Werner Engel wird 1880 in Thun geboren. Nach einer Fotografenlehre in Zürich und bei Jean Moeglé in Thun ist er bis 1902 in Montreux und Bern als Fotograf tätig. Dann studiert er während fünf Semestern an der Kunstgewerbeschule Bern und nimmt während eines Jahres Unterricht bei den Malern Ernst Linck und Philipp Ritter in Bern. Von 1905 bis 1907 erweitert er seine künstlerische Ausbildung an der Kunstakademie München (zusammen mit den Bernern Victor Surbek und Paul Zehnder), 1908 an einer Kunstschule in Stuttgart und 1909 in der Galerie Ranson in Paris (bei Félix Vallotton und Maurice Denis). Er lernt zudem Henri Matisse persönlich kennen. 1909 heiratet er Olga Kummer. Ab 1909 verbringt er zusammen mit seiner Ehefrau während mehrerer Jahre den Sommer in Thun und den Winter in Paris. Nach der Geburt des einzigen Sohnes Francis im Jahre 1920 lässt sich das Ehepaar dauernd in Thun nieder. Studienreisen nach Österreich, Südfrankreich, Italien, Belgien, England und ins Rheinland erweitern den künstlerischen Horizont.
Zunächst entstehen impressionistische Arbeiten. In den Zwanzigerjahren wird der Einfluss von Ferdinand Hodler und Paul Cézanne wichtig, kurzfristig auch das Schaffen der Kubisten Georges Braque und Juan Gris. Doch vollbringt Werner Engel ein eigenständiges, vielseitiges Œuvre mit feinen Bleistift- und markanten Tuschezeichnungen, Ölgemälden (oft mit Verwendung des Spachtels), Gouachen, Linol- und Holzschnitten, Radierungen, Wandbehängen in Batiktechnik und Wandbildern (z.B. «Thuner Marktschiff auf der Aare», 1923, im Bahnhof Thun). Das Erstreben von Harmonie in Form und Farbe ist dem Künstler wichtig. Sein Schaffen findet vor allem in der Region Thun und in der Stadt Bern Anerkennung. Im Frühjahr 1940 findet in der Kunsthalle Bern eine Jubiläumsausstellung zu seinem 60. Geburtstag mit rund 100 Werken statt.
Der Künstler war auch musikalisch und literarisch interessiert. Er spielte gut Flöte, stand im Kontakt mit Hermann Hesse und pflegte Freundschaften mit dem Dirigenten August Oetiker, dem Komponisten Friedrich Klose und dem Pianisten W. G. Spencer in Thun. Werner Engel war zudem Mitbegründer der Kunstgesellschaft Thun, deren erstes Ehrenmitglied er wurde. 1931 gab er im Selbstverlag das originelle Büchlein «Mein Thun» heraus, mit Ansichten der Stadt Thun in holzschnittartigen Tuschezeichnungen und mit eigenem Begleittext. Im Schlusswort schreibt er: «Wie oft kommt es im Leben vor, dass man von etwas, das man tagtäglich sieht, mit dem man tagtäglich verkehrt, von dem man jeden Tag hört, den Verleider bekommt, wie der Berner so treffend sagt. Mit meinem Thun ist es mir umgekehrt ergangen; ich habe es immer liebenswerter gefunden, je mehr ich mich mit ihm beschäftigt habe. […] Es ist so schön zu leben! ‒ Wenn dieses Buch seine Leser davon überzeugen kann, dass es ganz besonders schön ist, in Thun leben zu können, so bin ich zufrieden.» Mit diesem künstlerischen Kleinod lieferte Werner Engel einen wichtigen historisch-dokumentarischen Beitrag zur Stadt Thun in den Zwanzigerjahren. Geplant war zudem ein zweites Büchlein mit dem Titel «Mein Thunersee». Sechs Tuschezeichnungen hatte er schon angefertigt und den Text zu diesen Illustrationen verfasst, doch starb er, erst 61-jährig, 1941 in Thun, bevor er sein zweites Büchlein vollenden konnte.