Vom tristen Grau ins strahlende Blau

Vom tristen Grau ins strahlende Blau

Die Rundwanderung von Heiligenschwendi zum Niesenbänkli, auf die Blume und wieder zurück kann ganzjährig in Angriff genommen werden und ist in unzähligen Variationen möglich. Je nach Witterung ist die Wanderung leicht bis anspruchsvoll und nimmt zwischen drei und fünf Stunden in Anspruch.

Text: Martina Witschi  |  Fotos: Christine Hunkeler, Martina Witschi

Es ist ein kalter Oktobermorgen in der Stadt, der Nebel hängt tief und es nieselt. Die Menschen sind in ihre Wintermäntel gehüllt und viele haben sich dicke Schals um den Hals geschlungen. Man möchte sich in der warmen Stube verkriechen, um auf den Frühling, auf die Rückkehr der Sonne zu warten. Es geht aber auch anders, denn die Sonne ist nicht verschwunden, sondern versteckt sich nur in luftiger Höhe über dem Nebel: Man nehme den Bus Nr. 31/32 vom Bahnhof Thun Richtung Heiligenschwendi und blicke geduldig aus dem Fenster. Spätestens wenn man vor Goldiwil aus dem Wald fährt, ist die Welt wieder farbig und warm. Bis zum Berner Reha-Zentrum sind es mit dem Bus von Thun rund 20 Minuten. Von der Bushaltestelle folgt man dem geteerten «Planetenweg» Richtung Sig­riswil bis in den Wald. Die lauschige Herbststimmung mit den vielen bunten Blättern, dem Rauschen des Windes und den Sonnenstrahlen, die durch die Baumkronen dringen und den Wald mit dem vom Boden aufsteigenden Dunst in eine geheimnisvolle Wunderlandschaft verwandeln, lassen einen den Alltagsstress und den nahenden Winter vergessen. Auch die Temperatur ist anders als unter der Nebeldecke: Es lässt sich angenehm in einem Pullover wandern – den man spätestens, wenn man den Wald verlässt und in der prallen Sonne wandert, durch ein T-Shirt ersetzen kann. Man folgt der Strasse weiter, bis die Route bei einem offenen Holzhaus auf der linken Seite abzweigt. Weiter geht es auf Waldwegen, immer tiefer und höher über den weichen Boden durch die wundersame Stille. 

Das erste Etappenziel ist das «Niesenbänkli». Um das zu erreichen, folgt man bei allen Abzweigungen den Wegweisern in diese Richtung. Beim Niesenbänkli angekommen, beeindruckt die atemberaubende Aussicht auf die Alpen und natürlich das Nebelmeer, das den See und die Stadt Thun unter sich verbirgt. Das strahlende Weiss steht in prächtigem Kontrast zu den satten Herbstfarben der Landschaft und dem Blau des Himmels. Ein guter Zeitpunkt für eine kleine Pause und einen Happen zu essen.

Die Wanderung führt anschliessend ein Stück zurück, bis zum ersten Wegweiser und rechts aus dem Wald hinaus. Man folgt dem Weg erst runter, dann wieder hoch, an grasenden Kühen und der Alphütte vorbei. Immer höher und immer den Wegweisern Richtung «Blueme» folgend. Die Sonne wird stärker und wärmer, fast schon sommerlich, wären da nicht die bunten Blätter und das blendende Weiss des Nebelmeers. Die Alp­weiden haben diese warme Farbe – nicht mehr ganz grün, sondern schon etwas gelblich, genau wie die Blätter an den Bäumen. Auf der Höhe angekommen, führt ein Abschnitt des Weges durch den Wald in Richtung Aussichtsturm. Dort warten Bänkli, Holzvorräte und Feuerstellen – es lohnt sich, eine Bratwurst oder Cervelat einzupacken, um sich nach dem Aufstieg stärken zu können. Und noch mehr lohnt es sich, die 87 Treppenstufen zur Aussichtsplattform, die 1984 aus Stahl erbaut wurde, hinaufzusteigen. Die Rundsicht ist atemberaubend und mit den Panoramatafeln lässt sich der alpine Wissensdurst (man sieht vom Jura bis zu den Berner Alpen alles, was das Herz begehrt) stillen. 

Man kann sich kaum sattsehen, besonders weil die Herbstsonne einem bei schönem Wetter warm auf die Haut scheint und die Berge einen in sehnsuchtsvoller Abenteuerlust versinken lassen. Doch es kommt der Moment des Abstiegs: die Treppenstufen runter und, je nach Lust, Laune und Ausdauer, einen der vielen Wege zurück in Richtung Reha-Zentrum. Egal, welchen Weg man nimmt, es werden ihn immer wieder andere kreuzen, die das gleiche Ziel haben, doch man entdeckt auf ihnen ganz unterschiedliche Schätze. Entweder geht man auf direktem Weg, den Wegweisern nach, zum Anfangspunkt zurück, oder aber man wählt den schönen Umweg über Hinterport und der Höhenkurve entlang. Die Bäume geben immer wieder den Blick auf das Bergpanorama frei, bis man bei der Wolfsgruebe wiederum auf den direkten Weg von der Blueme zum Reha-Zentrum trifft. 

Wiederum kann man sich nach dem eigenen Befinden für einen Weg entscheiden. Folgt man dem Höhenweg, anstatt direkt zum Reha-Zentrum zu wandern, führt einen dieser über die Schluechtegg und den Hünibode und, immer über Wanderwege, bis zum Gründungsahorn der Höhenklinik. Von dort erreicht man in Kürze das Zentrum und das Ende der sonnen- und aussichtsreichen Herbstwanderung.

Es lohnt sich, eine Bratwurst oder Cervelat einzupacken, um sich nach dem Aufstieg stärken zu können.