Ernst Schneider – ein origineller Thuner Töpfer, Bildhauer  und Zeichner

Ernst Schneider – ein origineller Thuner Töpfer, Bildhauer und Zeichner

Ernst Schneider – ein origineller Thuner Töpfer, Bildhauer und Zeichner

Neben seiner beruflichen Tätigkeit als Töpfer war Ernst Schneider in seiner Freizeit kreativ als Bildhauer und Zeichner tätig. Er schuf sich mit seinen originellen Ton- und Bronzeplastiken einen Namen, dessen Bekanntheit weit über die Region Thun-Steffisburg hinausreicht.

Text: Hans Suter

Ernst Schneider wurde am 27. Februar 1922 in seinem Heimatort Seftigen geboren, wo er auch die Schule besuchte. Schon als Kind zeichnete er gerne und gut. An seinem Schulweg wohnte und arbeitete ein Steinmetz, vor dessen Haus jeweils entsorgte Reste von Sandsteinen lagen. Einmal nahm der Knabe einen kleinen Sandsteinblock mit nach Hause und versuchte, mit Hammer und Meissel den schön geschnitzten Knauf an Vaters Spazierstock nachzubilden: den Löwen des Löwendenkmals von Luzern, das er auf einer Schulreise gesehen hatte und von dem er tief beeindruckt gewesen war. Nach diesem handwerklichen Erlebnis wusste er, dass er Bildhauer werden wollte. In einer Berufsberatung wurde ihm jedoch gesagt, dieser Beruf sei brotlos, er solle sein Zeichentalent nützen und Keramikmaler werden. 1937 trat er eine Lehrstelle in der Töpferei der Gebrüder Lanz im Gwatt an. Zur Lehre gehörte auch der Unterricht an der Gewerbeschule Thun. Der dort als Lehrer amtierende Steffisburger Kunstmaler Robert Schär erkannte die Modellierbegabung des Lehrlings und empfahl einen Ausbildungswechsel vom Keramiker zum Töpfer. Ernst Schneider folgte dem Rat und schloss seine Lehre erfolgreich mit dem Preis für die beste Lehrabschlussprüfung ab. In der Folge arbeitete er in Töpfereien im solothurnischen Aedermannsdorf, in Kiesen (im Jahre 1940 bei einem Tageslohn von sieben Franken für 10 Stunden Arbeit), in Uster und in Basel. Zusammen mit einem Freund besuchte er von Uster aus häufig Museen und kulturelle Anlässe in Zürich. 1943 bildete er sich an Abenden an der Kunstgewerbeschule Zürich weiter. Dann kehrte er in seine Heimat zurück. Er arbeitete nun während zweier Tage in einer Töpferei in Uetendorf, an den übrigen Tagen besuchte er die Kunstgewerbeschule in Bern, wo er im bekannten Bildhauer Marcel Perincioli einen ausgezeichneten Lehrer fand. 

1946 erkrankte Ernst Schneider schwer an Lungentuberkulose. Ein neunmonatiger Kur- aufenthalt in Davos und eine anschliessende, 18 Monate dauernde Nachbehandlung im Spital Thun wurden nötig. Durch seine Krankheit hatte er viel Zeit zum Lesen. Besonders das Buch «Der Mensch und seine Symbole» von C. G. Jung bedeutete ihm viel, und er befasste sich eingehend mit Yoga. Sein starker Wille und seine positive Einstellung ermöglichten schliesslich eine vollständige Genesung.  

1952 trat Ernst Schneider als Dreher in die Töpferei seiner Brüder Hans und Hermann in Seftigen ein. 1955 heiratete er Hedy Streun. 1956 wurde die Tochter Franziska, 1961 der Sohn Christoph geboren. 1958 wurde die Familie in Thun ansässig. Vier Jahre später, 1962, zog die Töpferei von Seftigen nach Steffisburg um, und Hans Schneider führte das Geschäft allein. Ernst war ein tüchtiger, fleissiger Arbeiter, doch empfand der künstlerisch talentierte Töpfer seine hauptberufliche, auf Produktion ausgerichtete Arbeit auf der Töpferscheibe als «statisch». Mehr und mehr wurde das freie bildnerische, das «dynamische» Gestalten in der Freizeit zu Hause wichtig, wo er kleine Plastiken aus Ton schuf. Diese Beschäftigung bereitete ihm grosse Freude. Er wollte wissen, wie seine Kunst beurteilt würde, und wandte sich in einem Schreiben an den damaligen Konservator des Kunstmuseums Thun, Dr. Paul Leonhard Ganz, der ihn daraufhin besuchte, um seine Arbeiten zu begutachten. Ganz gefiel die Originalität der vorgezeigten Werke und er versprach, Ernst Schneider bei der städtischen Kunstkommission zu empfehlen. Der Bildhauer durfte daraufhin im Jahre 1962 erstmals an der Weihnachtsausstellung im Kunstmuseum Thun teilnehmen, und in den folgenden Jahren beteiligte er sich regelmässig an diesem traditionellen Anlass. Bald fand er Liebhaber seiner Kunst und Käufer für seine Werke. Er war als Künstler in Thun anerkannt, von seinen Künstlerkollegen geschätzt, beim Publikum beliebt. Allmählich entstanden auch grössere Terrakotta-Plastiken, die er im Auftrag von Privatpersonen und öffentlichen Institutionen teilweise in Bronze giessen lassen konnte. So 1966 «Mutter und Kind» für den Neubau des Spitals Thun, 1967 «Der Wolkengucker» für das Schulhaus Allmendingen, 1974 «Sitzende Frau» für die Esther- Schüpbach-Stiftung in Steffisburg, 1975 «Knabe mit Krug» für das Schulheim «Sunneschyn» in Steffisburg und 1985 «Die Bremer Stadtmusikanten» für den Kindergarten Au, ebenfalls in Steffisburg. 

