Naturapotheke – Bitter macht das Leben süss
Naturapotheke – Bitter macht das Leben süss
«Was bitter dem Mund – ist dem Magen gesund.» Diese alte Weisheit war schon Hippokrates bekannt, und auch Hildegard von Bingen legte im Mittelalter grossen Wert auf Bitterstoffpflanzen zu Heilzwecken wie auch in der Ernährung. In den früheren «Lebenselixieren» und auch im hochgelobten «Schwedenbitter» waren Bitterstoffe ebenso wichtig wie in der Ayurveda-Medizin des asiatischen Raumes.
Text: Peter Brechbühl | Fotos: zvg
Dieses Wissen ist in unserer modernen Zeit leider oftmals verloren gegangen. Da Bitterstoffe weitgehend aus unseren Lebensmitteln herausgezüchtet wurden, fehlen diese heutzutage oft. Die Folgen von mangelnden Bitterstoffen in der Ernährung sind Völlegefühl, schwer aufliegende Mahlzeiten, schlechte Verdauung, mangelnder Appetit, gestörte Fettverdauung und weniger Freude am Essen. Essstörungen sind in unseren hochzivilisierten Gesellschaften leider in verschiedenen Formen zur gesundheitsbedrohenden Realität geworden.
Wir essen zu viel, zu fettig, zu süss – und Süsses macht Appetit auf noch mehr Süsses. Bitterstoffe in unserer Ernährung können als natürliche Appetitbremse wirken. Bitterstoffe in der Nahrung können die Esslust regulieren und das Verlangen nach Süssem reduzieren. Zudem unterstützen Bitterstoffe den Säure-Basen-Haushalt und wirken so entschlackend. Bitterstoffe sind wärmend, auch im übertragenen Sinn – also nicht nur auf den Körper, sondern auch auf das Herz! Bitterstoffe wirken zudem blutbildend, da die Aufnahme von Eisen und Vitamin B12 gesteigert wird.
Lebensmittel
Die Natur bietet eine Reihe schmackhafter Nahrungsmittel mit bitterem Geschmack:
Artischocke, Rosenkohl, Löwenzahn, Rucola, Brüsseler Chicorée, Zuckerhut, Endivien und Grapefruit. Aber auch Gewürze mit bitterem Geschmack: Ingwer, Lorbeer, Majoran, Rosmarin, Thymian, Liebstöckel und Kerbel.
Es besteht weniger die Gefahr von Verstopfung, ohne dass die Bitterstoffe zu den Abführmitteln gehören.
Wirkungsweise der Bitterstoffe
Bitterstoffe werden auf der Zunge durch die Geschmacksknospen am Zungengrund wahrgenommen und lösen über das Gehirn eine Ausschüttung verschiedener Verdauungssäfte aus. Es wird mehr Magensaft und Gallensaft ausgeschüttet. Wie auch beim Anblick von leckeren Speisen nimmt im Mund der Speichelfluss zu. Die Schleimhäute des Verdauungsapparates werden befeuchtet und besser durchblutet.
Dies führt allgemein zu einer besseren Verdauung. Es gibt weniger Blähungen, da Gärungsprozesse vermindert werden, keine Fäulnis entsteht und die Entleerung des Magens beschleunigt wird. Die Darmperistaltik wird verbessert und es besteht auch weniger die Gefahr von Verstopfung – ohne dass die Bitterstoffe zu den Abführmitteln gehören.
Durch Bitterstoffe wird die Nahrungsaufnahme verbessert, weil Eiweiss, Kohlenhydrate und Fette besser verdaut werden. Der Cholesterin-Stoffwechsel wird reguliert. Gärungs- und Fäulnisprozesse im Darm werden stark vermindert. Bitterstoffe werden eingesetzt zur Darmsanierung, sowie auch gegen Darmparasiten. Somit wirken Bitterstoffe auch stärkend auf das Immunsystem und tragen zum allgemeinen Wohlbefinden bei. Wir stellen Ihnen folgende Heilpflanzen mit Bitterstoffen vor:
Artischocke (Cynara scolymus)
Feinschmecker geniessen die Artischockenböden (Blütenboden) als Gemüse – während der Heilkundige die grünen Blätter therapeutisch verwendet zur Anregung des Gallenflusses. Der Fettabbau wird verbessert und zugleich der Cholesterinspiegel reguliert. Artischocke kann helfen, ein Gleichgewicht zwischen Masslosigkeit und Verzicht zu finden.
