Marguerite Frey-Surbek und Victor Surbek

Marguerite Frey-Surbek und Victor Surbek

Marguerite Frey-Surbek und Victor Surbek

Die diesjährige Sommer-Ausstellung im Schloss Spiez gilt einem Künstlerpaar, das jahrzehntelang nebeneinander arbeitete, doch seine Werke nie gemeinsam ausstellen wollte. «Als Künstler sind wir nicht verheiratet», pflegten Victor Surbek (1885 – 1975) und Marguerite Frey-Surbek (1886 – 1981) zu sagen. Es war ihnen wichtig, mit ihrem Werk als eigen­stän­dige Künstler wahrgenommen zu werden, und vor allem Marguerite stellte wiederholt fest, sie gäbe es nicht im «Doppelpack».

Text: Therese Bhattacharya-Stettler, Steffan Biffiger  |  Fotos: zvg

Dem Schloss Spiez, mit dem sie sehr verbunden waren, schenkten sie 1964 einen Teil ihres umfangreichen Œuvres. Aus diesem reichen Fundus wird nun eine Auswahl für die Ausstellung getroffen, ergänzt durch einige Leihgaben aus Privatbesitz.

Marguerite und Victor hatten sich 1911 während ihrer Ausbildung in Paris kennengelernt. Nach ihrer Heirat 1914 führten sie zunächst gemeinsam eine Mal- schule in Bern, beschickten Ausstellungen und machten sich allmählich als Maler einen Namen. Zusammen unternahmen sie auch zahlreiche Reisen in viele Länder Europas – vor allem Italien (Kalabrien) – sowie nach Amerika, von wo sie jeweils mit reicher malerischer Ausbeute nach Bern heimkehrten.

Victor Surbek, …

… aus dem Kreis um Hodler hervorgegangen und in München, Karlsruhe und Paris ausgebildet, ist wohl der bekanntere der beiden – er hatte das Glück und die Kraft, während 70 Jahren künstlerisch tätig zu sein; unzählige Landschaften, Porträts, Stillleben in Öl, Tempera, Aquarell und hunderte von Zeichnungen und Grafikblättern sind in dieser Zeitspanne entstanden.

Zudem schuf er zahlreiche monumentale Wandgemälde wie dasjenige an der Westseite des Zytglogge in Bern oder auch die beiden Malereien am Haus «Le Roselier» gegenüber der Schlosskirche Spiez.

Die Grundlage seines Schaffens bildete stets die direkte Beziehung zur Natur, auch wenn er anderen künstlerischen Auffassungen nicht ablehnend gegenüberstand. Seine Neugier erforderte eine intensive Naturbeobachtung, sei es in Bern oder Iseltwald oder sonst irgendwo auf der Welt, auf Spaziergängen, Wanderungen oder ausgedehnten Reisen. Indem er ständig zeichnete, konnte er das Fremde vereinnahmen und war schliesslich ganz selbstverständlich überall zu Hause.

Zuerst versuchte er die persönliche Aneignung in dunkeltonigen, flach angelegten Bildern. Die Aufenthalte in Paris und der Einfluss der französischen Malerei brachten dann die Hinwendung zu Farben und zu malerischer Gestaltung. Das etwas aufgesetzt Heroische verschwindet daraufhin und kehrt in anderer Form bewältigt zurück, in den grossen Landschaften von Korsika von 1929 beispielsweise, in denen er jede Einzelheit in ein ausgewogenes Gleichgewicht bringt. Damit endete seine recht lange Frühphase und ging über in die mittlere Schaffenszeit, die vor allem von der Wandmalerei geprägt ist. Die zahlreichen Landschaften von Iseltwald und vom Brienzersee, denen eine duftige Helligkeit oft halb traumhafter Art eigen ist, bilden im Ablauf der Jahre eine Bilderfolge von eindrücklicher Geschlossenheit. In diesen und anderen Gemälden werden – vor allem nach seinem ersten Kalabrien-Aufenthalt 1932 – Licht- und Farbwerte stärker und differenzierter eingesetzt. Dadurch konnte er bei zunehmend gelockerter Bildstruktur poetische Stimmungen erreichen, wobei er oft Winter-, Dämmerungs- und Nachtbilder bevorzugte.

Das Spätwerk setzt etwa ab 1960 ein; die ­Bilder werden freier, der Pinselduktus breiter und malerischer. Es gelang ihm auch, zu reduzieren, zu vereinfachen, sich auf das Wichtigste, auf das Wesentliche zu beschränken – bis zu den eindrucksvollen dramatischen Bildern vom Brienzersee in Sturm und Schnee. 

Ein versöhnliches Schlussbild, eines seiner letzten Bilder, enthält sein ganzes Schaffen: Das Atelier. La grande fenêtre. Es entstand 1974, etwa neun Monate vor seinem Tod, und ist doch ein heiteres Sinnbild des betagten Künstlers für seinen unbefangenen und offenen Blick in die Nähe und in die Ferne, vom Schatten der Geborgenheit seines Ateliers in die Lichtfülle der Brienzerseelandschaft, wie er sie schon im ersten Bild 70 Jahre früher feinfühlig dargestellt hatte.