  Bim Fotograf, ohne Datum, Terrakotta, Höhe 29cm, Breite 17,5cm, Tiefe 9,5cm, Kunstsammlung Hans & Marlis Suter.

Ramseiers wei ga grase, ohne Datum, Terrakotta, Holz, Eisen, Höhe 44cm, Breite 18cm, Länge 41cm, Kunstsammlung Hans & Marlis Suter.

  Mutter und Kind, ohne Datum, Terrakotta, Höhe 38cm, Breite 20cm, Tiefe 36cm, Kunstsammlung Hans & Marlis Suter.

  Bim Fotograf, ohne Datum, Terrakotta, Höhe 29cm, Breite 17,5cm, Tiefe 9,5cm, Kunstsammlung Hans & Marlis Suter.

Ramseiers wei ga grase, ohne Datum, Terrakotta, Holz, Eisen, Höhe 44cm, Breite 18cm, Länge 41cm, Kunstsammlung Hans & Marlis Suter.

  Mutter und Kind, ohne Datum, Terrakotta, Höhe 38cm, Breite 20cm, Tiefe 36cm, Kunstsammlung Hans & Marlis Suter.

Ab 1987, nach seiner Pensionierung, wurde ihm das Zeichnen ebenso wichtig wie das Modellieren. Während der Bildhauer früher hauptsächlich Vorlagen für seine Plastiken skizzierte, entstanden nun eigenständige kreative Zeichnungen, zunächst kleinformatige, dann auch grössere: vor allem Frauenfiguren, die unschwer den dreidimensional arbeitenden Plastiker erkennen lassen. 

Dieses neu entdeckte Schaffen faszinierte den Künstler. Er begann, täglich mehrere Stunden lang zu zeichnen und gelangte zu verblüffenden Ergebnissen. Erste Umrisse entstanden mit dem Bleistift, dann folgten eine Grundierung des Blattes mit Pastellkreide und die souveräne Vollendung in Form von vielen feinen, dicht nebeneinander liegenden schwarzen Kugelschreiber- Strichen. 

In den Jahren 2000/2001 traten nach langer Zeit wiederum gesundheitliche Probleme auf. Ernst und Hedy Schneider waren dankbar, dass sie im Jahre 2000 ins Altersheim Falken in Thun ziehen konnten. Der Künstler fand sich bald mit der neuen Situation zurecht. Vom Balkon aus konnte er das Stockhorn und die Blümlisalp sehen, was ihn stets erfreute. Freude bereitete ihm zudem das Akkordeonspiel, das er in seiner Jugendzeit erlernt hatte und das er mitunter auch zur Freude der Mitbewohnerinnen und Mitbewohner im Altersheim ausübte. Doch künstlerisch arbeiten mochte er vorerst nicht mehr. Er beschäftigte sich wieder vermehrt mit Yoga, dachte über das Leben und dessen Sinn nach, las viel. Das Buch «Entdecke dich selbst» von Paul Brunton wurde für ihn in dieser Zeit wegweisend. 

2004 schliesslich verspürte er «einen unglaublichen Hunger, eine Sehnsucht, nochmals kreativ tätig zu sein». In einem eigentlichen Schaffensrausch entstanden von 2004 bis 2007 – in einer Art Rückschau auf sein Œuvre – rund 250 Pastellzeichnungen, die ihm ein tiefes Glücksgefühl vermittelten. In ihnen manifestiert sich die rote Linie seiner konsequenten künstlerischen Entwicklung. Diese letzten Pastellzeichnungen wurden zu einem Vermächtnis. Er schenkte sie seinen vier innig geliebten Enkelkindern. 

Während der Bildhauer früher hauptsächlich Vorlagen für seine Plastiken skizzierte, entstanden ab 1987 eigenständige kreative Zeichnungen.

2007 verfasste er eine 34 Seiten lange, eindrückliche Selbstbiografie. 2009 wurde ihm noch eine letzte verdiente Ehrung seines Schaffens zuteil: die Eingliederung von 13 Tonplastiken aus der Sammlung von Hans und Marlis Suter in die Ausstellung «Hommage à la Romandie» im Wichterheergut Oberhofen am Thunersee. Immer wieder besuchte er diese Ausstellung mit Freunden und Bekannten. 

Die Familie bedeutete dem Künstler viel. Hier fand er Halt, Unterstützung, Umsorgung und Geborgenheit. Aber auch er war stets für die Familie da. Seine Enkelkinder verehrten ihn. Am 24. September 2010 starb er im 89. Altersjahr im Altersheim Falken in Thun.  

Ernst Schneider war nicht nur ein tüchtiger Töpfer und origineller Bildhauer, sondern auch ein bescheidener, aufrechter und liebenswürdiger Mensch, der seine beiden Berufe in einem langen Leben pflichtbewusst und erfolgreich ausgeübt hat. 

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