Alpabzug: Das Fest der Älpler

Alpabzug: Das Fest der Älpler

Alpabzug: Das Fest der Älpler

Der Alpabzug ist der Höhepunkt im Kalender jedes Älplers. Wenn er nach 90 Tagen Arbeit seinem Vieh feierlich die Glocken umhängt, es mit Blumen schmückt und von der Alp hinunter ins Tal führt, dann ist das für alle Beteiligten ein grosses Fest. Einer der Höhepunkte am Thunersee: der Käseteilet im Justistal mit anschliessendem Alpabzug.

Text: Hans R. Amrein  |  Fotos: zvg, swissimage.ch (Herbert Steiner)

Der Klang der Glocken und Treicheln kündet es schon von Weitem an: Die frisch herausgeputzten und geschmückten Kühe von der 1300 Meter über Meer gelegenen Alp Holzflüh zwischen Beatenberg und Habkern kehren aus ihren Sommerferien zurück. Hans von Allmen, Bauer und Inhaber der privaten Alp Holzflüh, und seine Sennen winken freudig den Schaulustigen zu. Der traditionelle Alpabzug führt sie zu Fuss über den steilen Weg hinunter nach Beatenberg. Seit vier Uhr morgens sind die Sennen, Bauern und ihr Vieh auf den Beinen. Das farbenfrohe folkloristische Schauspiel lässt erahnen, wie viel Arbeit, Liebe und Stolz dahinter steckt.

40 Tiere, davon 30 Kühe und zehn Rinder (Swiss Fleckvieh), pilgern gemächlich über den fünf Kilometer langen Weg hinunter ins Tal. Die Kühe von Hans von Allmen geben zwar Milch, diese wird aber nicht für Käse, sondern für die Kälbermast verwendet. Trotzdem tragen die «Stars» unter den Milchkühen wunderschönen Kopfschmuck, bestehend aus natürlichen Blumen. Zuständig für den Schmuck sind die Frauen. Und die schweren Glocken am Hals der Kühe haben in der Regel eine lange Geschichte, denn sie wurden schon vor drei oder vier Generationen eingesetzt.

Am Abend, wenn Tiere und Alpmenschen dann wieder auf dem Hof bei Beatenberg zusammen sind, steigt ein Fest. «Der Alpabzug ist eine lange und schöne Tradition», schwärmt Hans von Allmen, «da darf es ruhig ein wenig lustig zu und her gehen.» Auf dem Bauernhof der von Allmens gibt es Käse, Wurst und «Züpfe», dazu reichlich Bier.

Lustig geht es auch im Justistal zu und her. Der Käseteilet ist eine alte Tradition, ein Fest der Älpler, das weit über die Schweizer Grenzen hinaus bekannt ist (siehe Kasten). Christian Stauffer ist Präsident der neun Alpgenossenschaften im Justistal. Der 68-jährige Landwirt, der sich bescheiden als «Knecht» bezeichnet, sorgt zusammen mit seinem Älplerteam dafür, dass der grosse Alpabzug im Anschluss an den Käseteilet korrekt in Szene gesetzt wird. Stauffer erklärt mir den dramaturgischen Unterschied zwischen Alpaufzug und Alpabzug: «Im Frühsommer geht jeder Bauer individuell auf die Alp, im Herbst gehen alle miteinander von der Alp.» Will heissen: Am jeweils ersten Freitag nach dem Eidgenössischen Dank-, Buss- und Bettag, wenn im Justistal der grosse Alpabzug stattfindet, verlassen alle Kühe zusammen die neun Alpgenossenschaften. Motto: Eine Alp folgt der andern. Wer die Spitze des Alpabzugs bildet und wer den Schluss, wird vom Älpler-OK genau festgelegt. Auch im Justistal werden die besten Milchkühe geschmückt – mit Papierblumen auf dem Kopf und schweren Glocken. Insgesamt verlassen rund 250 Kühe die Alpen des Justistals. 

Etwa 50 Tiere bilden die Elite. Sie sind die Stars, was bedeutet: «Diese Kühe haben in den Sommermonaten auf der Alp eine hervorragende Milchleistung erbracht», so Christian Stauffer.

Wenn die Kühe, Ziegen, Hunde und Sennen die Alpweiden des Justistals verlassen, findet am Rande des Alpabzugs ein regelrechter Volksauflauf statt. «Für Stadtmenschen und Touristen ist der Alpabzug eine ganz besondere Attraktion», freut sich Christian Stauffer. Ziel des Alpabzugs ist der Dorfplatz von Sigriswil. Hier findet jeweils am Abend des Alpabzugs ein Volksfest mit Ländlermusik (Schwyzerörgeli), Bratwürsten, Käse, Bier und Wein statt.

