Rita Zurbuchen: Kaschmirziegen, Wolle und Designlabel

Rita Zurbuchen: Kaschmirziegen, Wolle und Designlabel

Rita Zurbuchen: Kaschmirziegen, Wolle und Designlabel

Rita Zurbuchen ist Architektin, Designerin, Kunsthandwerkerin und Ziegenhalterin. Eine ebenso bunte Mischung ist ihre fünfköpfige Kaschmirziegenherde, durch die sie nicht nur zur Ruhe kommt, sondern aus deren Wolle sie auch kreative Designs entwirft. 

Text: Barbara Zanetti, Bilder: Rita Zurbuchen

Kaum erhebt Rita Zurbuchen ihre Stimme, regt es sich im kleinen Ställchen auf der grossen Weide, die von verschiedenen Bäumen und Büschen gesäumt ist. Eine Ziege nach der andern, fünf an der Zahl, kommt hervor und trippelt eilig an den Elektrozaun. Auf dem Weg zum Stall nehmen sie überall, wo es möglich ist, ein Maul voll Zweige oder Gräser, auch eine schön erblühte Rose scheint zu munden. Die Kaschmirziegen sind neugierig und intelligent, sensibel und sauber. Sie wirken stolz und binden sich dennoch eng an Menschen. Die Herde besteht aus Mey, der Leitgeiss und Chefin im Stall, aus Lou mit der schönsten Wolle und langem Deckhaar, aus Lynn, dem Schlitzohr mit dem wirklichen Schlitz im Ohr, die gerne mit der Mütze von Rita Zurbuchen spielt, und aus der scheuen und sensiblen Minna. Miro heisst der anhängliche und verschmuste Bock. Er hält die Herde auf den Spaziergängen zusammen. Diese Waldspaziergänge liebt Rita Zurbuchen über alles. Nur auf Vertrauensbasis, ohne Treibhund, Leine oder Leckerbissen führt sie die Ziegen eine bis eineinhalb Stunden durch den Wald, wo die Ziegen ihr «Zvieri» an Stauden und Ästen und in Blumen und Gräsern finden. Es fühlt sich an, wie wenn Rita Zurbuchen auch ein Teil der Herde wäre. Der Keim für die innige Liebe zu Ziegen wurde schon in ihrer Kindheit gelegt. Ihr Grossvater kaufte ein Gitzi, um die Milch seiner Kühe für die Mast zu gebrauchen. Als kleines Mädchen durfte sie das Gitzi namens Chrigel tränken und auf der Wiese mit ihm um die Wette rennen.  Es war nicht der Wunsch von ihr, gerade Kaschmirziegen zu halten, jedoch ergab es sich aus einer Notsituation heraus. 2015 lernte Rita Zurbuchen ihre späteren Ziegen bei einer Familie kennen, die keinen geeigneten Stall besass. Kurzerhand bot sich Rita als Schlummermutter für die fünf Tiere an. Damit die Ziegen genügend Platz haben, wurde der Kuhstall im Haus ihrer Grossmutter umgebaut. Vier Jahre später zogen die Ziegen dort für immer ein, weil es der Besitzerin nicht mehr möglich war, sie zu halten, und diese ansonsten dem Metzger anheimgefallen wären. Eine Patenschaft wurde sogleich eingerichtet, die verschiedene Arbeiten wie das Reparieren und Bauen von Zäunen oder das Ausmähen der Weide ermöglicht. Paten und Patinnen können in mehreren Einsätzen pro Jahr ihren Beitrag leisten, und trotz der anstrengenden Arbeit herrscht eine gute Stimmung. Rita Zurbuchen und ihre Ziegen sind der Patenschaft sehr dankbar, ohne diese wäre nur weniges möglich. Interessierte dürfen sich gerne melden.  Rita Zurbuchen selbst lernte viel über das Halten von Ziegen während eines Kurses im benachbarten Inforama. Sie weiss ihre Vierbeiner zu schätzen – nicht zuletzt, weil diese dem grossen Haus etwas Leben einhauchen. So verbringt sie täglich viel Zeit mit ihnen, sei es rein um des Zusammenseins willen oder verbunden mit zu erledigenden Arbeiten. Durch die Ziegen sei ihr Leben auch ruhiger geworden, sie bilden den Ausgleich zur hektischen Arbeitswelt.


