Ein wunderschön wildes Tierparadies

Ein wunderschön wildes Tierparadies

Ein wunderschön wildes Tierparadies

Im Garten von Kathrin Bärtschi darf die Natur noch tun, wie sie will: Einheimische Wildpflanzen spriessen ungestört, Frösche laichen im Naturpool mit Biotop und zwischen wunderbar duftendem Lavendel summen die Bienen. Hier wird niemand vertrieben, seien es «Glöggli- frösche», Hornissen oder Lamas.

Text: Lena Kissóczy  |  Fotos: zvg

Der Naturgarten in Wichtrach brummt nur so vor Leben: Zwischen Grashalmen krabbeln die Käfer, es flattert in den Büschen und weiter hinten im Garten grunzen die Wollschweine. Vor 42 Jahren lag dieses ehemalige Bauernland brach, doch jetzt erhebt sich hier ein wunderschöner Bau im Bauernhausstil mit einem wahren Prachtgarten. Dank Kathrin Bärtschis Hingabe gedeihen hier einheimische Pflanzen in Fülle, ganz ohne chemische Pflanzenschutz- und Düngemittel, denn Flora und Fauna haben mittlerweile eine gute Balance gefunden und regulieren sich weitgehend selbst. Nur selten muss Kathrin Bärtschi eingreifen – etwa um ein Gewächs einzudämmen, das droht anderen Pflanzen den Lebensraum wegzunehmen. Doch generell gilt in diesem Naturparadies: Leben und leben lassen. 


Der Garten als Tierhotel

Egal ob Hornissen, Schlangen oder Fledermäuse: In diesem Garten wird kein Gast abgewiesen – ganz im Gegenteil. Kathrin Bärtschi beobachtet aufmerksam, was für Bewohner sich ansiedeln wollen, und baut ihnen ein passendes Zuhause – zum Beispiel den Hornissenkasten, den sie auf ihren Balkon gestellt hat. Tiere, die aus anderen Gärten vertrieben werden, sind hier herzlich willkommen: «Es gibt keine ‹schlechten› Tiere», erklärt die leidenschaftliche Gärtnerin. «Jedes Tier und jedes Gewächs erfüllt seinen Zweck.» Diese Philosophie bildet die Grundlage ihres Gärtnerstils. Es wird nicht der Ästhetik wegen geschnitten und gerodet, sondern vor allem darauf geachtet, dass keine Lebensräume zerstört werden. Totholz, beispielsweise, wird immer stehen gelassen, da es wertvolle Lebensräume für Insekten bietet. Das Gleiche gilt für morsches Holz und Äste, die am Boden liegen und wo sich gerne Igel und andere Tiere verstecken und nisten.  Oft werden Gärten im Frühling viel zu früh aufgeräumt, und vertrocknete Pflanzen werden entfernt – dabei sind die hohlen Pflanzenstängel wahre Insektenwohnungen, in denen sich über den Winter Larven zu Insekten entwickeln. Bei Kathrin Bärtschi werden die abgestorbenen Pflanzen deshalb erst abgeschnitten, wenn bereits wieder neue Sprösslinge aus dem Boden schiessen. Die abgeschnittenen, verdorrten Gewächse werden noch zwei weitere Monate liegen gelassen und erst dann sorgfältig gehäckselt, wenn die Insekten endgültig ausgezogen sind. Die Häcksel verrotten auf einem der sechs Komposthaufen wieder zu nährstoffreicher Erde, welche dann wieder im Garten verteilt wird. Zusätzlich dazu sind im ganzen Garten Insektenhotels aufgestellt. Sie beheimaten verschiedenste Insekten wie Solitärbienen, Schlupfwespen, Rosengallwespen, Prachtkäfer oder Eichelbohrer. Die Vielzahl von Insekten führt dazu, dass auch viele Vögel im Garten vorbeischauen oder sogar ihre Nester bauen. Auch dabei hilft Kathrin Bärtschi so gut mit, wie es geht: Unter ihrem erst kürzlich mit Solarziegeln ausgerüsteten Dach sind Schwalben- und Mauerseglernester angebracht. Damit die Kästchen auch schön warm und gut gepolstert sind, hängt sie ausgekämmte Hundehaare in einem Gitter auf, sodass die Vögel den Flaum für den Nestbau verwenden können. Und die alten Ziegel, die nach der Dacherneuerung übrig blieben und mit wunderschönen Flechten überwachsen sind, wurden aufgestapelt und dienen als Zuflucht für Eidechsen und andere Tiere. Das Ergebnis dieser umsichtigen Gartengestaltung ist ein Garten, der vor Bio- diversität nur so strotzt.

