Fünfsternehotels für bedrohte Wildbienen

Fünfsternehotels für bedrohte Wildbienen

Fünfsternehotels für bedrohte Wildbienen

Die Honigbiene ist uns allen bekannt. Doch dass es in der Schweiz noch etwa 500 andere Bienenarten gibt, wissen wenige. Die als «Wildbienen» bezeichneten Insekten existieren in allen Grössen und Formen und in den verschiedensten Farben. 

Text: Laura Leupold  |  Fotos: Franz-Xaver Dillier, Rita Jakob-Lüthy, Umweltschutz-Ausbildung der Armee

Der Begriff «Wildbienen» umfasst alle Bienenarten der Familie Apoidea, ausschliesslich die Honigbiene. Weltweit gibt es rund 20 000 Bienenarten, die Honigbienenarten nicht mitgezählt. Allen Wildbienen gemeinsam ist, dass sie der Natur einen unersetzlichen Dienst als Bestäuberinnen leisten. Umso erschreckender also die Tatsache, dass fast die Hälfte der einheimischen Wildbienenarten vom Aussterben bedroht ist. Der Mensch trägt eine grosse Verantwortung, um den Lebensraum der Wildbienen zu schützen. Dabei können wir ihnen bereits mit einfachen Massnahmen Nahrungsquellen und Nistplätze bieten, so z. B. mit dem Anpflanzen von einheimischen Blütenmischungen oder dem Bau eines sogenannten Wildbienenhotels. Diese künstlichen Behausungen für Wildbienen dienen gleichzeitig auch der Beobachtung ihrer Lebensweise und als Schmuck in unseren Gärten. Bevor wir mit dem Bau eines solchen Wildbienenhauses beginnen, sollten wir uns etwas Hintergrundwissen zu den einheimischen Wildbienen aneignen.

Wildbiene vs. Honigbiene

n Mitteleuropa existieren wegen eingeschleppten Parasiten und Krankheiten keine wilden Honigbienen mehr. Sie sind Nutztiere, vom Menschen domestiziert, um Honig und andere Bienenprodukte zu gewinnen. Als generelle Unterschiede zwischen Honigbienen und Wildbienen können folgende Merkmale genannt werden: Honigbienen speichern den Honig als Vorrat, die Wildbienen verwenden ihn als Direktnahrung für ihre Larven. Honigbienen bilden soziale Staaten mit Arbeitsteilung und hochentwickeltem Kommunikationssystem. Die meisten Wildbienen sind hingegen sogenannte Solitärbienen und leben alleine. Alle Honigbienenarten sind Pollengeneralisten, was bedeutet, dass sie viele verschiedene Blüten bestäuben. Einige Wildbienenarten sind Pollenspezialisten, sie sind also auf bestimmte Pflanzengruppen spezialisiert. In Bezug auf die Fortpflanzungsrate sind die Wildbienen den Honigbienen unterlegen – so legt die Königin eines Honigbienenvolks bis zu 1500 Eier pro Tag, ein Wildbienenweibchen in seinem vier- bis sechswöchigen Leben 20–30 Eier, von denen sich jedoch wegen Parasiten, Räubern und Umwelteinflüssen nur ein Teil entwickelt. Unterschiede zeigen sich auch bei der Nahrungssuche. Nicht alle Honigbienen sammeln gleichzeitig Pollen und Nektar, die Wildbienen jedoch schon. Sie transportieren die Pollen entweder an den Beinen wie die Honigbiene, am Bauch oder sogar im Mund.

Bedeutung von Wildbienen

Ein Drittel unserer Nahrung hängt von der Bestäubung der Bienen ab. Die Honigbiene nimmt laut VDRB (Verein deutschschweizerischer und rätoromanischer Bienenfreunde) in der Schweiz nach den Kühen und den Schweinen den dritten Platz als bedeutendstes Nutztier in der Landwirtschaft ein. Die Wildbienen spielen ebenfalls eine wichtige Rolle für die Bestäubung – sie gelten sogar als die besseren Bestäuberinnen als die Honigbienen. Einerseits, weil sie sich als einheimische Insekten an ihre Lebensräume und die verschiedenen Pflanzenarten bestens angepasst haben. Andererseits sammeln die Wildbienen im Gegensatz zu den Honigbienen in einem Flug gleichzeitig Nektar und Pollen und sind dadurch effizienter im Bestäuben. Zudem übernehmen Wildbienenarten wie z.B. die Hummeln das Bestäuben von Obstbäumen auch in kalten Schlechtwetterperioden, wohingegen die Honigbienen erst ab etwa 12 °C fliegen können. Aufgrund ihrer Spezialisierung sind die Wildbienen allerdings gefährdeter als die Honigbienen. Von ursprünglich 615 Wildbienenarten in der Schweiz sind 12 % verschwunden und 45 % stehen auf der roten Liste (Stand Anfang 2015, Forschungen des Schweizer Bienenmonitorings). Gründe gibt es viele: der Einsatz von Pestiziden, Krankheiten, die Einschränkung der natürlichen Lebensräume durch intensiv betriebene Landwirtschaft und Überbauungen, das Fehlen von Futterpflanzen und Nistplätzen. 

