Im Reich der Flechtkunst

Im Reich der Flechtkunst

Im Reich der Flechtkunst

In Therese Leutwylers Flechtmuseum in Thun finden sich unzählige faszinierende Flechterzeugnisse, die zeigen, wie vielseitig dieses Handwerk ist. Die neue Sonderausstellung lädt zum Verweilen und Staunen ein. Vor allem auch dank den spannenden Führungen der Inhaberin, von deren Begeisterung für die alte Tradition man sich schnell anstecken lässt.

Text: Blanca Bürgisser | Bilder: zvg

Das Flechten liegt in Therese Leutwylers Familie. Nach ihren Grosseltern und ihrem Vater führt die Thunerin die familieneigene Korbflechterei bereits in dritter Generation. Gegründet hat den Betrieb vor über 100 Jahren ihr Grossvater. Nach dessen Tod führte ihre Grossmutter das Geschäft als Witfrau weiter. Da es Frauen damals noch verwehrt war, selbstständig einen Betrieb zu führen, musste auf Rechnungsformularen immer «Witwe Rosa Leutwyler» stehen. 1964 ging der Betrieb auf Therese Leutwylers Vater Othmar Leutwyler über. Dieser führte zusätzlich zur Eigenproduktion den Verkauf von Handelsware ein. 25 Jahre später übernahm Therese Leutwyler selbst die Eigenproduktion und führt die Korbflechterei bis heute.

Vom Beruf zur Leidenschaft

Bereits während der Schulzeit hat Therese Leutwyler im elterlichen Betrieb ausgeholfen, um ihr Sackgeld aufzubessern. «Das war spannender als Hausaufgaben», erzählt sie schmunzelnd. Als sie dann nach der Schule nicht wusste, welchen Beruf sie lernen sollte, begann sie bei ihrem Vater in der Werkstatt zu arbeiten. Kurz darauf bildete ihr Vater wieder einen Lehrling aus, Werner Turtschi. Dieser reiste immer wieder nach Frankreich und Deutschland, um die dortige Flechtkunst kennenzulernen. Fasziniert von dessen Bildern und Mitbringseln, überzeugte Therese Leutwyler ihren Vater von der Idee, den Lehrling einmal auf einer seiner Reisen begleiten zu dürfen. So besuchte Therese Leutwyler das Korbmuseum in Michelau, mit einer der grössten Sammlungen weltweit und voller einzigartiger Exponate. «Ich kam aus dem Staunen gar nicht mehr raus. Ich habe einen aus Fischgräten geflochtenen Fisch gesehen ebenso viele feine Weidenschienenarbeiten, die wir bei uns nicht kannten», erinnert sich Therese Leutwyler. «Das war der Moment, als mein Interesse geweckt wurde und mein Herz aufging. Es war der Beginn meiner Leidenschaft.»

Eine Herzensangelegenheit

Über die Jahre ist Therese Leutwylers Leidenschaft immer mehr gewachsen. Und zwar so stark, dass die Thunerin gar ihr eigenes Flechtmuseum eröffnet hat. Ihr Ziel war und ist es, den Besucher:innen die Vielfalt des Handwerks näherzubringen. Denn genau diese Fülle an Möglichkeiten ist es auch, die sie so sehr an ihrem Beruf liebt: «Da ich auch im Berufsverband organisiert bin, lag es mir am Herzen, den Leuten zu zeigen, was Flechten alles heissen kann, um ein bisschen mehr Ansehen für das Handwerk zu erhalten.» Begonnen hat sie ganz scheu mit einigen wenigen Objekten. Über die Jahre ist ihre Sammlung immer mehr gewachsen und umfasst mittlerweile über 1500 Exponate. Für das Museum wählt Therese Leutwyler jedes Jahr ein Schwerpunktthema aus, zu dem sie eine Ausstellung gestaltet. Dieses Jahr hat sie mit dem Abc ein besonderes Thema ausgesucht, das es ihr ermöglicht, die Ausstellung interaktiv zu gestalten. Während der Führungen können die Besucher:innen Therese Leutwyler einen Buchstaben sagen, und sie nennt ihnen dazu ein Produkt, ein Material oder eine Flechttechnik und erzählt ihnen allerlei spannende Fakten und Geschichten dazu. Die Auswahl reicht von S wie Schmuck über M wie Miniaturen bis zu R wie Rasseln. Dabei hat allein jeder Buchstabe in sich eine riesige Vielfalt und umfasst mehrere Ausstellungsstücke. An jeder Ecke gibt es etwas Neues zu entdecken: filigrane Schmuckstücke, liebevoll gestaltete Puppenstuben, beeindruckende Körbe, wunderschöne Hüte und noch vieles mehr. 


Da sie oft Flechtstücke erhält, die nicht ins Museum passen oder die sie bereits besitzt, führt Therese Leutwyler mittlerweile auch eine Flechtbrockenstube. Das Geld aus dem Verkauf hilft ihr bei der Finanzierung des Museums, für welches sie keinen Trägerverein hat und alles selbst organisiert und finanziert. Vieles davon ist Wochenendarbeit. Neben der Einrichtung des Museums verbringt sie vor jeder neuen Ausstellung jeweils Tage mit Recherchieren. Daneben arbeitet die Korbflechterin in ihrer Werkstatt und betreibt den dazugehörenden Laden. Neben Auftragsarbeiten und Reparaturen fertigt sie auch immer wieder eigene Geflechte. Dabei hat sie bis heute nichts von ihrer Leidenschaft verloren: «Man kann ohne Nagel, ohne Schraube und ohne Leim ein Behältnis schaffen, das so viel hält, wie man tragen kann. Das beeindruckt mich auch nach all diesen Jahren», schwärmt Therese Leutwyler. Ihre Begeisterung und ihr Wissen gibt Therese Leutwyler auch an die nächste Generation Korbflechter:innen weiter. Zusammen mit zwei Kollegen hat sie beim Aufbau der Berufsschule geholfen. Dies hat dazu geführt, dass Korb- und Flechtwerkgestalter:in heute ein anerkannter EFZ Lehrberuf ist.


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