischen Leiter und beteiligte sich an einer Firma, für die er hauptsächlich Haushalte in der Region flächendeckend mit dem damals boomenden Kabelfernsehen ausstattete. Weil die Signale gut standen, wagte er mit 29 Jahren den Sprung in die Selbstständigkeit: 1990 startete er sein Business, gemeinsam mit seiner Frau Beatrice, in einem Nebenraum einer Videothek in Interlaken. Der Videothekar spielte im Laden die Blockbuster auf den neusten TVs ab, sodass die Leute vor lauter entzücktem Baffsein über die nie gesehene und gehörte Qualität nicht nur den Film ausliehen, sondern gleich noch das Gerät dazu begehrten.
Dass sein Sohn Rolf früh mit Unterhaltungselektronik in Berührung kam, liegt nahe. «Mit dem grossen, drehbaren TV, den wir zu Hause hatten – damals ein Novum – konnte man angeben im Freundeskreis, wenn man denn wollte», schmunzelt er. Aber nicht nur in den eigenen vier Wänden hatte er mit Systemen und Screens, deren Diagonalen man sonst von Parkfeldern kennt, zu tun. Während der Schulferien half er im elterlichen Geschäft aus und ging mit auf Tour, wenn für Installationen starke Schultern und flinke Hände vonnöten waren. Doch seine Karriere im Fami- lienbusiness war deshalb nicht etwa vorprogrammiert: Er erlernte den Beruf des Zimmermanns. Erst später reifte der Wunsch heran, die Multimedialuft tiefer zu inhalieren. «Ich mag meinen erlernten Beruf nach wie vor und könnte mir durchaus vorstellen, dereinst mit Hammer und Nagel auf dem Dach zu stehen», erzählt er. Aber als er einen Fuss durch die Schiebetür von Media-Line gesetzt hatte, zog es ihn ganz hinein bis auf die Führungsetage. Vom baulichen Beruf her brachte er eine Begabung für Montagen mit, gekrönt vom Wissen, das ihm sein Vater vermittelte, sowie der Ausbildung zum ICT- und Netzwerktechniker. Damit entbrannte auch seine Begeisterung für Aufgaben wie den Service, die Beratung und die ikonischen Geräte selbst. «Ja, man muss von Leidenschaft sprechen: Wir haben B&O im Blut», drückt es Rolf Tännler aus. Dem pflichtet Walter Tännler bei und wirft ein: «Herzblut!»
«Wir gehen nicht vom Gerät aus, sondern von Gewohnheiten, wie man Musik hört oder fernsieht.»
Walter Tännler, Inhaber «Media-Line»
Hightech trifft Handwerkskunst
Bereits 1989 bewarb sich Walter Tännler erfolgreich als Bang-&-Olufsen-Vertreter. Dies nicht zuletzt, weil sich der Hersteller seit jeher mit ebenso viel Hingabe dem Design widmet wie der Highend-Technologie. Die Ingenieure Peter Bang und Svend Olufsen trafen sich Anfang der 1920er-Jahre an der Elektrotechnischen Schule in Aarhus. Bereits ihre erste gemeinsame Erfindung war bahnbrechend: Der «Eliminator», eine Komponente, um Radios netz- statt batteriebetrieben zu machen. Was am 17. November 1925 mit der Firmengründung in Jütland im Westen Dänemarks begann, sollte die Unterhaltungselektronikindustrie ebenso prägen wie verändern – und tut es bis heute, denn das Erbgut der Marke, bestehend aus Design, Handwerk und Technologie, tragen Tausende Mitarbeitende weltweit seit 95 Jahren weiter. Als «magisch» beschreibt es Walter Tännler, wenn sich etwa beim «Beovision Harmony» das edelhölzerne Konstrukt schmetterlingshaft in Bewegung setzt, der Screen auf Augenhöhe hinan schwebt und sich die Flügel der Stereolausprecher anmutig auffächern. Übersinnliche Kräfte vermutet auch, wer es nicht besser weiss, wenn die akustische Linse des «Beolab 50»-Lautsprechers majestätisch aufsteigt und sich zusammenzieht, um einen direkten Schallstrahl zu senden. Via Smartphone-App steuert man die Schallbündelbreite, wodurch der Klang einen vom Sessel aus in einen Konzertsaal versetzt, wo Violinen aufspielen, oder auf den Meeresgrund, wo Wale ihre Rufe entsenden. Klangingenieure und -designer erforschen die technologischen Grenzen, um die Töne ehrlich und originalgetreu wiederzugeben. Um die Hörerlebnisse wie im wirklichen Leben nachzubilden, testet Bang & Olufsen die Prototypen in seiner hochmodernen Forschungseinrichtung «The Cube», die vollständig von der Aussenwelt isoliert ist. Die würfelförmige Testkammer von 12 × 12 × 13 Metern, ein akustisches Ausnahmeambiente, das auch schon Walter Tännler auf sich wirken liess, ermöglicht Messungen unter simulierter Umgebung, wie sie in einem gewöhnlichen Zuhause besteht, um die bezauberndste Wiedergabe von Klangbalancen und Raumeindruck auszuloten. Magie, von der sich auch Rolf Tännler stets aufs Neue faszinieren lässt, obwohl ihm sein Sachverstand erlaubt, hinter den Zauber zu blicken. «Jeder Techniker im Raum dachte, er wisse alles über die Produkte, doch vermochten uns die mitreissenden Referenten abermals in Staunen zu versetzen», berichtet er lebhaft von Produktschulungen bei Bang & Olufsen in Bassersdorf. Selbst dreht er vor allem während des Autofahrens die Musik auf, wenn er unterwegs ist zu Kunden, zum Beispiel zu Alex Brooker nach Gerzensee. Der Coach für Profiathleten, der beim Vorbeifahren am Berner Flagship-Store auf Media-Line aufmerksam wurde, war auf der Suche nach einem Kunstwerk für die Wand und einem Soundsystem – mit «Beosound Shape» fand er beides in einem.
