Martin Bill: Leichtigkeit und Harmonie

Martin Bill: Leichtigkeit und Harmonie

Martin Bill: Leichtigkeit und Harmonie

Als Bildhauer und Mensch sucht Martin Bill die Harmonie und bringt sich und seine Skulpturen in Fluss. Als eindeutiges Merkmal hat sich die Wellenform in seinen Werken durchgesetzt. Das feste Material Holz wird in Schwingung und Bewegung gebracht und wirkt so mit seinen harmonischen Formen und Linien.

Text & Fotos: Christine Hunkeler

Martin Bill ist am Jägerweg in Thun aufgewachsen. Mit 20 Jahren ist er nach Bern gezogen. Seit 44 Jahren ist er nun wieder im Gwatt. Martin Bill ist verheiratet und Vater eines erwachsenen Sohnes.

Zeitlebens war er beruflich mehr oder weniger selbstständig. Gelernt hat er technischer Modellbauer bei der Von Roll in Bern. Später hat er sich zum Architekturmodellbauer umschulen lassen und war während rund 33 Jahren Modellbauer als Hauptberuf. Daneben hat er sich schon lange als Bildhauer betätigt und seit sieben Jahren ist er «nur noch» Bildhauer.

Die Skulpturen von Martin Bill wirken leicht und harmonisch. Als Bildhauer und Mensch sucht er die Harmonie und bringt sich und seine Skulpturen in Fluss. Sie sollen fliessen. Es gibt genügend Disharmonie, und er bezeichnet sich selbst als harmoniebedürftig. So wird die stete Herausforderung verfolgt, seine Umgebung und sich selber als harmonische Einheit wahrzunehmen und aktiv zu formen. Er versucht, störende Elemente weitgehend auszuklammern. Ein Bestreben ist es, Verbindungen zwischen den Skulpturen, den Betrachtenden und sich selber zu knüpfen, um damit, wenn immer möglich, seinem Ziel Schritt um Schritt näher zu kommen.

Stelen und Wandskulpturen aus Holz sind seine hauptsächlichen Darstellungsformen. Wellenförmig winden sich die Stelen feingliedrig in die Höhe. In der Regel werden diese für Innenräume angefertigt und können von sämtlichen Seiten betrachtet werden. Die Wandskulpturen werden meist in eine viereckige Form gebracht und wirken an der Wand mit den herausgearbeiteten Strukturen reliefartig. Sie sind von feinen Wellen überzogen, die sich an einer Stelle bilden, sich steigern und wieder abflachen. So wird das feste Material Holz in Schwingung und Bewegung gebracht.

Martin Bill hat über die Zeit des künstlerischen Schaffens seinen eigenen charakteristischen Stil entwickelt. Die Wellenform hat sich als eindeutiges Merkmal durchgesetzt. In seinen Skulpturen lässt sich oftmals eine sich fortbewegende Welle erkennen, die durch einen Widerstand aufgehalten wird. Dieses Hindernis wird jedoch überwunden und so kann die Welle ihren ursprünglichen Lauf wieder aufnehmen. Für Martin Bill steht dies als Gleichnis zum Lebensfluss, der die uns vermeintlichen im Weg stehenden kleineren und grösseren Steine konfrontiert, die umschifft werden müssen. Diese Brüche schaffen die Möglichkeit, den eingeschlagenen Weg zu überdenken und es allenfalls mit einem neuen Weg zu versuchen. Aus eigener Erfahrung weiss Martin Bill, dass die Überwindung dieser Widerstände befreiend wirken und so das gestockte Leben wieder in neue Bahnen gelenkt wird.

Heute arbeitet er ausschliesslich mit Holz. Zu Beginn seiner künstlerischen Laufbahn hat er kurz mit anderen Materialien wie Glas oder Stein gearbeitet, dies jedoch wieder aufgegeben. Am liebsten mag er das Holz von Obstbäumen wie Kirsche, Apfel, Birne, Ahorn, Nuss oder Eiche. Bevorzugt wird hartes Holz. So hat er auch schon mit Olivenholz gearbeitet, welches über eine sehr schöne Struktur und Oberfläche verfügt und sogar fein schmeckt. Jedes Holz reagiert anders und hat seine eigene Struktur. Nicht mehr gewünschtes Material wird mit Kettensäge, Meissel und Raspel entfernt und so die Grundstruktur für eine definitive Form angelegt.

Die rohen Holzblöcke werden zu Beginn mit der Kettensäge bearbeitet, für die feineren Strukturen wird der Meissel verwendet. Für die sanfteren Strukturen kommt der Raspel zum Zug. Ganz selten wird die Oberfläche am Schluss mit dem Schleifpapier glattgestrichen. Für Martin Bill ist es wichtig, dass die handwerklichen Spuren sichtbar bleiben. So sieht man bei vielen seiner Skulpturen die raue Oberfläche, die Rückschluss auf die getane Arbeit zulässt. Manchmal wird eine Skulptur noch geölt, gelackt oder ganz einfach so belassen, wie sie ist.

Martin Bill hat sich fixe Arbeitszeiten eingerichtet und diese werden diszipliniert eingehalten. Bereits am frühen Morgen beginnt er mit seiner Arbeit, macht täglich seine wohlverdiente Mittagspause und hört gegen Abend wieder auf. So hat er genügend Zeit für sein Umfeld. Damit er im inneren Gleichgewicht bleibt, hat er die Strategie entwickelt, an mehreren Skulpturen gleichzeitig nebeneinander zu arbeiten. So kann er, wenn der Arbeitsfluss bei einer Skulptur ins Stocken gerät, auf eine andere Figur ausweichen und so im Fluss bleiben.

