Naturapotheke – Mikroben –Wegbegleiter des Menschen

Naturapotheke – Mikroben –Wegbegleiter des Menschen

Naturapotheke – Mikroben –Wegbegleiter des Menschen

Zahlreiche Kleinstlebewesen residieren auf und im Menschen. Viele von ihnen sind nützlich, gar lebensnotwendig. Andere stellen den Körper vor grosse Herausforderungen. Heute weiss man, dass die Mikroben ihren Wirt, unseren Körper, in Balance halten. Doch es gibt viele Faktoren, die diese Balance stören. Wie können wir das verhindern?

Text: Rolf Wenger  |  Fotos: zvg

Die bekanntesten Kleinstlebewesen auf und in uns Menschen sind Viren, Bakterien und Pilze. Sie leben nicht nur zwischen den Körperzellen, sondern auch in ihnen drin. So beheimatet der Mensch ein Mehrfaches an Bakterien, als er Körperzellen hat, und nochmals mehr Viren. In allen Körperzellen lebt beispielsweise ein Bakterienabkömmling, genannt Mitochondrium. Die Mitochondrien gelten als Energiekraftwerke für die Zelle und davon sind durchschnittlich 1500 bis 2000 pro Zelle ansässig. Der Mensch besteht aus einem gigantischen Meer an Mikroben, durchwoben mit ein paar Körperzellen. Ein gewaltiges Ökosystem, in dem emsig danach gestrebt wird, die Harmonie aufrechtzuerhalten. Viren und Bakterien sind in erster Linie keine Eindringlinge, sondern Freunde und Helfer. Rund 99,8 Prozent der Mikroben nützen dem Menschen mehr, als sie ihm schaden. Und eine solche Armee kann grundsätzlich problemlos mit unwillkommenen Gästen umgehen. Daher gilt: Je mehr Mikroorganismen der Mensch beherbergt, desto gesünder ist er.


Gerät diese Symbiose aus dem Lot, merken wir das nicht nur in Form von körperlichen Symptomen, sondern auch an unserem Gemüt. 

Es braucht bestimmte Bakterien, damit unser Gehirn wächst. Andere Gattungen spalten die Nahrungsmittel auf, ohne die wir nicht leben könnten. Bacteroides überwachen unter anderem die Talgproduktion der Haut. Aber auch bei Übergewicht, Diabetes Typ 2 und Herz-Kreislauf-Erkrankungen besteht ein Ungleichgewicht an Darmbakterien. «Bakterien und Viren leben im Darm in Symbiose. Sie wirken zusammen, um Krankheiten erfolgreich abzuwehren», sagt Dr. rer. nat. Markus Blietz.

Gerät diese Symbiose aus dem Lot, merken wir das nicht nur in Form von körperlichen Symptomen, sondern auch an unserem Gemüt. Mikroben sind in der Lage, unser Denken und Verhalten zu beeinflussen. Bei einer Disbalance in der Darmflora steigt das Risiko für Depressionen deutlich an. Eine Überwucherung von Aspergillus, einem Schimmelpilz, macht aggressiv. Candida albicans fördert die Lust auf Süsses. Toxoplasmosen enthemmen, wir verlieren unseren gesunden Respekt. 

Die erste «Impfung» unseres Mikrobioms erhalten wir im Geburtskanal. Fehlt bei einem Kaiserschnitt diese mikrobielle Erstbesiedlung, so neigen diese Menschen später eher zu Asthma, Allergien und Übergewicht. Das Bakterium Helicobacter pylori kann nicht nur eine Magenschleimhautentzündung provozieren, sondern regelt auch den Verschluss zwischen Magen und Speiseröhre. 