Guter Sound, der sehenswert ist: Wortwörtlich kreative Klangbilder schafft «Beosound Shape», dessen Töne auch das Wohnzimmer von Alex Brooker durchfluten.
Sound, Vision und Multimedia: Den ersten Laden eröffnete Media-Line im November 1990 in Interlaken, später kamen Standorte in Thun und Bern hinzu.
Mittendrin im Movie: Die Lautsprecher «Beolab 50» und «Beolab 90» arbeiten als vollständig integriertes Highend-System mit dem «Beovision Harmony»-TV zusammen, sodass man die Filmszenen nicht nur sieht und hört, sondern spürt.
Sound in spektakulärer Optik
Die wabenförmigen Lautsprecherelemente mit unterschiedlichen Texturen sind in beliebiger Form anzuordnen, in Nuancen von Pariser Nacht- blau bis brasilianischem Lehmgrau. Mit der klingenden Kunstinstallation hört Alex Brooker Musik vom Morgengrauen bis zum Schlafengehen – «wenn wir überhaupt daran denken, sie auszuschalten», lacht er. Die Klangqualität habe seine Wertschätzung für Musik verändert, und er lobt, wie einfach das System zu bedienen sei: Die «Smart Home»-Funktion verbindet alle Komponenten miteinander und ist via Smartphone zentral zu steuern. «Der Wahl der Ausstattung geht eine Auseinandersetzung mit den eigenen Bedürfnissen voraus: Wann schaue ich fern? Wie höre ich Musik?», erläutert Rolf Tännler, der sich auf «Smart Home» spezialisiert hat. Bei Luxushotels wie dem Chalet Zermatt Peak geht die komplexe Konfiguration weit über das Installieren von «Beovision Harmony»-4K-UHD-Fernsehern in den Galerie-Suiten mit Aussicht auf das Matterhorn hinaus: Media-Line massschneidert ganze Beschallungs- und Steuerungskonzepte für Gästezimmer, Wellnessbereiche oder Seminarräume, sodass Licht, Bild und Ton unsichtbar vernetzt sind – eben wie durch Zauberhand. «Denkbar ist jede technische Spielerei», führt der Multimediaexperte aus, «doch zielt unsere Beratung darauf ab, jene Lösung zu entwerfen, die tatsächlich dienlich ist. Doch: Die Home-Automation wird verstärkt einfliessen.» Es wird eine Zeit kommen, da werden Maschinen nicht nur Befehle verstehen, sondern Bedürfnisse – und das automatisch. Sobald man die Lider aufschlägt, ziehen sich die Samtvorhänge bedächtig auf, das Licht dimmt sich auf, das Lebensgeister weckende Lieblingslied erklingt, und die App kommuniziert der Kaffeemaschine unmittelbar: «Brühe doch schon mal einen extrastarken Espresso!», worauf diese melodisch zu mahlen beginnt. Fehlte nur noch, dass ein Zerstäuber just in diesem Augenblick einen sinnlich-warmen Zedernholzduft in Richtung der ausgeruhten Nase entsendete…! «Das ist unser nächster Coup: clevere Raumbeduftung», verrät Walter Tännler verschmitzt. Fortgeschrittene Technologie wird von Magie in Zukunft also noch weniger zu unterscheiden sein.
Weitere Infos
Media-Line, Thun, Bern und Interlaken. media-line.ch