«Düreschnuufe, abefahre. ’s chunnt scho wider…»
«Düreschnuufe, abefahre. ’s chunnt scho wider…»
Sie ist eine faszinierende Persönlichkeit, in jeder Beziehung. Was sie auch immer anpackt, es hat nicht bloss «Händ und Füess», Karin Frank aus Hilterfingen investiert Herzblut in ihre Arbeiten, so verschieden ihre Herausforderungen auch immer waren. In der Vergangenheit ebenso wie seit einigen Jahren als freischaffende Künstlerin. Ihre Werke sind mehr als blosse Bilder, sie erzählen Geschichten, sprechen bei genauer Betrachtung aus der Seele der Malerin. Ihre Kunst ist authentisch und macht Karin Frank zu einer aussergewöhnlichen Zeitgenossin. Wir konnten uns mit ihr unterhalten.
Text: Thomas Bornhauser | Fotos: Michael Meier
Während der Bildhauer früher hauptsächlich Vorlagen für seine Plastiken skizzierte, entstanden ab 1987 eigenständige kreative Zeichnungen.
Karin Frank als zeitgenössische Malerin mit abstrakten Gemälden. Was sagen Sie zu einer Zeitgenossin, die behauptet, ihre vierjährige Tochter «könnte sowas auch»?
Klar, warum nicht! Die Formensprache der Kinder kommt der modernen abstrakten Malerei sehr nahe. Bilder von Kindern können uns genauso berühren wie die der Grossen. Und darum gehts doch. Schaue ich meiner Tochter beim Malen zu, ist das ein faszinierendes Erlebnis. Ihre Bilder sind ein Hammer! Kids sind in ihrer Kreativität frei.
Dieser letzte Satz erinnert mich an Bernhard Luginbühl, der mir über Adolf Wölfli einmal sagte: «Dä Cheib het i syre Art ir Waldau keiner Schaffensgränze gha wie mir normale Künschtler!»
Absolut. Das gilt auch für Kinder: Sie gehen mit einer Leichtigkeit, Authentizität, Intuition, im Hier und Jetzt an die Farben und Formen ran. Von den Kleinen können wir uns einiges abgucken (schmunzelt). Denn genau dieses inspirative «Sich-dem-Moment-mit-seinem-ganzen-Sein-Hingeben» verlangt die abstrakte Malerei auch von uns Erwachsenen. Wenn das klappt, mischen wir unsere Lebenserfahrung dazu, viel Lust, Neugierde, den Drang, Grenzen auszuloten… Ja, und auch Unangenehmes an uns ranzulassen, grübeln, nach Antworten suchen, loslassen. Malen. Dann könnte das Resultat spannend werden.
Einige Leserinnen und Leser werden sich beim Betrachten Ihrer Foto fragen: «Woher kenne ich sie?» Sie waren in den 90ern Newssprecherin und Redaktorin bei Telebärn.
(Lacht) Das sind gefühlte 100 Jahre her! Es war eine spannende und lehrreiche Zeit, Pionierarbeit! Ich erinnere mich gerne daran, beispielsweise an die coolen Sendungen zum Gurtenfestival 1998.
Erzählen Sie uns doch ein Müsterli dazu.
Ich, ein völliges Greenhorn in Sachen Live-Moderation: Das Interview mit Herbert Grönemeyer war speziell eindrücklich. Dieser Mensch ist ganz einfach eine Wucht! Sein PR-Drachen – die Frau war am Rande eines Nervenzusammenbruchs – hätte mich allerdings beinahe erwürgt, weil ich die Interviewzeit mit ihm massiv überzogen hatte. Auch die Sendungen mit Steve Lee von Gotthard oder den schrägen Vögeln von Rammstein sind einzigartige Erinnerungen. Meine Medientätigkeit führte mich danach zu RTL/Pro7 Schweiz und schliesslich zum Schweizer Fernsehen. Ohne diese vielfältigen Erfahrungen in der Medienbranche stünde ich mit meiner Malerei nicht da, wo ich heute bin.
Einige Leserinnen und Leser werden sich fragen: «Woher kenne ich sie?»
Sie sind eine erfolgreiche Malerin, stellen inzwischen in Berlin oder sogar in China aus. Zurück zu den Wurzeln: Wann hat sich die Malerin in Ihnen geregt, und wie?
Sobald ich Farbe in und an die Hände bekam… Fragen Sie meine Mutter nicht, wie mein Kinderzimmer aussah, phuuh! Mein kreatives Chaos war ein Dauerbrenner. Im Ernst, was viele ihrem Tagebuch anvertrauen, pinselte ich schon in jungen Jahren auf alle erdenklichen und unmöglichen Malgründe. Bald wurde das Malen eine Notwendigkeit, mein Ventil. Ich entdeckte, dass ich mit dem Pinsel mein Innerstes, meine Emotionen, Themen, die mich bewegten, differenzierter ausdrücken und verarbeiten konnte als mit Worten. Für mich ist die heute sehr intensive Beschäftigung mit der Malerei die logische Folge meiner persönlichen Entwicklung, vor allem in Sachen Kommunikation. War die Arbeit als TV-Journalistin die fordernde, laute aber oft auch oberflächliche Art der Kommunikation, ist die Malerei eine leise, subtile Form mit Tiefgang. Nicht dass ich nun verbal verstummt wäre (mit Schalk in den Augen), ich kann immer noch ziemlich laut werden.Heute leben Sie von der Malerei, bei vielen bekannten Leuten hängt ein «Karin Frank». Wann haben Sie diesen Übergang vollzogen?
