Helene Pflugshaupts Konzentration auf das Wesentliche

Helene Pflugshaupts Konzentration auf das Wesentliche

Helene Pflugshaupts Konzentration auf das Wesentliche

Im künstlerischen Schaffen von Helene Pflugshaupt ist der Mensch das Hauptthema. In ihrer Schaffenszeit hat sie viele ausdrucksstarke Porträts gemalt. Bevorzugt stellte sie Kinder, Kindergruppen und junge Frauen dar. Ihre Bilder zeigen einen klaren, harmonischen Aufbau mit wenigen reinen Farben. Eine Beschränkung auf Wesentliches und eine Verinnerlichung ihrer Aussage waren ihr wichtig. In einem langen Leben schuf sie ein grossartiges, unverwechselbares Werk. 

Text: Hans Suter

Helene Pflugshaupt-Huber wird 1894 in Bern geboren und weiss schon als Jugendliche, dass sie Malerin werden will. Eine erste zeichnerische Ausbildung erhält sie in Bern bei Theodor Volmar, Adele Lilljeqvist und Ernst Linck. Mitten im Ersten Weltkrieg reist die junge, angehende Künstlerin nach München. Dort vervollkommnet sie ihre zeichnerische Ausbildung während zweier Semester im Privatunterricht bei Professor Simon Hollósy. Professor Hollósy ist an der Kunstakademie tätig. Frauen werden in dieser Zeit noch nicht zum akademischen Studium zugelassen. Zu ihrem grossen Bedauern wird ihr auch kein Unterricht im Malen erteilt. Zur Farbe kommt sie erst anschliessend im Selbststudium vor den Gemälden der Renaissancemaler in Florenz und Rom. 1926 heiratet sie Walter Pflugshaupt, Lehrer an der Rudolf-Steiner-Schule in Basel. Doch schon nach zwei Jahren verliert sie ihren Ehemann durch einen tragischen Unglücksfall. 1930 zieht sie nach Oberhofen, 1936 nach Faulensee. Dort steht sie während 22 Jahren in einer guten Beziehung mit der Dorfbevölkerung. Sie lädt Kinder in ihr Atelier ein, zeichnet, malt, bastelt, singt mit ihnen, übt Theaterstücke ein, die aufgeführt werden. Viele dieser Kinder bleiben zeitlebens mit ihr in dankbarem Kontakt verbunden. 1959 zieht sie nach Thun. In ihrer liebevoll eingerichteten Wohnung an der Gottfried-Keller-Strasse bleibt sie bis ins hohe Alter künstlerisch tätig. 1991 stirbt sie im Alter von 97 Jahren. 

Ihre ernsthafte Malerei findet bald eine Anerkennung. Schon mit 21 Jahren wird sie in die Gesellschaft der Schweizerischen Malerinnen, Bildhauerinnen und Kunstgewerblerinnen aufgenommen. Später wird sie Ehrenmitglied dieser Gesellschaft. 1952 darf sie sich als eine von nur vier Schweizerinnen an der Ersten Internationalen Malerinnen-Ausstellung in Bozen (Italien) beteiligen. Regelmässig stellt sie an den Weihnachtsausstellungen in Thun und Bern aus. 1965 erhält sie von der Stadt Thun einen Auftrag für ein Wandgemälde im Schönau-Schulhaus. 1984 ehrt sie die Stadt Thun mit einer grossen Einzelausstellung zum 90. Ge- burtstag. 1994 veranstaltet die Kunstkommission Steffisburg eine Gedenkausstellung zum 100. Geburtstag. 

Als junge Frau tritt sie der Anthroposophischen Gesellschaft bei. Eingehend setzt sie sich mit der Farbenlehre und den Richtlinien zur Bildenden Kunst des Gründers der Anthroposophie auseinander. Sie lernt Rudolf Steiner sogar persönlich kennen und darf ihm einige Zeichnungen und Aquarelle vorlegen. Er ermuntert sie mit den Worten: «Machen Sie nur weiter so, liebes Fräulein Huber, es wird schon werden!» Während zehn Jahren ringt sie mit sich selbst, um völlig eigenständig zu werden. Sie schafft den Durchbruch. In einer langen Lebens- und Schaffenszeit entsteht ein grossartiges, ausdrucksstarkes Werk. 

Hauptthema ist der Mensch. Die Künstlerin stellt vor allem Kinder, Kindergruppen und junge Frauen dar. Es entstehen viele ausdrucksstarke Porträts. Später deutet sie Gesichtszüge bewusst nur noch an oder lässt sie ganz weg. Der dargestellte Mensch blickt dadurch nicht mehr nach aussen, sondern gewissermassen nach innen. Nebenthemen sind Landschaften und Stillleben. 

Die Gemälde von Helene Pflugshaupt sind harmonisch aufgebaut. Sie verwendet reine Farben, oft nur drei bis vier in einem Bild. Die Ölfarben trägt sie dünn, lasierend, in feinen Schichten auf. Wie im Leben beschränkt sie sich auch im künstlerischen Schaffen auf Wesentliches: Askese, Ordnung, Klarheit sind wichtige Lebens- und Schaffensprinzipien. Ihre unverwechselbare Kunst entspricht völlig ihrer starken Persönlichkeit. Vor bald 70 Jahren schrieb ein Kunstkritiker in der Neuen Zürcher Zeitung: «Ihre fraulich-beseelte Malerei, die Kraft der linearen Strenge und farblichen Vereinfachung trägt poetisches Gepräge.» Paul Leonhard Ganz, der erste Direktor des Kunstmuseums Thun, hält fest: «Über Helene Pflugshaupts feinfühligen Werken, die durch ihre Geschlossenheit überzeugen, liegt die Klarheit einer sorgsam erspürten inneren Richtlinie.» Und Peter Killer, der Autor der vor 20 Jahren erschienenen Monografie, schreibt: «In einem langen Leben hat Helene Pflugshaupt – weltverbunden in der Einsamkeit – ein Werk der Reife geschaffen, einer wahrhaftigen Innerlichkeit und überkonfessionellen Religiosität, das in der reichen Facettierung eine grosse Einheitlichkeit aufweist. Zusammengefasst wird es in erster Linie durch die spezifische Geistigkeit. Eine Geistigkeit, die sich mit dem Mittel der Farbmusikalität für uns sichtbar macht.»

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