Tradition Geigenbau
Tradition Geigenbau
Damit eine Geige schön klingt, ist neben den handwerklichen Fähigkeiten auch der Erfahrungsschatz des Geigenbauers bei der Wahl des Materials gefragt. Aus über 55-jähriger Erfahrung weiss Daniel Schranz, dass der Geigenbau ein grosses Fachwissen verlangt und mit besonderer Verantwortung verbunden ist.
Text & Fotos: Christine Hunkeler
Während der Bildhauer früher hauptsächlich Vorlagen für seine Plastiken skizzierte, entstanden ab 1987 eigenständige kreative Zeichnungen.
ie Schranz Geigenbau GmbH an der Pestalozzistrasse 24 in Thun feiert dieses Jahr ihr 40-Jahr-Jubiläum. Die Tochter von Daniel Schranz, Anna Barbara Schranz, ist im Geigenbauatelier aufgewachsen. Was bei ihr als Nebenjob zum Musikstudium begann, hat sich in den letzten Jahren ständig erweitert. Sie ist in der Zwischenzeit Geschäftsführerin und selber eidg. dipl. Geigenbauerin. Ihr Team und sie können ein über viele Jahre erarbeitetes Fachwissen rund um den Geigenbau vorweisen.
Aus Fichten- und Ahornholz
Für den Geigenbau wird meist Fichten- und Ahornholz verwendet. Im Vergleich zu anderen Tonklanghölzern ergibt die Kombination dieser beiden Hölzer erfahrungsgemäss den besten Klang. Als der Wintersturm Vivian im Februar vor 22 Jahren über die Schweiz fegte und etliche grosse Waldflächen zerstörte, deckte sich Daniel Schranz mit schönem Holz von betroffenen Fichten ein. Für den Geigenbau ist es wichtig, dass die Hölzer mehrere Jahre gelagert und getrocknet werden, bevor man sie weiterverarbeitet. Durch ein dendrochronologisches Gutachten lässt sich das Alter des Holzes jederzeit feststellen.
Für die Decke der Geige sowie für einige kleinere Teile wird Fichtenholz verwendet. Für den Boden, die Zarge (Seitenteile), die Schnecke und den Hals verarbeitet man das Holz des Ahornbaums. Weitere Bestandteile der Geige sind: das Griffbrett, der Steg, der Stimmstock, die Wirbel, der Ober- und Untersattel, Saiten- und Kinnhalter. Sobald das Instrument fertiggestellt ist, werden noch die vier Saiten (g, d, a und e) aufgezogen.
Anfertigung einer Geige
Die aus dem Stamm gespaltenen Holzteile für die Decke und den Boden erinnern ein bisschen an Tortenstücke. Diese werden nochmals geteilt und dann an der äusseren Kante zusammengefügt. Dadurch bekommt das Stück Holz eine ähnliche Form wie ein Hausdach. Ab und zu werden auch einteilige Decken oder Böden gewählt. Da man dafür aber grössere Holzstücke benötigt, ist dies eher die Ausnahme.
Die untere Seite des «Daches» wird nun mit dem Hobel gerichtet, anschliessend können die Umrisse von Decke und Boden aufgezeichnet und ausgesägt werden. Mit viel Feingefühl und mit Unterstützung verschiedener Werkzeuge werden im Anschluss die Wölbungen der Decke und des Bodens zuerst von aussen, anschliessend inwendig ausgearbeitet. Die Dicke der Decke beträgt mittig ungefähr 4 Millimeter, aussen am Rand etwa 2,5 Millimeter. In die Decke werden noch die sogenannten F-Löcher geschnitten. Diese können je nach Modell der Geige unterschiedlich sein. Anna Barbara Schranz erzählt, dass die allermeisten Instrumente nach Stradivari-Modellen gebaut sind. Es können aber auch Instrumente von anderen Geigenbauern als Vorlage dienen oder eigene Modelle entwickelt werden. Die Stradivari-Instrumente bestechen neben dem bekannten Namen und ihrem wunderbaren Klang auch durch ihr sehr schönes und ausgeglichenes Modell.
«Für den Geigenbau ist es wichtig, dass die Hölzer mehrere Jahre gelagert und getrocknet werden, bevor man sie weiter- verarbeitet.»