«Wir waren zwei Malerfreunde – voilà tout. Wir haben uns beide als freie Persönlichkeiten entfaltet, und jeder hat sich die nötige Unabhängigkeit zu bewahren gewusst!»

Auch Marguerite Frey-Surbek…

… hat während ihres langen Lebens ein ­grosses Œuvre geschaffen. Sie stammte aus dem jurassischen Delémont, wo sie mit vier Geschwistern eine unbeschwerte Kindheit verbrachte. Als sie sieben Jahre alt war, zog die Familie nach Bern. Nach dem Schulabschluss besuchte sie die Bernische Kunstschule, gleichzeitig konnte sie beim jungen Paul Klee Unterricht nehmen. Er war es, der ab 1904 mithalf, dass der Wunsch von Marguerite Frey, Malerin zu werden, in Erfüllung gehen konnte. In einem Brief vom 18. Dezember 1905 an seine Verlobte Lily schrieb Klee in seiner ganzen Bescheidenheit: «Meine Schülerin hat mich heut mit ­einem entschiedenen Fortschritt überrascht. Sie lernt malen und das zwar bei mir ! Es ist unerhört, weil ich’s doch nicht kann. Aber ich verstehe doch sehr viel davon !!!» 

Als Paul Klee im Herbst 1906 wieder nach München zog, legte er ihr nahe, nach Paris zu gehen. Sie nahm zunächst – wie damals üblich – Akt-Kurse an der Académie de la Grande Chaumière, wo seit deren Gründung 1902 die Berner Kollegin Martha Stettler wirkte. Zudem frequentierte sie das Atelier von Lucien Simon, der ihr erstmals das Malen in Öl beibrachte. Während sie zuerst als Porträtistin begann, wurde immer mehr das reizvolle Spiel der Farben mit Licht und Schatten wichtig. 

Wenn Victor der Maler der Ferne war, dann war Marguerite die Malerin der Nähe. Wenn schon Berge, dann wandte sie sich vorwiegend dem Hausberg ob Iseltwald zu: dem Faulhorn. Ein ganzer Werkkomplex gilt ­dieser Kulisse, die sie ab 1932 regelmässig erklomm und wo sie während mehrerer ­Wochen die Gipfel und Weiten malte – sie nannte das Faulhorn ihren «Götterthron».

Besonders bestechend sind aber ihre kühnen Arrangements bei den Terrassen- und Gartenbildern, den Stillleben und Interieurs. In und um das Surbek-Haus in Iseltwald fand sie ihre beliebten Motive. Hier hatte sie ihr Reich, wo sie sich frei fühlte und malen konnte. Sie verfügte über kein persönliches Atelier, auch nicht in Iseltwald – nur Victor hatte hier für sich ein Atelier mit Nordlicht gebaut.

Marguerite gelang es, im ­Umschwung des am Steilhang gelegenen Sommerhauses – trotz des grandiosen Blicks auf den Brienzersee und die gegenüberliegenden Bergzüge – auf die Nähe zu fokussieren und der Blumen- und Pflanzenpracht ihrer Umgebung eine Bühne zu geben. In virtuoser Farbigkeit und raffinierter Schattengebung lotete sie die verwunschenen lauschigen Winkel aus. Die Gartenlauben geraten ins Flimmern, wenn vorbeiziehende Wolken oder das sich überlagernde Blattwerk Schatten werfen. Die Bilder sind aus Farbflecken und Lichtblitzen von Sonnenstrahlen gebaut – subtil und voll sprühenden Schwungs. Während der 60-jährigen Lebensgemeinschaft hat sich beim Ehepaar Surbek eine grosse Verbundenheit und eine intensive Komplizenschaft herauskristallisiert. Beide liebten die Geselligkeit, die Natur, das Reisen und die Berge. Marguerite räumte ein, dass «obendrein noch vollständige Übereinstimmung der persönlichen Neigungen und Urteile zutage» trete. Dies bezieht sich wohl auf die Tatsache, dass beide ein «gegenständliches» Werk geschaffen ­haben, und zwar in einer Zeit, in der die Kunst vielfältige neue Wege eingeschlagen hatte; sie beobachteten diese mit Interesse und wussten sie durchaus zu schätzen, aber für sich selbst setzten sie andere Tendenzen um. Während man bei Victor feststellen kann, dass in seinem Werk Geist und Gefühl, Inspiration und Sachlichkeit meistens in angeborenem Gleichgewicht erscheinen, wird man in Marguerites Bildern auf ein lebhaftes Temperament, eine leicht ansprechbare Vorstellungskraft und ein ungewöhnlich starkes Farbgefühl aufmerksam. War er eher der Realist, so war sie mehr die Poetin. Standen bei ihm das Lineare, die Zeichnung, die räumliche Gliederung im Vordergrund, waren es bei ihr die Farbe, die seelische Stimmung und damit verbunden die innere Anteilnahme.

Hinterlassen Sie einen Kommentar

* Erforderlich