Erfolgreich chemiefrei

Während sie anfangs noch ab und zu gegen Schädlinge spritzte, verwendet Kathrin Bärtschi in ihrem Garten mittlerweile nur noch natürliche Mittel – selbst wenn das für einzelne Pflanzen manchmal fatale Folgen hat. Die Buchsbüsche etwa, die einst den wunderschönen Bauerngarten vor dem Haus einrahmten, wurden vom Buchsbaumzünsler angegriffen, einem ostasiatischen Schädling, der vor etwa 20 Jahren nach Mitteleuropa eingeschleppt wurde. Selbst als klar wurde, dass nur noch Insektengift die Buchsbüsche retten könnte, machte Kathrin Bärtschi keine Ausnahme und verzichtete auf chemische Mittel. Nun wächst Lavendel, wo zuvor die Buchsreihen standen – ein hervorragender Tausch, denn Lavendel ist bei Bienen sehr beliebt.  Das frühere Schwimmbecken wurde vor zwölf Jahren zu einem Schwimmteich umgebaut und be- nötigt seither kein Chlor mehr. Während sich die (Mikro-)Organismen in den ersten Jahren zuerst noch aufeinander abstimmen mussten, ist das Wasser des Naturpools inzwischen von hervorragender Qualität und könnte bedenkenlos getrunken werden. Auch die Natur ist dankbar für den Verzicht auf Chemikalien im Wasser: Es haben sich Wasserpflanzen und Amphibien im Teich angesiedelt.


Wenn Kathrin Bärtschi Zeitung liest, bleibt ihr Blick oft an Inseraten hängen, die die meisten Menschen einfach überlesen würden. So war es auch vor 35 Jahren mit der Anzeige, in der ProSpecieRara ein neues Zuhause für Wollschweine suchte, da die Tierart vom Aussterben bedroht war. Kathrin Bärtschi und ein Nachbar nahmen einige Schweine kurzerhand bei sich auf und züchteten sie so erfolgreich weiter, dass die Gefährdung der Art stark abnahm. Auch dem bedrohten «Glögglifrosch», der Geburtshelferkröte, half sie, wieder eine Population aufzubauen: Seit sich die Kröten in den Trockenmauern und Sandplätzen, im Schwimmteich und im Biotop eingenistet haben, hat sich ihre Zahl in der Gegend deutlich erhöht. Der Garten ist ein Rehabilitations- und Zufluchtsort für Tiere, die einen solchen dringend brauchen. So standen unter anderem schon Lamas, Pferde, Schafe, Gänse, Ziegen und sogar Pfauen auf Kathrin Bärtschis Gelände. Wann immer Raum genug da ist, nimmt sie die Tiere gerne in ihrem Garten auf, besonders wenn sie damit helfen kann, eine einheimische Art wieder anzusiedeln.  Das Gleiche gilt auch für Pflanzen: Ab und zu entdeckt die passionierte Gärtnerin einen Artikel über eine einheimische Pflanze, die in Vergessenheit geraten ist. Wenn sich diese Pflanze dann auch noch perfekt in das Gartenkonzept einfügt, also etwa eine ideale Nahrungsquelle für Insekten darstellt, muss es irgendwo doch noch Platz für sie geben. Auf den rund 4000 Quadratmetern, über die sich Garten und Weide erstrecken, hat sich so nach und nach eine unglaubliche Diversität an Pflanzen entwickelt. Disteln blühen neben Kornblumen und Efeu, auf der Weide stehen Obstbäume, an denen sich die Vögel laben, und im Gemüsegarten spriessen Salatköpfe neben Königskerzen. Ein Mosaik von Farben, Gerüchen und Geräuschen, nachsichtig gepflegt von Kathrin Bärtschis Händen. 

 Den Wundergarten selbst entdecken: Beim «Tag der offenen Gartentür» kann man Kathrin Bärtschis vielfältige Anlage mitsamt ihren Bewohnern erkunden – und dabei bestimmt auch einige Tipps für den eigenen Garten mitnehmen. Die leidenschaftliche Gärtnerin liebt es, sich mit anderen Gartenliebhabern auszutauschen, und teilt gerne ihr umfangreiches Wissen über Naturgärten und Biodiversität.