Ein weiterer Schritt ist die Anfertigung des Zargenkranzes für das Volumen des Instrumentes. Er besteht aus den Seitenteilen zwischen Decke und Boden. Dazu wird meist ein Formbrett benötigt. Da es unterschiedliche Geigenmodelle gibt, gibt es auch bei den Formbrettern verschiedene Modelle. Die Grundform ist zwar gleich, jedoch liegen auch hier die Unterschiede in den Details. Die Form gibt demzufolge das Modell der Geige vor, die gebaut werden soll. Im Formbrett gibt es zum Beispiel aussen Aussparungen, in die Holzklötze eingesetzt werden. Aus den seitlichen Holzklötzen wird die Form der Spitzen ausgearbeitet. Bevor jedoch die Seitenteile, die Zargen, zum Kranz montiert und mit den Holzklötzen verleimt werden, muss das Holz zuerst sehr dünn gehobelt und anschliessend mit einem Biegeeisen und Wärme in die gewünschte Form gebracht werden. Damit das Holz formbar wird, wird es zuerst noch in Wasser eingelegt. An der Innenseite der Zargen werden noch die sogenannten Reiffchen angebracht. Dadurch wird die Fläche beim Zusammensetzen der Decke und des Bodens etwas breiter. Anschliessend kann der Kranz vom Formbrett entfernt werden.
Wenn der Zargenkranz fertig ist, wird er mit der Decke und dem Boden verleimt, und somit ist der Instrumentenkörper fertig.
Danach geht es an die Ausführung von Hals, Wirbelkasten und Schnecke. Diese werden aus einem Stück Ahornholz gearbeitet. Hier ist deutlich ersichtlich, weshalb beim Beruf des Geigenbauers Fähigkeiten wie handwerkliches Geschick, präzises Arbeiten, Sinn für Feinheiten und Geduld gefragt sind. Schon nur allein für das Sägen und Schnitzen der Schneckenform mit ihren Windungen … Sobald die geschwungene Unterseite der Schnecke und der Wirbelkasten mit einem Stecheisen ausgehöhlt worden sind, können der Hals und der Instrumentenkörper miteinander verleimt und lackiert werden.
«Hier ist deutlich ersichtlich, weshalb beim Beruf des Geigenbauers Fähigkeiten wie handwerkliches Geschick, präzises Arbeiten, Sinn für Feinheiten und Geduld gefragt sind.»
«Die Arbeit wird nach dem Aufleimen des Griffbrettes, das aus Ebenholz ist, vollendet.»
Schwarz wie Ebenholz
Die Arbeit wird nach dem Aufleimen des Griffbrettes, das aus Ebenholz ist, vollendet: Die vier Wirbel werden eingepasst, das Instrument poliert, der Steg aufgeschnitten, der Stimmstock gesetzt und last, but not least die Saiten aufgezogen. Da es nicht mehr so viel Ebenholz auf der Erde gibt, ist unter anderem die ETH Zürich daran, nach einem adäquaten Ersatzmaterial zu suchen, das ebenso hart und trotzdem so gut verarbeitbar ist wie das schwarze Tropenholz.
Für den Bau einer Geige werden bei der Schranz Geigenbau GmbH rund 100 Stunden benötigt, die Trockenzeit der Lackierung nicht eingerechnet. Wer eine neue Geige bestellt, muss sich in der Regel ein Jahr gedulden, denn die einzelnen Schritte für die Herstellung benötigen wertvolle Zeit. Der Kostenpunkt für ein neues Instrument beläuft sich auf 15 000 bis 25 000 Franken, je nachdem, von wem die Geige gebaut wurde.
Auch 200- bis 300-jährige Streichinstrumente sind teilweise immer noch in Gebrauch. Damit so etwas möglich ist, benötigt es eine gute Wartung und fachmännische Reparaturen. An einem Streichinstrument kann praktisch alles repariert werden. Für Daniel Schranz und sein Team ist es immer wieder eindrucksvoll, wie sich die erfahrenen Geigenbauenden in seiner Werkstatt um die Pflege, Reparatur und Restauration der Instrumente kümmern.
Kontakt
Schranz Geigenbau GmbH
Pestalozzistrasse 24, 3600 Thun
Telefon 033 223 42 39
b.schranz@geigenbau.ch
www.geigenbau.ch