Auch die Pflanzenwelt kommt ohne Mikroben nicht aus. Der Pilz Trichoderma harzianum erhöht die Widerstandskraft gegenüber Krankheiten und Umwelteinflüssen. Bacillus amyloliquefaciens fördert das Wurzelwachstum, wodurch Nährstoffaufnahme und Ernteertrag gesteigert werden. Viren gehen von einer Generation auf die andere über. Auch hier leben sie in Symbiose mit den Wirtspflanzen. Radieschen mit dem Gurkenmosaikvirus überstehen Frostnächte besser. Und selbst Trockenperioden werden dank bestimmter Viren besser überstanden. Wussten Sie schon, dass sogar Pollen ein je nach Pflanzenspezies unterschiedliches Mikrobiom aufweisen? Normalerweise schaden uns selbst stark virenbelastete Pflanzen wie Peperoni, Reis, Bohnen, Getreide usw. nicht. Im Gegenteil: Es gibt Viren, die kranke oder mutierte Darmbakterien befallen und diese zerstören. 90 Prozent der Viren im Darm bestehen aus diesen sogenannten Bakteriophagen. So gibt es bereits Länder, in denen anstelle von Antibiotika Kapseln voller Viren verordnet werden. Wenn es keine der kranken Bakterien mehr zu befallen gibt, sterben auch die Viren wieder ab.

Grippeviren trainieren in der Regel das Immunsystem. Ich konnte häufig beobachten, dass Menschen, die über Jahrzehnte nie Fieber gehabt haben, plötzlich sehr schwer erkrankten. Auch wenn eine Grippe für schwache Menschen eine grosse Herausforderung darstellt, so hilft sie den vitalen, länger gesund zu bleiben. Die Erforschung des Mikrobioms steckt noch in den Kinderschuhen. Zahlreiche Bakterien und Viren und deren Funktionen sind noch gänzlich unbekannt. Tatsache ist aber, dass es ohne Mikroben keinen Menschen, keine Pflanze und keinen Planeten Erde gäbe. Sie sind als Bausteine des Lebens zwingend erforderlich. Sie können untereinander kommunizieren und halten so die Biosphäre Mensch in Balance. Doch es gibt viele Faktoren, die diese Balance stören. Ausgelaugte Böden enthalten weniger Mikroben. Dr. Frederike Feil sagt: «Als Mensch können wir nie gesünder sein als der Boden, auf dem unsere Nahrung wächst.» 

Wachsen Kinder in hygienischen Topverhältnissen auf, entwickeln sie eher Allergien als solche, die auf dem Bauernhof gross geworden sind. Allergien können auch überhandnehmen, wenn auf der Haut Staphylococcus aureus Bakterien wuchern. Dreck ist gesund. Robuste Urvölker haben doppelt so viele Mikrobenarten wie wir. So sind zum Beispiel wichtige Treponema-Stämme bei uns gar nicht mehr zu finden. Desinfektionsmittel, Hygieneprodukte, Holzschutzmittel usw. geben vielen Mikroben gar nicht mehr die Chance, sich wieder aufbauen zu können. 

Sprossen, leicht selbst gemacht, sind ein Booster für unsere Gesundheit.

Normalerweise scheidet der Körper eine schädliche Last an Mikroben wieder aus, zum Beispiel durch die Atemluft. Nun werden aber viele dieser Mikroben in Gesichtsmasken aufgefangen. Das warmfeuchte Milieu ist eine wunderbare Brutstätte. Die Träger atmen dann die massiv erhöhte Mikrobenlast wieder ein. Das kann das Immunsystem nachhaltig stören.  Bewegungsarmut, einseitige Ernährung, Elektrosmog, Schwermetalle, E-Stoffe, Medikamente (auch Magensaftblocker, Antipsychotika und mehr), Pestizide, Aluminium, Mikroplastik usw. setzen den Mikroben zu. Selbst Zucker vernichtet wichtige Bakterien und fördert problematische Keime. All diese Killer sollten wir meiden wie der Teufel das Weihwasser. Das Massenvernichtungsmittel Antibiotika zerstört auch die Mitochondrien und kann damit noch schwerere Erkrankungen erzeugen, zum Beispiel Krebs. So wurde festgestellt, dass auf den Krebszellen nur noch eine geringe Anzahl Mikroben lebt und eine Unterstützung des Mikrobioms die Wirkung von Krebstherapien verbessert.

