Kurt Siegenthaler: «Ich weiss nicht, was Kunst ist»
Kurt Siegenthaler: «Ich weiss nicht, was Kunst ist»
Kurt Siegenthaler ist stetig auf der Suche nach seiner malerischen Ausdrucksform, sei es in der Zeichnung, der Acrylmalerei oder der Collage. Auch das Aquarell und der Linolschnitt sind neue Möglichkeiten seiner Bildgestaltung.
Text: Alice Stadler, Bilder: Luca Däppen, Alice Stadler, zvg
Während der Bildhauer früher hauptsächlich Vorlagen für seine Plastiken skizzierte, entstanden ab 1987 eigenständige kreative Zeichnungen.
Parallel zum Studium der Innenarchitektur an der Schule für Gestaltung Basel besuchte Kurt Siegenthaler Kurse im Zeichnen und bildnerischen Gestalten. Dort wurde das Fundament gelegt für seine Leidenschaft: die Malerei und das Zeichnen. Rückblickend, so sagt er, habe er auch das Glück gehabt, immer eine Teilzeitstelle auf seinem Beruf zu finden – eine Ausnahme in den Siebzigern. In seiner restlichen Zeit widmete er sich seiner künstlerischen Tätigkeit. Die ersten Motive waren Landschaften im Emmental, im Seeland oder in der näheren Umgebung des gebürtigen Einigers.
Schon bald wurde das Zeichnen zur Routine – so wandte er sich auch der Kreide, den Aquarell-, Gouache- und Acrylfarben und vor allem der Collage zu. Mit jeder neuen Technik kamen neue Erfahrungen hinzu. In der Pandemie entdeckte Siegenthaler das Hochdruckverfahren Linolschnitt wieder. Ein Negativbild wird dabei auf die Linoleumplatte geschnitzt und dann durch ein Druckverfahren beispielsweise auf Papier gedruckt. Der Reiz liege nicht nur in der benötigten Handfertigkeit für die Druckplatte, sondern gerade auch im Unwissen über das Endprodukt. Die Spannung, ob der Abzug gelingt oder der Druck satt und gleichmässig ausfällt, hält bis zum Schluss an. Diese unklaren Aussichten bevorzugt der Künstler. Sie lassen sich in seiner Landschaftsmalerei wiederfinden, in der kräftige Pinselstriche das Blatt strukturieren und eine Landschaft erahnen lassen, ohne eindeutig zu sein. Das Zeichnen wurde zur Übung, das Malen zur Entfaltung. Denn: «Zeichnen ist Striche ziehen, Malen ist Fläche kreieren.» Das Malen mit dem flächigen Auftragen der Farbe, der Option, ein misslungenes Werk mit neuen Pinselstrichen zu übermalen und eine neue Realität zu kreieren, die die Betrachtenden durch die Annäherung an die Realität an bekannte Landschaften erinnern lässt, ist noch heute seine bevorzugte Maltechnik. Seine Werke stellen grossenteils Fantasielandschaften dar, sind jedoch immer inspiriert von einem inneren Bild, einer Impression aus der Realität, das in eine neue Bildrealität umgesetzt wird. Einmal auf die Collagen gekommen, konnte heute 76-Jährigen nicht mehr von ihnen lassen. Zu den flächigen, groben Pinselstrichen gesellt sich neues Material – Papierstücke. Die Malerei gibt den angeordneten Papierstücken Tiefe und Lebendigkeit. Während das Zeichnen von ihm als Übung angesehen wird, die es zum Ziel hat, abzubilden, kombiniert die Collage seine Freiheitsliebe für die Kreierung von Fantasielandschaften mit einem etwas stärkeren handwerklichen und technischen Aspekt, indem die Papierstücke im entstehenden Bild platziert werden. Das Übermalen – die Freiheit und Gewissheit zu haben, auf ein und demselben Bild immer wieder Neues schaffen zu können – bildet den grössten Anreiz der Malerei und auch der Collage.
Auf seiner bisherigen künstlerischen Lebensreise hat der 76-Jährige so einige kleine Projekte realisiert, nicht zuletzt aufgrund seiner stetigen Suche nach neuer Inspiration und neuen Methoden. So kam es, dass er unter anderem ein Buch mit dem Titel «An der Aare entlang» herausgegeben hat, in dem er verschiedene Standorte an der Aare in Skizzen festgehalten hat. Ein anderes Projekt war, eine kleine Sammlung von Skizzen der Stadt Thun anzufertigen und daraus ein Buch zu kreieren. «Es ist sehr schön, ein fertiges Projekt in den Händen halten zu können.» Wiederum ein anderes Projekt, diesmal eines im persönlichen Rahmen, war die Illustrierung von Wilhelm Müllers Gedichtzyklus «Winterreise» – besonders bekannt durch die Vertonung von Franz Schubert –, wobei Siegenthaler zu jedem Gedicht eine farbige Kreidezeichnung erstellt hat. Besonders war auch die Zeit, als er von 1997 bis 2020 in der Mönchsstrasse 8 in Thun ein Atelier unterhielt. Ein Atelier, das er nutzte, um seine Werke auszustellen, um Werke zu kreieren und um Kurse anzubieten. «Das war eine inspirierende Zeit, in der ich beispielsweise Bauernhöfe in der Umgebung anfragte, um einen Tag lang vor Ort mit der angemeldeten Gruppe skizzieren zu dürfen.» Zu den weiteren inspirierenden Unternehmungen dieser Zeit gehören auch die Atelierausstellungen, die er mit seinem Malerfreund Stefan Werthmüller veranstaltete. Etwas wehmütig gibt Siegenthaler zu, dass es schon schön gewesen sei, seine Malutensilien ausgebreitet liegen lassen zu können und Platz zum Malen zu haben. Und trotzdem findet er an seinem aktuellen Wirkungsort bei sich zu Hause alles, was er heute für seine Kunst benötigt.
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Kurt Siegenthaler