Dem Holz Respekt zollen
Dem Holz Respekt zollen
Der respektvolle, künstlerische Umgang mit Holz bringt Roland Peter Müller einen Ausgleich zum Berufsalltag. An seiner ersten Ausstellung im Mai will er sich mit dem Publikum und anderen Kunstschaffenden austauschen.
Text & Fotos: Julia Spahr
Während der Bildhauer früher hauptsächlich Vorlagen für seine Plastiken skizzierte, entstanden ab 1987 eigenständige kreative Zeichnungen.
Ehrfurcht vor dem Material
«Vielleicht habe ich die Liebe zum Holz in den Genen», sagt Roland Peter Müller und nimmt Bezug auf seinen Grossvater väterlicherseits, der als Drechsler sein Leben ebenfalls der Arbeit mit Holz verschrieben hat. Anders als sein Vorfahr hat Müller aber nicht beruflich mit Holz zu tun. Sein Werdegang führte ihn in technischere Bereiche und eher zu anderen Materialien. Nach der Handelsschule machte er eine Ausbildung zum technischen Lüftungszeichner und heute arbeitet er als technischer Kaufmann. Neben dem Beruf war er aber stets auf der Suche nach einem Ausgleich. «Ich wollte meine kreative Seite ausleben und versuchte einen Weg zu finden, mich künstlerisch auszudrücken.» Da er damals, vor zwanzig Jahren, als dieser Wunsch immer stärker wurde, in einer Metallbaufirma tätig war, begann er sich künstlerisch zunächst mit Metall auseinanderzusetzen. Schnell merkte er jedoch, dass ihm die Arbeit mit Holz besser gefallen würde. Etwas später richtete er sich im Haus in Aeschiried, wo er wohnt, ein Atelier ein, wo er das von einem Bekannten angelieferte Holz aus der Region in seiner Freizeit zu Skulpturen verarbeitet.
«Ich liebe Bäume über alles», sagt er. Grosse Ehrfurcht habe er besonders vor den Stämmen, die über Jahrzehnte heranwachsen und jeglichen Umwelteinflüssen trotzen. In seiner Arbeit möchte er diese Ehrfurcht ausdrücken und dem Material seinen Respekt entgegenbringen. Er wählt deshalb eine Technik, bei der das Holz «lebendig» gelassen wird: Einige Skulpturen entstehen aus einem ganzen Baumstamm heraus und seine ursprüngliche Form ist im Endprodukt noch erkennbar. Auch bei anderen Stücken zerteilt er das Holz nicht, um es danach zu verleimen. Bei seinen Herz-, Lippen- oder Schuhskulpturen behält er die ursprüngliche Struktur des Holzes bei und bearbeitet den Rohstoff nass. Das hat zur Folge, dass sich die Struktur während des Prozesses des Trocknens verändert und Risse und Spalten entstehen. Das sei aber gerade das Schöne, sagt Müller, eine Skulptur wäre nicht dieselbe ohne die natürlichen Verfurchungen, die aus dem Holz selbst heraus entstehen. So wird ein als ganzes angedachtes Herz beispielsweise zu einem zerrissenen, gebrochenen Herzen. Der Prozess dauert aufgrund dieser Arbeitsweise viel länger. Eine Skulptur ist erst abgeschlossen, wenn auch der Prozess der Trocknung beendet ist und das kann bis zu zwei Jahren dauern. Die neu entstandenen Spalten und Risse arbeitet Müller jeweils heraus, indem er sie reinigt und nachzieht, um sie sauber aussehen zu lassen und eben – um dem Holz Respekt zu zollen.
Werke, die rundum beflügeln
«Ich gebe mein Innerstes in diese Skulpturen und schaffe aus einem tiefen Impuls heraus», sagt Müller. «Mit meinen Werken möchte ich andere Menschen erreichen, aber alle sollen etwas Eigenes in den Stücken erkennen, sie sollen davon berührt und rundum beflügelt werden.» Es freut ihn deshalb besonders, dass er sein Werk bald einem breiteren Publikum vorstellen kann. Seit Januar 2015 ist er Mitglied des «bkbeo – Verein Bildender Künstler Berner Oberland» und zusammen mit anderen Kunstschaffenden aus diesem Verein stellt er seine Skulpturen diesen Mai im Stadthaus Unterseen aus. Im Herbst ist zudem eine Ausstellung mit seinen Werken in der Bibliothek Spiez geplant. Müller ist gespannt auf die Reaktionen: «Natürlich können meine Arbeiten nicht allen gefallen», sagt er, er wolle aber nicht provozieren und politische Ziele verfolge er auch keine. An der Ausstellung werde sich zeigen, wie seine Werke ankommen.
«Ich freue mich jedenfalls sehr auf die Rückmeldungen der Besucher sowie auf die Interaktion mit den anderen Künstlern.» Dadurch komme er in seiner Arbeit Schritt für Schritt weiter, was ihn besonders freue und motiviere, weiterhin kreativ tätig zu sein.
So wird ein als ganzes angedachtes Herz zu einem zerrissenen, gebrochenen Herzen.