Warum der Alpabzug für die Bauern so wichtig sei, will ich von Christian Stauffer wissen. «Es ist für uns alle, Bauern, Sennen und Käser, ein wunderbares Gefühl, wenn Tiere und Menschen gesund und fit von der Alp ins Winterquartier zurückkehren.» Allgäu «Viehscheid» und in Österreich «Alp­abfahrt». Eigentlich ist der Alpabzug nichts anderes als die Überführung des Viehs von den Bergweiden ins Tal, wo die Tiere in den Stallungen der Bauernhöfe überwintern. Zeitlich hängt der Alpabzug vom Graswachstum auf den Weiden und von den Kälteeinbrüchen ab. Kurz gesagt: Wächst kein Gras mehr auf der Alp, ist es Zeit, das Vieh ins Tal zu treiben. Wird es kalt und frostig, ist auch das ein Grund, die Alp zu verlassen – bevor der erste Schnee fällt. In der Regel finden die Alpabzüge im Alpenraum zwischen Mitte September und Mitte Oktober statt.

Auch der Blumenschmuck der Kühe hat eine Geschichte: Ist der Alpsommer für Mensch und Tier ohne tödliche Unfälle verlaufen, werden die Kühe für den Alpabzug kunst- und liebevoll geschmückt. Hinzu kommen Volksmusik- und Tanzveranstaltungen. Diese Feste bilden und bildeten schon im 17. und 18. Jahrhundert den erfolgreichen Abschluss des Älplerlebens. Apropos Kopfschmuck der Kühe: In der Schweiz sind vor allem Papierrosen oder Naturblumen verbreitet, in Bayern und im Allgäu sind es Seidenblumen, Silberdisteln, Alpenrosen und Latschenkiefer. Eine besondere Rolle spielt dabei die so genannte «Kranzkuh», die traditionell die Herde auf ihrem Weg in die heimischen Ställe anführt. Sie erhält einen ungewöhnlich grossen Kopfschmuck, der aufwändig aus Zweigen, Blumen, Gräsern und Bändern in Form einer Krone geflochten wird. Oft zeigt der Kranz ein Kreuz, womit um den Schutz des Himmels gefleht wird, sowie Spiegel und Glocken zur Abwehr der Geister… Im Gegensatz zum Alpabzug ist der Alpaufzug im Frühsommer kein besonderer Anlass. Jeder Bauer treibt sein Vieh Anfang Juni auf die Alp, so wie es ihm gerade passt.

Am Thunersee sind vor allem die Alpabzüge in den Regionen Beatenberg, Sigriswil, Habkern und Aeschi (Suldtal) von besonderer Attraktion. Und in der übrigen Schweiz? Besonders sehenswert ist die «Entlebucher Alpabfahrt», die immer Mitte September stattfindet. Hier ziehen über 200 Kühe und Rinder mit ihren Sennen, den traditionellen Zügel- und Brauchtumswagen sowie Folkloregruppen von der Alp nach Schüpfheim (Kanton Luzern). Am Nachmittag beginnt die Älplerchilbi mit Musik; an zahlreichen Marktständen werden Alpkäse, Milch- und Fleischwaren angeboten. Pro Jahr zieht diese Älplerchilbi zwischen 12000 und 15000 Besucherinnen und Besucher aus der ganzen Schweiz an.

Einer der grössten Alpabzüge der Schweiz ist das «Prättigauer Alp Spektakel» Anfang Oktober, wenn über 1000 Kühe und mehr als 200 Sennen und Käser ins Tal hinunter pilgern. Apropos Zahlen: In der Schweiz werden heute noch fast 400 000 Kühe und Rinder, 200 000 Schafe und Ziegen und andere Wiederkäuer auf den Alpen gesömmert. Die Alpweiden machen etwa 35 Prozent der in der Schweiz landwirtschaftlich genutzten Flächen aus. Die grösste Alpfläche existiert im Kanton Graubünden. Allein im Prättigau werden beispielsweise auf insgesamt 26 Sennalpen jährlich 150 000 Kilo Alpkäse und 15 000 Kilo Alpbutter produziert. Die Alpen, so scheint es, sind ein lukratives Geschäft und für viele Bauern eine Existenzgrundlage. Kein Wunder, wird am Ende des Alpsommers fröhlich getanzt, gefeiert und getrunken. Motto: Es lebe der Alpabzug!

Käseteilet und Alpabzug im Justistal

Immer am ersten Freitag nach dem Eidgenössischen Dank-, Buss- und Bettag findet im Justistal der traditionsreiche Käseteilet mit Alpabzug (Mundart: «Chästeilet») statt. Das Justistal mit seinen neun Alpgenossenschaften liegt eingebettet zwischen Sigriswilergrat und Güggisgrat. Das Tal beherbergt viel Wild, wie zum Beispiel Steinböcke, Gämsen, Rehe, und ist auch bekannt geworden durch das Justistal-Lied von Adolf Stähli. Vor über 700 Jahren wurde das Justistal an das Kloster Interlaken verkauft – die einheimischen Bauern nahmen die Alpen in Pacht, und im 17. und 18. Jahrhundert wurden dann die Alpen zu Genossenschaften im Besitz der Einheimischen. Am Anfang waren rund 100 Kühe im Justistal, gegen Ende des 18. Jahrhunderts waren es 280, heute sind es noch rund 250. In den Sommermonaten werden etwa 30 Tonnen Justistaler Käse hergestellt.

