Holzboote zum Träumen
Holzboote zum Träumen
Schon beinahe seit dem Beginn der Zeit faszinieren Flüsse, Seen und Meere die Menschheit. Das mächtige Element Wasser ist Freund und Feind in gleichem Masse und der uralte Wunsch nach der Bezwingung des Wassers hat eindrücklichste technische Fortschritte ins Rollen gebracht. Holzboote sind eine der ursprünglichsten Formen vom Bootsbau. Auch heute haben Boote aus Holz nichts von ihrem alten Charme und ihrer Ursprünglichkeit verloren. Rolf Hächler der Hächler Bootbau AG erzählt von seinem Lebenswerk: dem Bau von Holzbooten.
Text: Thomas Bornhauser | Fotos: Hächler Bootbau AG und Thomas Bornhauser
Während der Bildhauer früher hauptsächlich Vorlagen für seine Plastiken skizzierte, entstanden ab 1987 eigenständige kreative Zeichnungen.
Rolf Hächler, wenn wir an den Bau von Holzbooten denken: Welches sind die drei wichtigsten Eigenschaften, die ein Bootbauer intus haben muss?
Handwerkliches Geschick braucht er im Umgang mit den Werkzeugen, da fast alles in Handarbeit ausgeführt wird. Die Genauigkeit ist ebenfalls wichtig, denn man sieht jeden Zehntelmillimeter Ungenauigkeit. Schliesslich das Gespür für schöne Formen: Das Endprodukt muss ästhetisch top sein.
Wie lange dauert heute eine Ausbildung zum Bootbauer? Und welche Art von Holzbooten kann er dann selber in Angriff nehmen?
Die Lehre dauert vier Jahre. Der Bootbauer kann nach seiner Ausbildung kleine, einfache Holzboote selbständig bauen und auch schwierige Reparaturen an Holzbooten ausführen. Bei grösseren, aufwändigeren Booten arbeitet er im Team, mit erfahrenen Berufsleuten zusammen. Es gilt auch hier, wie bei vielen Berufsleuten: Nach vier Jahren hat man nicht ausgelernt, dann geht es eigentlich erst richtig los, mit den sogenannten Wanderjahren.
Wie haben Sie ihre eigene Ausbildungszeit in Erinnerung? Respekt vor dem Baustoff «Holz»?
Mich hat schon in der Lehre der Baustoff Holz fasziniert, denn Holz lebt und hat eine natürliche Wärme. Furcht vor dem Baustoff Holz hatte ich nie, für mich war es stets eine Freude, mit Holz zu arbeiten, mit dem entsprechenden Respekt. Beim Anblick eines schönen Holzboots schlägt mein Herz noch immer schneller!
Nach welchen Gesichtspunkten entscheidet man sich für ein bestimmtes Holz? Inländisches oder ausländisches?
Bei Bootsteilen, meist im Boot, verwenden wir nach Möglichkeit Schweizer Holz: Fichte, Lärche, Eiche, Akazie oder Ahorn. Für den Aussenbereich ist ausländisches Holz meist geeigneter, da es auf grosse Längen astfrei, gleichmässig gewachsen und verrottungsfester ist.
«Eine gute Pflege ist das A und O. Mängel sollten frühzeitig erkannt werden.»
Was passiert dann? Können Sie uns die vielleicht fünf wichtigsten Phasen beim Bau eines Holzboots beschreiben?
(Lacht) Es gibt mehr als nur deren fünf. Der Konstrukteur plant das Traumboot des Kunden, danach fertigen wir anhand dieser Pläne die Bauform. Ein besonderer Moment ist Stufe 3, die Kiellegung, also der eigentliche Baubeginn. Bei der modernen Bauweise wird das Boot mit dem Kiel nach oben gebaut, «Kieloben» in der Fachsprache. Nach der Fertigstellung des Rumpfes wird das Boot gedreht. Stufe 5: Es folgen der Innenausbau sowie die Verlegung des Decks, der Einbau des Motors. Anschliessend wird das Boot mit den modernsten Harzen und Lacken beschichtet. Als Letztes, Stufe 7, folgt die Montage der Beschläge, bei Segelbooten die Montage des Mastes. Dieser ist heute meist nicht mehr aus Holz, sondern aus Aluminium oder Karbon.In der Annahme, dass so ein Holzboot gut gepflegt wird: Ab wann nagt der Zahn der Zeit am Holz?
Wir haben Kundenboote, die über hundert Jahre alt sind, meist sind diese geschützt in Bootshäusern. Aber auch sonst sind Holzboote, die sechzig Jahre alt sind, keine Seltenheit. Eine gute Pflege ist das A und O. Wichtig ist, das Boot im Winter in einer Halle zu lagern und vom Fachmann alles kontrollieren zu lassen, sodass Mängel frühzeitig erkannt und ausgebessert werden können. Bei modernen Harzen und Lacken braucht es nach ungefähr 15 Jahren eine neue Lackierung.