Gelber Enzian (Gentiana lutea)
Auf kalkhaltigen Alpwiesen steht unübersehbar die üppige Enzianpflanze mit ihren gelben Blüten – wir verwenden die Wurzeln zu Heilzwecken. Enzian regt zu vermehrter Produktion der Magensäfte an, was zu einer besseren Eiweissverdauung führt. Enzian hilft bei starken Eindrücken und Erlebnissen, die «schwer zu verdauen» sind.
Hopfen (Humulus lupulus)
Der Hopfen gehört zu den Hanfgewächsen und ist eine der wenigen Schlingpflanzen unserer einheimischen Wälder. Zur Bierherstellung sowie zu Heilzwecken werden die Hopfenzapfen, also die Fruchtstände verwendet. Im Frühsommer werden die jungen Hopfentriebe gesammelt und als «Wildspargel» gegessen. Hopfen wirkt beruhigend, auch bei nervösen Magenbeschwerden. Anwendung auch in der Frauenmedizin, da Hopfen Phytohormone enthält. Hopfen kann einstimmend sein zu Entspannung und Regeneration.
Löwenzahn (Taraxacum officinale)
Als schmackhaftes Wildgemüse auf sauberen Wiesen werden die jungen Blätter gesammelt. Zu Heilzwecken ist die Wurzel von grosser Bedeutung. Löwenzahn gilt als «Waschpulver des Körpers», da entgiftend über die Leber und über die Nieren. Geeignet für Frühjahrs- oder Herbstkuren, bei Hautproblemen, zur Entgiftung auch nach Medikamenteneinnahme. Löwenzahn kann Stau im Energiefluss durch körperliche oder seelische Beschwerden lösen.
Mariendistel (Carduus marianus)
Eine Distel des Südens, welche sich auch bei uns ab und zu findet. Die wertvollen Wirkstoffe zu Heilzwecken finden sich in den reifen Samen. Mariendistel wirkt leberschützend und regenerierend auf bereits geschädigte Leberzellen. Zur Therapie und Prophylaxe bei Leberschäden (Alkohol, Umweltgifte, Medikamente). Mariendistel kann helfen bei fehlender Abgrenzung zum Schutz der Individualität.
Meisterwurz (Imperatoria ostruthium)
Alpenpflanze mit leuchtend weissen Dolden und dreiteiligen Blättern. Der Wurzelstock wird verwendet zur Magenstärkung, bei Schwächezuständen und bei verschiedensten Giftwirkungen auf den Körper. Bei Verdauungsbeschwerden und auch bei Verschleimung der Atemwege. Meisterwurz stärkt Magen und die «Mitte», bei Giftwirkungen auf körperlicher und seelischer Ebene.
Schafgarbe (Achillea millefolium)
Unauffällige Wiesenpflanze mit grossem Heilpotenzial! Aromatische und leicht bittere Heilpflanze mit krampflösender Wirkung auf Magen und Unterleibsorgane. Wundheilmittel mit leicht blutstillenden Eigenschaften. Schafgarbe kann helfen bei übermässiger Bescheidenheit und schlechtem Unterscheidungsvermögen.
Tausendgüldenkraut (Centaurium erythrea)
Eine selten gewordene einheimische Wildpflanze, da nur auf Magerwiesen anzutreffen. Bei Magenschwäche, Appetitlosigkeit, Verdauungsbeschwerden, begleitend bei Magersucht und Bulimie. Tausendgüldenkraut kann helfen, seine Instinkte und körperlichen Bedürfnisse in Einklang mit dem Seelischen zu bringen.
Wermut (Artemisia absinthium)
Fehlte in keinem Klostergarten, da neben seiner Bitterwirkung auch entspannend, gegen Darmparasiten wirksam und stärkend. Bei Appetitlosigkeit, Verdauungsbeschwerden und zur Stärkung bei psychovegetativen Schwächezuständen. Wermut weckt das Interesse am Leben, stärkt die Willenskraft und fördert Anteilnahme, Präsenz und Wachheit.
Einnahmeweise von Bitterstoffen
Bei Appetitlosigkeit werden Bitterstoffe 30 Minuten vor den Mahlzeiten eingenommen. Ist eine Förderung des Appetites nicht erwünscht, so werden Bitterstoffe unmittelbar vor oder nach dem Essen eingenommen.
Unser Tipp
Die Bitterstoff
Revolution Hannelore
Fischer-Reska Südwest Verlag
ISBN 978-3-641-04736-8