Wolle

Was die Kaschmirziegen von den Schweizer Ziegenrassen unterscheidet, ist ihr langes Fell, von dem eine feine, warme Unterwolle gewonnen werden kann. Die Fellpflege bildet darum einen wichtigen Bestandteil der Pflege der Tiere. Das Kämmen braucht viel Zeit. Im Sommer wird einmal die Woche gekämmt, im Winterhalbjahr zwei- bis dreimal wöchentlich, jeweils für eine bis eineinhalb Stunden. Ein Augenmerk gilt es auch auf das Wetter zu halten, sollten doch die Ziegen nicht nass werden, weil sich sonst unerwünschte Rastalocken ergeben. Anschliessend säubert Rita Zurbuchen die gekämmten Haare von Hand, um etwaige Partikel wie Stroh, Heu, Büschel des Deckhaares usw. zu entfernen. Eine zeitintensive Tätigkeit, die sie im Winter mit Kriminalfilmeschauen verbindet. Zudem ist Rita Zurbuchen Mitglied des Vereines Alpine Cashmere Association, dessen Präsident Alexander Grädel auch der Geschäftsleiter der Spycher Handwerk AG in Huttwil ist. Der Verein kümmert sich um die ganze Verarbeitung der Wolle wie waschen, karden und spinnen. Wie bei der Chästeilet erhält jede Person anteilsmässig zur eingeschickten Wolle die entsprechende Menge Garn zum Preis der Verarbeitung.


Designlabel

Ein Experiment, das Rita Zurbuchen 2017, noch vor der Übernahme der Ziegen, begonnen hat, ist ihr Designlabel. Als Architektin liegt ihr sowohl das Handwerk als auch das Design sehr nahe, jedoch ist es eine sehr theoretische Arbeit, die aus Planung, Organisation und Durchführung besteht. Als Ergänzung dazu gründete sie das Designlabel SOLBÆR. Hier nun schlägt ihr Herz in der Umsetzung und Ausführung ihrer Ideen. Von ihrer handwerklich begabten Mutter wurde sie diesbezüglich geprägt und hat ein Händchen entwickelt für die handwerkliche Umsetzung. Der Prozess des Herstellens und des Herausfindens, wie etwas funktioniert, fasziniert Rita Zurbuchen. Die Wahl des Materials und die Qualität der handwerklichen Arbeit stehen im Zentrum. Das Fachwissen dazu hat sie sich in ihrer Ausbildung zur Architektin und in verschiedenen Nähkursen angeeignet. Seit Längerem lernt sie das Drechseln bei einem Bekannten, der es noch in seiner ursprünglichen Form in der Berufslehre gelernt hat. Ihr Arbeitsraum – die «Budigg» ihres Urgrossvaters, der Schreiner war – ist einer ihrer liebsten Räume im grossen, alten Bauernhaus, in dem sie lebt.  Anfänglich besuchte sie viele Designausstellungen mit verschiedenen Objekten. Diese und der angeregte Austausch unter Gleichgesinnten wurden zur Inspiration. Es ging eine neue Welt auf. SOLBÆR – ein Name, der auf Anhieb fremd wirkt, geheimnisvoll. Schwarze Johannisbeere bedeutet er in der norwegischen Sprache, die sie während eines Aufenthalts im Land gelernt hatte. Für Rita Zurbuchen ist nicht nur die Bedeutung eines Wortes wichtig, sondern auch sein Erscheinungsbild, die Ästhetik. Zudem war ihr wichtig, dass der Labelname offen ist für alle möglichen Materialien und Produkte.  Die entstandenen Objekte sind schlicht, reduziert in Form und Farbwahl, ganz nach dem Motto: Weniger ist mehr. Als Beispiele seien genannt der Hüftmantel ULL aus Walkstoff, 100 Prozent Wolle, frei verstellbar, auch zum Tragen als Cape oder Schal. Oder die Tasche SKO: robust, leicht, wasserabweisend, waschbar, geeignet für die Schuhe, das Bikini oder für die Ordnung im Koffer. Sie besteht aus weitgeflogenem Gleitschirmstoff – eine Spezialausgabe bestand sogar aus dem Wettkampfgleitschirm von Christian Maurer. Neu sind Produkte aus Kaschmirwolle am Entstehen. Es freut sie besonders, die Wolle der eigenen Ziegen verarbeiten und die Produkte zum Verkauf anbieten zu können.


Kontakt
Rita Zureichen
Hondrich 

Telefon: 079 267 45 44 

www.solbaer.ch 

Instagram: solbaer.ch 

info@solbaer.ch


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