Glockengiesserei Gusset: Aus Höllenfeuer zu himmlischen Klängen

Glockengiesserei Gusset: Aus Höllenfeuer zu himmlischen Klängen

Glockengiesserei Gusset: Aus Höllenfeuer zu himmlischen Klängen

Glocken haben nicht nur einen himmlischen Klang, sondern dienen auch zur Bestimmung der Uhrzeit. Der aufwendige Herstellungsprozess hat sich über die Jahrhunderte kaum verändert. Die beiden Brüder Peter und Hans Gusset haben das Wissen um den perfekten Guss, wird es doch in ihrer Familie seit Generationen weitergegeben.

Text & Fotos: Christine Hunkeler

In Uetendorf wurden circa 1820 die ersten Glocken von Abraham Gusset (1779–1844) gegossen. Ursprünglich stammte die Familie aus Frankreich und gehörte dort zu den umherziehenden Gewerbetreibenden wie den Kupferschmieden, Kesselflickern, Messerschmieden usw. Peter und Hans Gusset führen den Betrieb seit 31 Jahren und in der achten Generation – die lange Tradition von diesem schönen Handwerk bleibt so erhalten. Die neunte Generation, die Nichte der beiden Brüder, Joëlle Gusset, ist in den Betrieb bereits eingestiegen, doch wegen des vorübergehenden Auftragsmangels infolge der Pandemiemassnahmen Ende 2020 wieder ausgestiegen. Obwohl sie sich für das Handwerk des Glockengiessens begeistert, ist sie zurück auf ihren früheren Job als Köchin. Ob es für immer sein wird, wird sich im Laufe der Zeit zeigen.

Bei der Glockengiesserei Gusset kann aus über 50 verschiedenen Glockenmodellen die gewünschte Glocke ausgewählt werden. Zum Teil sind die Modelle über 100 Jahre alt und bestehen noch aus Blei oder sogar aus Holz. Der Vater von Peter und Hans Gusset war gelernter Modellschreiner und hat selbst verschiedene Modelle konstruiert. Je nach Modell variiert der Ton der Glocke – von Bass, über Halbbass, Halbhoch, Hochton bis hin zu Übertöner.

Nachdem ein Glockenmodell ausgewählt wurde, wird dieses im Atelier in Uetendorf mit einem quarzhaltigen Natursand geformt. Der Sand wird ausschliesslich mit Wasser und ohne Chemikalien aufbereitet. Je nach Modell wird passend ein zweiteiliger Formkasten ausgesucht und mit Talkum, einem Mineral aus Magnesiumsilikat, bestäubt, damit der feuchte Sand am Modell nicht haften bleibt. Im nächsten Arbeitsschritt wird der grössere Teil des Formkastens über das Modell gegeben und Stück für Stück mit Sand aufgefüllt. Fast zuoberst angekommen, wird in die Aussparung im Modell die Riemenhaltung (der Lätsch) eingesetzt, an dem später der gewünschte Riemen für die Glocke angebunden wird.

Für das Aufformen des Kernstücks wird eine Kernstütze verwendet, damit der auf dem Kopf hängende Kern beim Giessen nicht in das Mantelstück fällt. Danach wird der kleinere Teil des Formkastens aufgesetzt und die Glocke fertig aufgeformt. ­Darauf wird ein Einguss gemacht und Gusskanäle bis auf die Innenseite des Modells gestochen. Anschliessend kann der zweiteilige Formkasten für die Beschriftung der Glocke auseinandergenommen werden. Für die Beschriftung der Glocke werden verschiedene Stempel verwendet, die von Peter oder Hans Gusset vorsichtig in den Sand gedrückt werden. 

Um das Kernstück vorzubereiten, wird das Modell entfernt und die Einguss-Kanäle vergrössert, damit das Metall später schön fliessen kann. Sobald die beiden Teile der aufgeformten Glocke fertig sind, werden diese wieder zusammengefügt und zum Giessen bereitgestellt.  


Das Giessen der Glocke

Bei der Glockengiesserei Gusset werden zweimal pro Woche rund 70 neue Glocken gegossen. In aller Frühe feuert jeweils Hans Gusset den Schmelzofen an, damit die sogenannte Glockenspeise, die aus 80 Prozent Kupfer und 20 Prozent Zinn besteht, flüssig wird. Wenn die Gussmasse eine Temperatur von rund 1280 Grad Celsius erreicht hat, wird mit dem Guss begonnen. Die Glocke muss danach 15 bis 20 Minuten auskühlen, bevor sie aus der Sandform gelöst wird. Während dieser Zeit wird der Schmelzofen wieder mit Kupfer gefüllt, um die Restwärme zu nutzen.

Nun ist der Moment gekommen, an dem die fertige Glocke aus der Sandform gelöst und die Eingusskanäle abgeschlagen werden. Für Peter und Hans Gusset ist es immer noch jedes Mal ein spannender Prozess, hofft man doch, dass alle Glocken einwandfrei das höllische Feuer überlebt haben. Jede Sandform wird nur einmal benutzt, da sie beim Auspacken wieder zerstört wird. Dann werden die Überreste der Eingusslöcher abgestochen, die Kanten geschliffen und die Glocken zum Sandstrahlen an den Mitarbeiter Patrick Dietrich weitergereicht.

Mit einer Wasserwaage und viel Fingerspitzengefühl wird beim Abdrehen der Glocke der Lätsch gerichtet. Die Wappen und die Beschriftung werden vor dem Abdrehen geschliffen, damit diese schön glänzen. Anschliessend wird die Glocke in die Drehbank eingespannt und mit einer feinen Stahlbürste poliert. Um einen wunderschönen Glanz zu erhalten, wird im nächsten Arbeitsschritt die Glocke in den vorgesehenen Rillen abgedreht. Danach wird der passende Plämpel ausgesucht und eingesetzt. Die Plämpel oder Kallen werden zweimal im Jahr von den Gussets aus Messing gegossen.

Ganz am Schluss wird die Glocke mit Riemen in den verschiedensten Ausführungen für den neuen Besitzer vollendet. Im grossen Ausstellungsraum im oberen Stock der Glockengiesserei sind einfache und verzierte Riemen für Glocken und Treicheln ausgestellt. Ausser dem ursprünglichen Zweck als Herdengeläut sind die Glocken sehr beliebt als Ehrengaben, Geschenke für Geburtstage und Hochzeiten und vieles mehr. Zu den Kunden der Glockengiesserei Gusset gehören Landwirte, Vereine, Organisatoren von Schwingfesten, aber auch viele Private.

Kontakt
Glockengiesserei Gusset
Peter und Hans Gusset
Aegertenstrasse 24, 3661 Uetendorf
Telefon 033 345 12 09
glocken-gusset@bluewin.ch

www.glockengiesserei-gusset.ch


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