Welches sind die häufigsten Arbeiten bei der Überholung eines Holzboots?
Den grössten Teil seiner Arbeitszeit verbringt der Bootbauer mit der Reparatur und der Überholung von Booten aus allen Materialien, also nicht nur von Holzbooten. Die häufigsten Arbeiten sind Lackierungen, das Auswechseln von verrotteten Teilen und die Pflege von Teakdecks. Es gibt Werften, die keine Holzboote mehr pflegen und überholen. Wir sind in der glücklichen Lage, viele treue «Holzbootkunden» bei uns in der Werft zu haben. Es bringen sogar Besitzer aus allen Teilen der Schweiz ihre Boote zu uns zur Reparatur.
Was ist in Sachen Holzboote das NonplusUltra?
Heute werden die Holzboote nicht mehr aus massivem Holz gebaut, sondern aus Sperrholz, in formverleimter Bauweise.
Dabei werden dünne Fournierschichten kreuzweise mit Vakuum über eine Form verleimt. Die «Eigenbauten» wie unsere RH-Segelyachten sind sicher ein Highlight. Bei den Motorbooten sind die Boesch-, Pedrazzini- und Rapp-Boote am bekanntesten.
Das kleinste Boot, das jemals in Einigen gefertigt wurde, mass gerade mal zwei Meter.
Wie alles Begann
Wie aber hat alles angefangen, wann hatte Rolf Hächler zum ersten Mal Kontakt mit einem Schiffli, als Bueb in der Badewanne, zusammen mit einer Quietschente? Er, der in Spiez oberhalb des Kraftwerks aufgewachsen ist, winkt ab, lacht: «Es muss ungefähr in der sechsten Klasse gewesen sein, als ich zusammen mit einem Freund ein Kanu gebaut habe.» Wirklich geschwommen sei das Kanu nie, «aber der Wille zum Bootbau da». Immerhin.
In der achten und neunten Klasse hatte Rolf Hächler einen «Wochenplatz» bei der Yacht- und Bootswerft Müller in Spiez, damals noch wirklich in der Spiezer Bucht zu finden. Und er machte dort, was für Schüler-Aushilfen halt so üblich war: zum Beispiel einen grossen Haufen Schrauben sortieren und nach Grösse in die jeweils dafür bestimmten Schubladen legen. Als eigentlicher «Urknall» im Bezug auf seine spätere Zukunft kann zum Schluss seiner Schulzeit der Bau eines «Optimist» bezeichnet werden, aus Sperrholz, einer Holzbadewanne nicht unähnlich, eine umgekehrte Seifenkiste auf Wasser. Aber: Der «Optimist» ist heute noch eine offizielle Klasse, bei der Segelregatten durchgeführt werden. Und mit dieser Konstruktion wurde Rolf Hächler eigentlicher Bootbauer, wenn vorerst noch inoffiziell.
Lehrlinge als ein Muss
Es lag auf der Hand: Rolf Hächler erlernte von 1973 bis 1977 den Beruf eines Bootbauers bei seiner «Wochenplatz»-Arbeitgeberin und besuchte einmal pro Woche die Gewerbeschule Luzern. Nach anschliessenden Wanderjahren in verschiedenen Werften der Schweiz kehrte er an den Thunersee, erst zu Furer in Thun, danach zu Werner Schneiter nach Oberhofen zurück. 1987 konnte er gemeinsam mit Ehefrau Vreni die Werft kaufen. Der Betrieb in Oberhofen wurde im Laufe der Jahre kontinuierlich ausgebaut und modernisiert. Entsprechend kamen ständig neue Mitarbeitende und Lehrlinge hinzu.
Zunehmend ging Rolf Hächler in Oberhofen der Platz aus. Einer seiner beiden Söhne befand sich damals in der Ausbildung bei der Müller AG, inzwischen in Einigen ansässig, und so ergab es sich, dass Rolf Hächler nach einer langen Zeit von Besprechungen und Überlegungen 2008 die Yacht- und Bootswerft Müller übernehmen und kaufen konnte. Auf den 1. Januar dieses Jahres wurden beide Betriebe – in Oberhofen und in Einigen – fusioniert, unter dem einzigen Namen Hächler Bootbau AG.
Fachleute am Werk
Um den Bootbau zu verstehen, muss man wissen, dass es dafür eigentlich drei verschiedene Berufsrichtungen benötigt, die einander in die Hand arbeiten: den Bootbauer, den Bootfachwart, der für den Unterhalt ausserhalb der Bootstrukturen verantwortlich ist, und, als erstes, den Bootkonstrukteur, der meistens in Hamburg studiert hat und dessen Stärken bei den komplizierten Berechnungen der Statik und der Gewichtsverteilung zu finden sind, denn was ist von einem Schiff zu halten, dass unmittelbar nach seinem Stapellauf absäuft, wie das stolze schwedische Kriegsschiff «Wasa», das 1628 nach wenigen hundert Metern auf Grund lief…