Unterstützung für die Wildbienen

Bereits mit wenig Aufwand können wir den Wildbienen helfen, geeignete Nist- und Futterplätze zu finden. In einem perfekt getrimmten Garten und einer intensiv genutzten Landwirtschaft fehlt ihnen die Lebensgrundlage. Die meisten Wildbienenarten nisten im Boden, deshalb sollten auch Stellen mit zugänglichem Boden vorhanden sein. Wenn Sie in Ihrem Garten morsches Holz, Bambusrohre, Pfähle oder Tonbehälter haben, sollten Sie diese nicht entsorgen, denn sie bieten Wildbienen Unterschlupf. Als Nistplätze mögen sie Hohlräume aller Art, z. B. Ritzen zwischen Steinen und alle Pflanzenarten mit hohlen Stängeln und weichem Mark. Wenn Sie in Ihrem Garten vornehmlich einheimische Pflanzenarten, verwandte Pflanzenarten und früh blühende Blumen anpflanzen, sorgen Sie zudem für ein vielfältiges Nahrungsangebot. Wenn Sie keinen Garten haben, können Sie auch auf dem Balkon oder auf Fenstersimsen Blumen anpflanzen. Wichtig bei alledem ist der Verzicht auf Pestizide, die zwar zur Schädlingsbekämpfung eingesetzt werden, gleichzeitig aber auch Wildbienen und anderen Insekten schaden. 

«Sie gelten sogar als die besseren Bestäuberinnen als die Honigbienen.»

Bau von Wildbienenhotels

Wenn Sie den Wildbienen langfristige Nisthilfen bieten und sich handwerklich und kreativ betätigen möchten, bietet sich der Bau eines sogenannten Wildbienenhotels an. Neben dem Nutzen für die Bienen ist eine solche Nisthilfe eine spannende Möglichkeit, um die Lebensweise der Bienen aus nächster Nähe zu beobachten. Bei der Ausgestaltung der Behausungen sind der Fantasie kaum Grenzen gesetzt. Wir geben hier keine detailreiche Anleitung zum Bau von Wildbienenhotels, sondern verweisen weiter unten auf Webseiten mit weiteren Informationen. Rita Jakob-Lüthy stellt Wildbienenhotels her und gibt in der Schweizer Bienen-Zeitung jeweils Tipps zum Bau und zur Wartung. Rita Jakob-Lüthy rät, möglichst einheimisches Naturmaterial zu verwenden, das in der Umgebung wächst. Ein Wildbienenhotel soll robust sein, es dürfen keine Klebstoffe und Farben verwendet werden. Für ein grosses Wildbienenhotel beim ABC-Zentrum Spiez wurden beispielsweise Halme aus Roggenstroh, Holunder-, Cassis- und Himbeerstängel eingesetzt und Gänge aus Zement, Sand und Ton gebaut. In geeignete Holzstücke von Laubbäumen wurden mit Holzbohrern Brutröhren gebohrt. Zur Wartung des Wildbienenhotels rät Rita Jakob-Lüthy, die Nistplätze jedes Jahr zu kontrollieren und bei Bedarf zu ergänzen. Aus ihrer jahrelangen Erfahrung zieht Rita Jakob-Lüthy das Fazit, dass Wildbienen die meisten von Menschen angefertigten Nisthilfen annehmen. Man sollte sich allerdings bewusst sein, dass solche künstliche Nisthilfen die natürlichen Lebensräume nicht ersetzen können.

Unsere Aufgabe ist es also weiterhin, uns für den Schutz des natürlichen Lebensraums der Wild- und Honigbienen einzusetzen, um ihnen gute Nahrungs- und Futterquellen zu bieten. Neben dem, was wir privat in unserem Garten, auf unserem Balkon tun können, ist auch ein Engagement für die Bepflanzung von öffentlichen Grundstücken wichtig – denn mit geteerten Strassen und getrimmten öffentlichen Rasen gehen Lebensräume für Wildbienen verloren. Es ist jedenfalls schön zu beobachten, dass dieses Bewusstsein allgemein zuzunehmen scheint, so sieht man vermehrt auch in urbanen Räumen Grünflächen mit Wildblumen und Obstbäumen. 

Herzlich bedanken möchte ich mich bei Hanspeter Gerber, Projektleiter der Imkerbildung Schweiz, und Franz-Xaver Dillier, Redaktor und Fotograf der Schweizerischen Bienen-Zeitung, für die fachmännische Unterstützung sowie das Text- und Bildmaterial, das sie mir freundlicherweise zur Verfügung gestellt haben. Vielen Dank auch an Eva Sprecher und Rita Jakob-Lüthy, deren interessante Beiträge in der Schweizerischen Bienen-Zeitung zu Wildbienen als Ausgangspunkt für diesen Artikel gedient haben. 





Weitere Tipps

Weitere Informationen zu Wildbienen 

Weitere Tipps zu Wildbienenhotels finden Sie z.B. beim «Wärchbänkli im Weiher» (Weier im Emmental), wo Rita Jakob-Lüthy Kurse zum Bau von Wildbienenhotels anbietet und in ihrem Geschäft auch selbst gebaute Häuser verkauft. Sehr zu empfehlen sind auch die umfassenden Informationen zu Wild- und Honigbienen auf der Webseite des Vereins deutschschweizerischer und rätoromanischer Bienenfreunde. 

www.waerchbaenkli.ch
www.vdrb.ch