Der erste Käseteilet fand im Jahre 1739 statt – die Alpkäserei im Justistal kann also auf eine jahrhundertealte Tradition zurückblicken. Die so genannte «Bestossung» des Justistals erfolgt jedes Jahr – je nach Witterung und Entwicklungsstand der Vegetation – zwischen Ende Mai und Mitte Juni. Ende September, seit einigen Jahren immer am Freitag nach dem Bettag, findet dann der Käseteilet statt. Die Bauern, welche Bergrechte besitzen, begeben sich mit ihren Angehörigen auf den so genannten «Spicherberg» zu den Käsespeichern, von denen jeder zu einer der Alpgenossenschaften gehört. Die Käse werden aus dem Speicher getragen und zu «Losen» aufgeschichtet: ein Los ist ein Teilertrag einer Kuh in einem Sommer, ungefähr 5 Käse zu je 20 bis 30 Pfund. Der durchschnittliche Ertrag einer Kuh beträgt pro Sommer ungefähr 1000 Liter Milch. 

Im Anschluss an den Käseteilet ziehen die mit Blumen und Glocken geschmückten Kühe nach Sigriswil – und im Justistal kehrt für einige Monate wieder Ruhe ein. Im Dorf Sigriswil findet nach dem Alpabzug jeweils ein kleines Volksfest statt. Weitere Informationen: www.sigriswil.ch

Adelbodner Alpkäse-Brotsuppe

Zutaten: 
1 Rüebli
¼ Sellerie
¼ Lauchstange
½ Zwiebel
1 Knoblauchzehe
50 g altbackenes Brot
 20 g Butter
1 dl Weisswein
2 l Gemüsebouillon
1 Lorbeerblatt
¼ EL Petersilie
1 Eigelb
1 EL Rahm
Salz und Pfeffer
50 g Adelbodner Alpkäse, gerieben. Garnitur: gehackte Petersilie
einige Brotwürfel

Zubereitung: Rüebli, Sellerie und Lauch rüsten und in kleine Stücke schneiden. Zwiebel und Knoblauch schälen und hacken. Brot in kleine Stücke schneiden, die Butter zerlassen und die Brotwürfel darin rösten. Einige geröstete Brotwürfel für die Garnitur zur Seite stellen. Gemüse, Zwiebeln und Knoblauch zu den Brotwürfeln in die Pfanne geben, kurz mitrösten und mit Weisswein ablöschen. Bouillon, Lorbeerblatt und gehackte Petersilie beifügen. Die Suppe zugedeckt 30 Minuten kochen lassen. Das Lorbeerblatt entfernen. Die Suppe nochmals aufkochen, vom Feuer nehmen und das mit Rahm verquirlte Eigelb dazurühren. Mit Salz und Pfeffer abschmecken. Mit geriebenem Adelbodner Alpkäse und gehackter Petersilie bestreuen, die beiseite gestellten Brotwürfel als Garnitur verwenden.

Reisbrot

Zutaten:
225 g gekochter Reis 
½ dl Öl 
3 dl Wasser
1 EL Zucker
1 EL Salz
20 g Hefe
500 g Mehl

Zubereitung: Reis, Öl, Wasser, Zucker, Salz und Hefe zusammen pürieren. Das Mehl darunterkneten und den Teig zugedeckt 30 Minuten gehen lassen. In eine Cakeform füllen und nochmals 30–40 Minuten gehen lassen. Den Ofen auf 250 °C vorheizen. Ein mit Wasser gefülltes Blech unten in den Ofen schieben, das Brot ebenfalls hineinschieben und 20 Minuten im Wasserdampf backen. Die Hitze auf 180 °C reduzieren, das Blech mit dem Wasser herausnehmen und das Reisbrot weitere 40 Minuten backen. Das Brot aus der Form nehmen und 15–20 Minuten fertigbacken.

Haslikuchen

Zutaten: 
Für ein Kuchenblech von 28 cm Durchmesser:
1 Kuchenteig, rund ausgewallt
etwas Aprikosenkonfitüre
2 Eier
450 g Haselnüsse, gemahlen
1 Spritzer Zitronensaft
250 g Zucker
4 dl Rahm
2 dl Milch
Dekoration: Puderzucker

Zubereitung: Den Kuchenteig in das Kuchenblech legen. Nach Belieben Konfitüre auf den Boden streichen. Aus den restlichen Zutaten einen Guss zubereiten und auf den Teig giessen. Den Kuchen während ca. 45 Minuten bei mittlerer Hitze im Holzofen backen und vor dem Servieren mit Puderzucker bestreuen.

Fleisch- und Käseplatte

Zutaten: 
nach Belieben Rohfleisch,
Speck, Wurst,
Hobel- und Alpkäse
Beilage: Tomaten
Essiggurken
Silberzwiebeln
4 bis 8 Stück feines Brot

Zubereitung: Aus allen Zutaten eine schöne, kunstvolle Platte kreieren. Mit feinem, knusprigem Brot und nach Belieben einem guten Glas Wein servieren.

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