Glücks­gefühle dank seltenem Gast

Glücks­gefühle dank seltenem Gast

Glücks­gefühle dank seltenem Gast

Als ich zufälligerweise erstmals ein Hermelin von Nahem beobachten und fotografieren konnte, habe ich mich sehr darüber gefreut. Noch mehr aber bedeutete mir die gewünschte und gesuchte Begegnung mit dem kleineren und selteneren Mauswiesel. Sein Vorkommen in meinem Beobachtungsgebiet vermochte bei mir Glücksgefühle auszulösen. 

Text & Fotos: Hanspeter Latour

In meinem Buch Das isch doch e Schwalbe! habe ich eine Geschichte über das seltene Ereignis geschrieben. Ich erinnere mich auch, wie ich als Knabe ab und zu von weitem ein «Wieseli» auf einem Feld entdeckte. Immer nur für kurze Zeit, bevor es dann wieder wieselflink verschwand. Mir war damals nicht bewusst, dass es in der Schweiz zwei Wieselarten gibt. Eben das grössere Hermelin und das kleinere Mauswiesel. Die Mauswiesel sind noch seltener zu sehen als die Hermeline. Sie jagen die Mäuse unter der Erde in den Mausgängen und kommen nur für kurze Zeit an die Oberfläche und wenn, dann immer gut getarnt, um sich vor Feinden zu schützen.

Im Zusammenhang mit der Wahl des Hermelins zum Tier des Jahres wurde immer wieder auch auf das vom Aussterben bedrohte und auf der Roten Liste aufgeführte Mauswiesel hingewiesen. Es ist unter den Säugetieren das weltweit kleinste Raubtier. Der einzige Fehler: Ich habe noch nie eines eindeutig gesehen, geschweige denn fotografieren können. Das wollte ich jetzt ändern.

Nach einigen Tagen mit starken Regenfällen und Sturmwinden herrschte wieder Sonnen­schein und ich entschloss an diesem Tag, mich auf die Suche nach einem Mauswiesel zu machen. Unweit von unserem Garten gab es noch Landschaftsstrukturen, welche dem Lebensraum des Mauswiesels entsprachen. Steinhaufen in ver­schiedenster Grösse, Tot­holz, niederwüchsiges Gehölz und ein Graben mit einem kleinen Bergbach. Das alles auf einer nicht gerade flachen Alpweide mit Mausgängen und Stosshaufen auf gut 1200 Meter Höhe. Ich setzte mich auf einen Totholzstamm und versuchte einen guten Überblick auf die näheren Gelände­strukturen zu haben. 

Hier wartete ich also auf das Mauswiesel. Die Kamera natürlich schussbereit. Ich suchte nach der Nadel im Heuhaufen. Und so war es auch. Ausser dem Wasser im kleinen Bachlauf bewegte sich weit und breit nichts. Aber mein Glaube an die Möglichkeit des Vorkommens eines Mauswiesels blieb ungebrochen. Wenn nicht hier, wo dann, redete ich mir ein. Abgesehen davon war ich ja an einem wunderbaren Ort. Die Sonne wärmte mir den Rücken und vor mir schlängelte sich das kristallklare Wasser durch die Landschaft. Mir ging allerhand durch den Kopf, ohne dass ich dabei die Aufmerksamkeit über das un­mittelbar vor mir liegende Gelände verlor. Diese Bereitschaft sollte sich lohnen. Ich war eine gute Stunde an meiner Beobachtungsstelle, da konnte ich etwa zwei Meter direkt vor mir im Geröll eine kurze Bewegung feststellen. Ich war bereit und konnte zweimal abdrücken und alles war vorbei. Auf meinem Bildschirm deutlich zu erkennen: Das Mauswiesel! In mir ein Glücks­­gefühl, wie es nur schwer zu beschreiben ist. Noch stärker als damals beim Hermelin. Diesmal war es kein Zufall. Warum es klappte, kann niemand wissen und ist kaum wiederholbar – oder doch? Zwei Monate später kam es praktisch an der gleichen Stelle zu einer erneuten Begegnung. Dieses Mal gelangen mir mehrere Bilder. Es war grossartig, und der Beweis über das Vorkommen des schützenswerten Mauswiesels in meinem Beobachtung­revier war vollbracht. Vor gut einem Jahr hat Walter Gyger, ein Kollege von mir, weniger als einen Kilometer entfernt von meiner Beobachtungstelle einen Braunbären gesehen und fotografiert. Es war der erste freilebende, im Kanton Bern gesehene Bär seit über 190 Jahren. Mich hat der Eriz-­Bär natürlich auch gefreut. Es war eine Sensation schlechthin, mit einem entsprechenden Medieninteresse. Das vermag natürlich mein Mauswiesel nicht auszulösen.