Wenn die Realität die Intuition bestätigt, ist die Zeit reif. Das war 2007/08. Die Lust am Malen war riesig, ich klebte förmlich an der Leinwand und gleichzeitig wurde meine «annodazumal» grösste Ausstellung in einer Berner Galerie ein voller Erfolg. Auch das Kulturprozent der Migros Aare kaufte einige Werke an, die seither auf dem Gurten hängen. Das war der Moment, alles stimmte und fühlte sich total richtig an! Und tut es glücklicherweise heute noch. Ich tu’ das, was mir Spass macht. Ein echtes Privileg! Zudem hatte ich das grosse Glück, dass mich vor drei Jahren eine Galerie aus Berlin für eine Zusammenarbeit anfragte. Diese kann mir nun für die grossen internationalen Messen Tür und Tor öffnen.
Wenn man Ihre letzte grosse Ausstellung in der Galerie Kunstreich in Bern gesehen hat, fällt auf, dass Sie eine neue Technik anwenden, Malerei in Zusammenhang mit Fotos. Wieso das?
Ich hatte Lust auf Neues und Spass an der Herausforderung. Will man im Ausdruck weiterkommen, ist künstlerische Entwicklung essentiell. Die ewig gleichen blauen Quadrate auf rotem Grund? Nicht so mein Ding. Die Kreativität lässt viel Raum, um immer wieder experimentierfreudig und mutig vorwärts zu gehen und neue Bereiche zu entdecken und dabei die eigene Handschrift weiterzuentwickeln. Ursprünglich bloss als Inspirationsquelle für meine Malerei gedacht, fotografiere ich seit über 10 Jahren «Vertikalen». Türen, Mauerfragmente, Fenster, Affichen etc. Authentische Zeitzeugen, Sinnbilder von Hoffnung, Zerfall, Aufbruch, Tradition, Alltagsmief, Originalität. Durch die Publikation einiger dieser Fotos in einem Magazin bekam ich spontan Lust, diese Bilder in meine Malerei zu integrieren. Kein Spaziergang, wie sich herausstellte (zieht die rechte Augenbraue hoch). Obwohl es oft ein schwieriger Prozess war, diesen fotografierten Wirklichkeiten mit meiner abstrakten Ausdrucksweise zu begegnen, ist für mich diese Liaison von Fotografie und Malerei eine knisternde und erfüllende Art und Weise, meine Grenzen als Malerin kennenzulernen.
Sie stehen allerdings nicht nur alleine im Atelier, sondern bieten Kurse und Team-Workshops an.
Ja, und das extrem gern. Egal in welcher Branche: Kreativität ist ein wichtiges Puzzleteil für Erfolg. Und Kreativität bildet starke Teams. Meine angebotenen Team-Workshops richten sich primär an Teams aus Wirtschaft und Verwaltung. Mit Fokus auf ihre Zusammenarbeit jenseits bekannter Muster und Gewohnheiten malen sie gemeinsam ihr ganz persönliches Team-Werk, oder sie visualisieren ihre mitgebrachten Ideen, Visionen, Strategien. In einer lockeren Atelier-Atmosphäre kann sehr viel Wertvolles passieren. Das finde ich immer wieder beeindruckend. Ich male auch mit Gruppen von Menschen, die zusammen etwas Nachhaltiges erleben wollen, etwas mit hohem emotionalen Erinnerungswert. Das können ganze Familien sein, Fussballmannschaften oder einfach beste Freunde. Ein ganz persönliches Gruppen-Portrait auf Leinwand.
Schriftsteller kennen die Schreibblockade – können Sie jeden Tag «drauflos malen»?
Schön wärs! Inspiration ist auch bei uns Malern nichts Beständiges. Und Malerei, die «etwas zu sagen hat», lässt sich meist auch nicht «timen». Manchmal geht über längere Zeit einfach gar nichts. «Düreschnuufe, abefahre» und sich in Vertrauen üben: «’s chunnt scho wider…»
Wo und wann können Leserinnen und Leser der «ThunerseeLiebi» 2015 Ihre Werke besichtigen?
Öffentlich werden meine neuesten Werke in einer Einzelausstellung in der Art Galerie Murten zu sehen sein, vom 5. November bis zum 5. Dezember 2015 (www.art-galerie-murten.ch). Auf diese Ausstellung freu’ ich mich sehr. Bei Interesse und nach Voranmeldung können meine Werke natürlich auch in meinem Atelier besichtigt werden.
«Meine Team-Workshops richten sich primär an Teams aus Wirtschaft und Verwaltung.»