Wein aus dem eigenen Garten – einfach grandios!
Wein aus dem eigenen Garten – einfach grandios!
Die ganze Wahrheit über Wein, dessen Anpflanzung und Herstellung vom Stock bis ins Glas soll hier kurz vermittelt werden, sodass jeder mit etwas Land, einem grünen Daumen und genügend Elan seinen eigenen Wein pflanzen, ernten und geniessen kann. Schon vor Jahrtausenden wurde das geflügelte Wort «In vino veritas» geprägt. Übersetzt aus dem Latein bedeutet es «Im Wein liegt die Wahrheit». Wie die Wahrheit im eigenen Garten gepflanzt werden kann und was es zu beachten gilt, darüber wird hier berichtet. Also: An die Spaten, fertig, los!
Text: Sophie Muralt | Fotos: zvg
Voraussetzungen
Um erfolgreich Reben anzubauen, sind einige sehr grundsätzliche Dinge zu beachten. Einer der wichtigsten Faktoren für gutes Gelingen ist viel Sonne. Gute Wachstumsbedingungen hat die Rebe an einem Ort, an dem sie möglichst viel Sonne tanken kann. Ausserdem sollte die Stelle vor zu starkem Wind geschützt sein. Hauswände, aber auch Terrassen oder Pergolen sind damit ideale Orte, um Reben anzupflanzen. Ausserdem sind Reben sehr dekorativ, durch ihr schnelles Wachstum begrünen sie grossflächig, spenden Schatten und eignen sich schon deshalb für den privaten Anbau.
Vorbereitung
Um den Reben das Wachsen zu ermöglichen und zu erleichtern, müssen Drähte gespannt werden. Die Reben ranken sich dann an den straff gespannten Drähten hoch. Zudem muss der Boden, der für die Anpflanzung vorgesehen ist, gut umgegraben werden. Für Reben eignet sich ein leichter Boden, der schnell erwärmt. Jeder gute Gartenboden eignet sich dafür.
Anpflanzung
Nachdem der Boden vorbereitet und die Drähte gezogen wurden, kann der Wein gepflanzt werden, idealerweise im Frühjahr. Es müssen allerdings die ersten frostfreien Tage abgewartet werden. In den Folgejahren sollten die Reben jeweils etwa zum selben Zeitpunkt zurückgeschnitten werden. Die Reben müssen je nach Sorte in unterschiedlichen Abständen zueinander gepflanzt werden. Europäische Sorten, die in unserem Klima gut wachsen, sollten im Abstand von ca. 2–3 Metern angepflanzt werden. Danach sollten die Weinstöcke an den Drähten befestigt werden.
Bewässerung
Reben mögen keinen schweren, feuchten Boden. Deshalb sollte nach dem ersten Angiessen die Bewässerung auf ein Minimum beschränkt werden. Die Rebe sollte dicht an der Wurzel gegossen werden, sodass das meiste Wasser aufgenommen werden kann.
Reben schneiden
Die Rebe sollte im ersten Jahr keine Früchte tragen, da das Gewicht der Trauben die Pflanze beschädigen kann. Deshalb müssen sowohl alle Früchte als auch die Triebe, bis auf den Stärksten – den Haupttrieb –, zurückgeschnitten werden. Auch im zweiten und dritten Jahr empfiehlt es sich, die Reben zurückzuschneiden, um eine optimale Entwicklung zu garantieren.
Früchte ernten
Gute, essbare Früchte wachsen normalerweise nicht vor dem dritten oder gar dem vierten Jahr. Die Reife der Früchte kann durch Probieren getestet werden. Da Weintrauben nach dem Pflücken anders als andere Früchte nicht mehr weiterreifen, sollte mit der Ernte nicht zu früh begonnen werden. Achtung: Farbe und Grösse sind keine guten Hinweise auf die Reife der jeweiligen Frucht. Zudem ist zu bedenken: Saure Trauben ergeben sauren Wein. Doch wie viele Trauben ergeben eigentlich wie viel Wein? Für Rotwein braucht es ungefähr 13 Kilogramm Trauben für circa zehn Liter Wein. Für Weisswein sind etwas mehr Trauben nötig. Aus 15 Kilogramm Trauben gewinnt man ungefähr zehn Liter. Wer seine Gartentrauben zu Wein verarbeiten lassen möchte, wendet sich am besten an die Weinkellerei Riem, Daepp & Co. AG. Am ersten Wochenende im Oktober (3./4. Oktober 2015) können Gartenwinzer und Gartenwinzerinnen ihre Trauben nach Kiesen bringen. Ein Kilo Gartentrauben werden von der Weinkellerei Riem, Daepp & Co. AG zu einer Flasche vorzüglichen Weins verarbeitet. Um der Weinkellerei die Administration zu erleichtern, ist es empfehlenswert, sich vorgängig anzumelden.