Biologie

Mauswiesel sind die weltweit kleinsten Raub­tiere (Karnivoren) überhaupt. In Eu­ropa sind zwei Wieselarten heimisch, die eine davon mit zwei Unterarten: Das Hermelin (Mustela erminea) und das Maus­wiesel (Mustela nivalis). Letzteres mit der europäisch weit verbreiteten Unterart «Maus­wiesel» (M. n. vulgaris) und dem im Alpen­raum heimischen «Zwergwiesel» (M. n. nivalis). Charakteristisch für alle Wiesel ist ihre lang gestreckte Körperform – eine Anpassung an die Mäusejagd. Sie haben eines der grössten Fortpflanzungspotenziale der Raubtiere. Zur Gattung «Mustela» gehört auch der Iltis (Mustela putorius). Weltweit gibt es noch etliche weitere Wieselarten, vor allem in Zentralasien und in Amerika. Die beiden einheimischen Wieselarten unterscheiden sich vor allem in Grösse, Fortpflanzung und Spezialisierung bei der Nahrung. Dynamik prägt das Geschehen in der Population beider Wieselarten: Im zeitlichen Ver­­lauf folgen die Dichten den Schwankungen im Wühlmausangebot. Die dynamische Raumorganisation entsteht durch wechselnde Besiedlung einzelner Lebensraumteile. (Quelle: wieselnetz.ch)

Lebensraum

Wiesel waren einst typische und häufige Bewohner der traditionellen Kulturlandschaft Europas. Inzwischen sind sie mancherorts sehr selten geworden. Als kleine Raubtiere haben sie sehr viele Konkurrenten, vor allem andere Raubsäuger sowie Greifvögel und Eulen, welche oft gleich­zeitig ihre Feinde sind. Wiesel ziehen das strukturierte offene Land dem Wald vor. Sie benötigen vor allem genügend Nahrung, Schutz und warme Nester für die Jungen. Besonders wichtig ist relativ hohe Vegetation, zum Beispiel ungemähte Heugraswiesen, Altgras, Hochstauden, Ufervegetation, Brachen. Reichlich Kleinstrukturen wie Ast- und Steinhaufen sind als Verstecke von Bedeutung. Bäche mit naturnahen Ufern sowie Hecken und andere Leitstrukturen stellen sowohl wichtige Vernetzungsachsen als auch hochwertige Lebensraumteile dar. Zentral ist das Angebot an Hauptbeutetieren: Schermaus (Arvicola terrestris) und Feldmaus (Microtus arvalis), gelegentlich auch Erdmaus (Microtus agrestis), beim grösseren Hermelin man­cherorts das Kaninchen (Oryctolagus cu­niculus). Als weitere Beutetiere kommen andere kleine Nager und Vögel in Frage, ver­einzelt auch Spitzmäuse und Wirbel­lose. (Quelle: wieselnetz.ch)

Situation

Das Mauswiesel wird in der Schweiz auf der Roten Liste der gefährdeten Tierarten aufgeführt. Auch das Hermelin konnte in den letzten Jahrzehnten immer seltener beobachtet werden, wie viele Personen einheitlich berichten. Verlässliche Daten fehlen aber vielerorts, so auch im Schweizer Mittelland. Im Jura und vor allem im Alpenraum werden beide Arten noch häu­figer nachgewiesen. Nur durch systematische, auf wissenschaftlicher Basis durch­geführte Untersuchungen könnte festgestellt werden, wie häufig die beiden Wiesel heute noch vorkommen und ob es allenfalls grössere oder kleinere Verbreitungslücken gibt. Dennoch sind auch Zufallsbeobachtungen interessant. Auch im benachbarten Ausland fehlen genauere Angaben über Ver­breitung und Häufigkeit der beiden Wie­selarten weitgehend.

Zur Zeit werden in der Schweiz Erhebungsmethoden entwickelt, um mehr Klarheit über die Bestände und die Verbreitung der beiden Wieselarten und des Iltis in der Schweiz zu schaffen. 2010 hat das CSCF/SZKF (Schweizer Zentrum für Kartographie der Fauna) erstmals in acht Gebieten der Schweiz eine standardisierte Erfassung auf der Basis von Spurentunneln angewendet. Die Ergebnisse sollen die Ausgangs­basis für eine langfristige Erfassung der Bestandesschwankungen in den Stichprobenflächen bilden. (Quelle: wieselnetz.ch)

Schutz und Förderung 

Wieselschutz ist derzeit kaum ein Thema im Naturschutz. Ausser den Projekten «Wie­sellandschaft Schweiz» und «Förderungsmassnahmen für Wiesel im Landwirtschaftsgebiet» sind uns keine lau­fenden Schutz- oder Förderprojekte für Wiesel bekannt. Auch werden die kleinen Musteliden in öffentlichen Vorhaben wie Umweltverträglichkeitsprüfungen oder Landschaftsplanungen nicht immer berücksichtigt. Nicht einmal alle grossräumigen Vernetzungsplanungen beziehen diese Arten mit ein. Die Schwierigkeiten bei der Feststellung und Beobachtbarkeit der Arten rechtfertigen aber diese Mängel nicht. Vordringlich sind:

• Zuverlässige und nach Regionen differenzierte Kenntnisse über die Bestandesentwicklung und den Schutzbedarf;
• Einbezug der kleinen Musteliden, insbesondere der beiden Wieselarten, des Iltis und des Baummarders in Umweltverträg­lichkeitsprüfungen, Landschafts- und Vernetzungsplanungen;
• Förderprojekte in Regionen, in welchen langfristig ein deutlicher Rückgangstrend festgestellt wird. (Quelle: wieselnetz.ch)

Buchtipp

Das isch doch e Schwalbe!

Autoren: Beat Straubhaar, Mick Gurtner, Hanspeter Latour
328 Seiten, 17,5 x 24,5 cm, gebunden, Hardcover
mit 450 Abbildungen.
ISBN 978-3-03818-120-0, CHF 39.– / EUR 39.–
Hörbuch: ISBN 978-3-03818-127-9,
CHF 29.– / EUR 29.– 


Buch bestellen