Martin Bill hat seine Skulpturen schon an vielen Orten ausgestellt. Regelmässig sind seine Werke auch in der Kunstgalerie Hodler in Thun und in der Galerie Eulenspiegel in Basel ausgestellt.

«Uns läuft scheinbar die Zeit davon. Wir leiden unter chronischem Zeitmangel. Je weiter ich von meiner Zeit beziehungsweise meinem Weg abweiche, umso schneller scheint mir die Zeit davonzulaufen. Doch es ist nicht die Zeit, die davonläuft, denn die Zeit IST, ich bin es, der davonläuft, abseits meines eigentlichen Weges und Zieles. Der schnelle Kettensäge-Schnitt interessiert mich nicht. Ich bevorzuge den langsamen Weg mit der Kettensäge, Meissel, Raspel. Meine aktuellen Skulpturen geben meine Gefühle wieder: Sehnsucht, Harmonie, Veränderungen, Ausbrechen, mögliche Wege. In unserer schnelllebigen Zeit mit Gewalt und Disharmonie: Meine Sehnsucht nach Veränderung und nach harmonischen Formen und Linien. Nahrung für die Seele.»

Vor einem Jahr wurde Martin Bill für zwei Wochen nach China an eine Schule mit gehörlosen Kindern eingeladen. Die Aufgabe bestand darin, dass die 15 Bildhauer aus der ganzen Welt (Martin Bill war der einzige Schweizer) während drei Tagen mit je einem Kind eine Skulptur aus Holz anfertigten. Martin Bill arbeitete mit einem sehr talentierten Jungen zusammen; verständigt haben sie sich per Handy. Der Junge durfte das Holz auswählen und Martin Bill hat bewusst eine Skulptur mit der Symbolik passend zu ihnen beiden – «alt und jung» – «Frühling und Herbst» – ausgewählt. Die fertige Skulptur steht heute in dieser Schule.

Martin Bill wurde bereits viermal nach Russland in die Weiten der Taiga und Tundra eingeladen, wo er in der freien Wildnis aus einem drei Meter hohen und sechzig Zentimeter dicken Baum eine Skulptur anfertigte. Ein Zelt wurde dort zur Verfügung gestellt, ebenfalls eine Kettensäge. Sein persönliches Werkzeug nimmt Martin Bill mit.

Regelmässig arbeitet er auch in der Nähe von Olbia auf Sardinien. Die längste Zeit, die er dort am Stück verbracht hat, waren drei Monate, in der er sich voll und ganz seiner Kunst gewidmet hat. Er musste in dieser Zeit nichts, nur bildhauern, und konnte dabei erst noch einen befreienden Blick aufs Meer geniessen. Ein Laptop war nicht dabei. Gekocht hat er selber und in dieser Zeit hat er sich sogar mit einem wilden Hund angefreundet. Zwischendurch kam seine Frau oder sein Sohn zu Besuch.

Martin Bill lässt sich für seine Skulpturen aus seinem Inneren inspirieren. Was ihn beschäftigt, wird in Holz visualisiert. Es wird höchst selten vorskizziert, stattdessen fertigt er kleine Holzmodelle an, die so seine Vergangenheit als Modellbauer wieder aufleben lassen.

Fliessendes Wasser, wehender Wind und schäumende Wellen haben Martin Bill schon ein Leben lang begleitet. So erstaunt es nicht, dass er einer der Ersten in der Schweiz war, der regelmässig Windsurfing betrieb. Die Ferien wurden dort geplant, wo es viel Wind hatte, damit er Windsurfen konnte. Martin Bill ist auch Skilehrer und früher fuhr er vom Satus aus regelmässig Rennen und ist in den vorderen Rängen auf dem Podest gelandet. 1976 reiste er sogar in den Kaukasus; wegen starkem Regen konnte jedoch das Rennen nicht durchgeführt werden und so ging es mit dem Flieger wieder zurück in die Schweiz.

Martin Bill kann sich gut von einem Werk verabschieden. Es gibt jedoch Objekte, die wichtiger oder weniger wichtig für ihn sind. Wenn er nach der Vollendung mit einer Skulptur nicht zufrieden ist, so wird sie nicht ausgestellt. Nur selten haben aufkommende Unzufriedenheit und Aggressionen mit dem Geschaffenen zur Zerstörung von Skulpturen geführt. Allenfalls wird die Skulptur verändert und kommt danach komplett mit einem anderen Aussehen daher. Er meint, dass sei ähnlich wie bei den Malern, die ein fertiges Bild plötzlich wieder übermalen, weil es ihnen nicht gefällt. 

Zum Schluss meint Martin Bill mit vollem Ernst, dass er aufs Nähen umsteigen wird, wenn er aus Altersgründen die Kettensäge nicht mehr tragen kann. Seine Mutter war eine gute Näherin.

Fliessendes Wasser, wehender Wind und schäumende Wellen haben Martin Bill schon ein Leben lang begleitet. 

Kontakt
Martin Bill
Bildhauer
Lindeneggweg 15
3645 Gwatt/Thun
Telefon 079 741 33 02
E-Mail: skulpturenbill@bluewin.ch
www.mart-art.com


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