Früchte zur Weinherstellung vorbereiten
Nach der Ernte sollten die Früchte möglichst sauber und trocken sein. Zur Weiterverarbeitung müssen als erstes die Stiele entfernt werden. Diese machen den Wein bitter. Anschliessend werden die Trauben zerkleinert und zu Maische (Mischung aus Fruchtfleisch und Saft) verarbeitet. Diese Schritte werden sowohl für die Verarbeitung roter wie auch weisser Trauben angewandt. Da in unseren Breitengraden Trauben oft einen zu hohen Säuregehalt haben, ist es wichtig, genaue Messungen von Säure und Mostgewicht vorzunehmen. Durch eine solche Messung können wertvolle Korrekturen, wie beispielsweise Entsäuerung oder Zuckerzusatz, vorgenommen werden.
Weisse Trauben
Die Maische von weissen Trauben wird einige Stunden abgedeckt stehen gelassen und anschliessend kalt abgepresst (gekeltert). Dabei wird der Most (Saft) von der Maische getrennt. Der Most wird dann in einen Gärballon abgefüllt, in dem er in Ruhe gären kann.
Rote Trauben
Im Gegensatz zu weissen Trauben muss die Maische roter Trauben vor der Pressung unverzüglich gären. Damit wird der rote Farbstoff aus den Beeren gewonnen. Da der Farbstoff roter Trauben fast immer in der Beerenhaut fixiert ist, darf die Maische vor der Gärung nicht gefiltert werden. Es wird dabei eine Maischegärung angewandt, bei der die Maische erhitzt wird. Da die typische Farbe des Rotweins einzig durch die Gärung mit den Traubenschalen entsteht, lässt sich, wenn diese weggelassen werden, auch aus roten Trauben Weisswein herstellen.
Gärung
Zur Gärung wird Hefe zugegeben. Am besten wird Reinzuchthefe verwendet, sie liefert die besten Ergebnisse. Beim Gärvorgang wird der Zuckergehalt der Früchte in Alkohol umgewandelt. Wird dem Most zusätzlich Zucker beigegeben, erhöht sich der Alkoholgehalt im Wein. Der Wein muss während der Gärung gut beobachtet werden. Wichtig ist, dass keine Luft in den Gärballon gelangt. Das Ende der Gärungsphase ist erreicht, sobald sich keine Gasbläschen mehr bilden. Um das zu überprüfen, wird der Gärballon leicht geschüttelt.
Darauf, dass der Wein getrunken und die Wahrheit gesprochen werde!
Die letzten Schritte
Nach der Gärung wird der Wein an einen kühlen Ort gebracht. Dort können sich dann Hefe, Eiweissstoffe und Stärke absetzen. Anschliessend kann der Satz durch ein feines Tuch gefiltert werden. Um den Wein besser haltbar zu machen und um ihn vor Bakterienbefall zu schützen, kann an diesem Punkt eine Schwefelung vorgenommen werden. Auf zehn Liter Wein wird dazu eine Menge von bis zu einem Gramm Kaliumpyrosulfit verwendet. Der Wein muss dann kühl gelagert und luftdicht abgeschlossen werden, um zu reifen. Nach sechs bis acht Wochen wird der Wein in Glasflaschen abgefüllt. Je nach Wein muss zu diesem Zeitpunkt kaltlösliche Gelatine oder Kieselsol zugegeben werden, um den Wein zu klären. Auch ein zweiter Filtergang kann hier nützlich sein.
Geniessen
Wein, eine der schönsten Nebensachen der Welt, hat die Fähigkeit, beinahe jedes Menü zu veredeln und abzurunden. Sei es zu Vor- oder Hauptspeise oder zum Dessert, ein passender Wein hebt den Geschmack der Speisen hervor und trägt zum Genuss bei. Mehr noch als gekaufter Wein schmeckt natürlich der eigens angepflanzte und hergestellte Tropfen.
Deshalb: Santé, Cheers, Gesundheit, Viva oder Cincin an alle zukünftigen Heimwinzer und Heimwinzerinnen. Darauf, dass der Wein getrunken und die Wahrheit gesprochen werde!