Helene Pflugshaupts Konzentration auf das Wesentliche
Helene Pflugshaupts Konzentration auf das Wesentliche
Im künstlerischen Schaffen von Helene Pflugshaupt ist der Mensch das Hauptthema. In ihrer Schaffenszeit hat sie viele ausdrucksstarke Porträts gemalt. Bevorzugt stellte sie Kinder, Kindergruppen und junge Frauen dar. Ihre Bilder zeigen einen klaren, harmonischen Aufbau mit wenigen reinen Farben. Eine Beschränkung auf Wesentliches und eine Verinnerlichung ihrer Aussage waren ihr wichtig. In einem langen Leben schuf sie ein grossartiges, unverwechselbares Werk.
Text: Hans Suter
Während der Bildhauer früher hauptsächlich Vorlagen für seine Plastiken skizzierte, entstanden ab 1987 eigenständige kreative Zeichnungen.
Ihre ernsthafte Malerei findet bald eine Anerkennung. Schon mit 21 Jahren wird sie in die Gesellschaft der Schweizerischen Malerinnen, Bildhauerinnen und Kunstgewerblerinnen aufgenommen. Später wird sie Ehrenmitglied dieser Gesellschaft. 1952 darf sie sich als eine von nur vier Schweizerinnen an der Ersten Internationalen Malerinnen-Ausstellung in Bozen (Italien) beteiligen. Regelmässig stellt sie an den Weihnachtsausstellungen in Thun und Bern aus. 1965 erhält sie von der Stadt Thun einen Auftrag für ein Wandgemälde im Schönau-Schulhaus. 1984 ehrt sie die Stadt Thun mit einer grossen Einzelausstellung zum 90. Ge-
burtstag. 1994 veranstaltet die Kunstkommission Steffisburg eine Gedenkausstellung zum 100. Geburtstag.
Als junge Frau tritt sie der Anthroposophischen Gesellschaft bei. Eingehend setzt sie sich mit der Farbenlehre und den Richtlinien zur Bildenden Kunst des Gründers der Anthroposophie auseinander. Sie lernt Rudolf Steiner sogar persönlich kennen und darf ihm einige Zeichnungen und Aquarelle vorlegen. Er ermuntert sie mit den Worten: «Machen Sie nur weiter so, liebes Fräulein Huber, es wird schon werden!» Während zehn Jahren ringt sie mit sich selbst, um völlig eigenständig zu werden. Sie schafft den Durchbruch. In einer langen Lebens- und Schaffenszeit entsteht ein grossartiges, ausdrucksstarkes Werk.
Hauptthema ist der Mensch. Die Künstlerin stellt vor allem Kinder, Kindergruppen und junge Frauen dar. Es entstehen viele ausdrucksstarke Porträts. Später deutet sie Gesichtszüge bewusst nur noch an oder lässt sie ganz weg. Der dargestellte Mensch blickt dadurch nicht mehr nach aussen, sondern gewissermassen nach innen. Nebenthemen sind Landschaften und Stillleben.
Die Gemälde von Helene Pflugshaupt sind harmonisch aufgebaut. Sie verwendet reine Farben, oft nur drei bis vier in einem Bild. Die Ölfarben trägt sie dünn, lasierend, in feinen Schichten auf. Wie im Leben beschränkt sie sich auch im künstlerischen Schaffen auf Wesentliches: Askese, Ordnung, Klarheit sind wichtige Lebens- und Schaffensprinzipien. Ihre unverwechselbare Kunst entspricht völlig ihrer starken Persönlichkeit. Vor bald 70 Jahren schrieb ein Kunstkritiker in der Neuen Zürcher Zeitung: «Ihre fraulich-beseelte Malerei, die Kraft der linearen Strenge und farblichen Vereinfachung trägt poetisches Gepräge.» Paul Leonhard Ganz, der erste Direktor des Kunstmuseums Thun, hält fest: «Über Helene Pflugshaupts feinfühligen Werken, die durch ihre Geschlossenheit überzeugen, liegt die Klarheit einer sorgsam erspürten inneren Richtlinie.» Und Peter Killer, der Autor der vor 20 Jahren erschienenen Monografie, schreibt: «In einem langen Leben hat Helene Pflugshaupt – weltverbunden in der Einsamkeit – ein Werk der Reife geschaffen, einer wahrhaftigen Innerlichkeit und überkonfessionellen Religiosität, das in der reichen Facettierung eine grosse Einheitlichkeit aufweist. Zusammengefasst wird es in erster Linie durch die spezifische Geistigkeit. Eine Geistigkeit, die sich mit dem Mittel der Farbmusikalität für uns sichtbar macht.»