Würden wir der Selbstregulation nicht zu viele Steine in den Weg legen, könnten wir deutlich gesünder und länger leben. Das heisst konkret: frei atmen und in der Natur bewegen. Mehr Bio einkaufen – oder besser noch: Demeter. Weg von den Fertigprodukten hin zu artgerechter Ernährung mit einem anständigen Rohkostanteil. Alles, was gekocht ist, ist auch arm an wichtigen Mikroben. Küssen hingegen fördert das gemeinschaftliche Mikrobiom. Könnte es sein, dass erst der Mangel an Körperkontakt und getrennte Schlafzimmer Paare wirklich auseinanderleben lässt – weil sich so auch das Mikrobiom entfremdet hat? Eine Darmsanierung könnte also günstiger sein als eine Scheidung.

Sprossen, leicht selbst gemacht, sind ein Booster für unsere Gesundheit. Ballaststoffe wie Haferkleie, frisch geschrotete Leinsamen usw. sind Futter für unsere Darmbakterien und können damit das Darmkrebsrisiko um einen Drittel verringern. Fermentiertes Gemüse, sofern roh und nicht pasteurisiert oder erhitzt verzehrt, birgt Millionen gesunder Bakterien. Sauerkraut, Miso oder Kimchi kann die Bakterienvielfalt aufbauen. Auch Kefir oder der Sud aus Kombucha ist Balsam für unsere kleinen Helfer. Das Ferment vom Wasser-Kefir lässt sich wie Sekt mit ein paar rohen Nüssen als Aperitif geniessen. Je mehr wir unser Mikrobiom hegen und pflegen, desto weniger Raum bleibt für unliebsame Gäste. Und wenn das nicht reicht? Wie können wir die Balance wiederherstellen? 

Das Mikrobiom des Darms kann mittels eines Stuhltests einfach analysiert werden. Auf dieser Grundlage kann ein gezielter Aufbau mit Prä- und Probiotika erfolgen. So gibt es bestimmte Bakterien, die wir gegen eine Überwucherung von Escherichia coli oder Salmonellen einsetzen können. Andere reduzieren den Hefepilz Candida albicans. Je nach Bakterienmischung können wir sogar das Immunsystem ankurbeln oder es eher bremsen. Zudem kennt die Natur zahlreiche nützliche Substanzen, die den Körper in seiner Regulation unterstützen. Viele sekundäre Pflanzenstoffe wirken direkt gegen schädliche Mikroben, andere binden sie und leiten sie aus und wieder andere stärken Schleimhäute, Blutgefässe und Zellen, um das Eindringen zu erschweren – und das, ohne die freundlichen Viren und Bakterien zu beeinträchtigen. 

So haben sich ein Zypressenextrakt sowie das Öl des Lorbeerbaums zum Beispiel gegen Coronaviren bewährt. Die Zistrose kann Viren und Bakterien abkapseln und ausleiten. Kapuzinerkresse wirkt nicht nur gegen Bakterien, sondern auch sensibel auf schädliche Pilze. Selbst die Substanzen in der Zwiebel und dem Knoblauch wirken auf vielerlei unliebsame Besucher. Wir brauchen also keine exotischen Mittel aus fernen Ländern. In unserer Umgebung bietet sich genug an. So zum Beispiel auch das antimikrobiell wirkende Öl des Oregano. Aber auch Thymian, Meerrettich, Salbei und Kamille sind weitere heimische Heilkünstler. Bei chronisch wiederkehrenden Infekten hat es sich bewährt, über ein Labor abklären zu lassen, welche natürlichen Substanzen am besten wirken. So kann ein individuelles Präparat zusammengestellt werden.

Vieles können wir selbst anpflanzen und gedeiht sogar auf dem Balkon. Anderes, wie zum Beispiel der Propolis, muss erst fachgerecht zubereitet werden. Klar ist, wenn wir artgerechter Leben, den Weg mit der Natur und ihren Mikroben gehen und nicht gegen sie arbeiten, ist das die beste Garantie für ein gesundes und langes Leben.