Schattenbedli weisse Haut und blaues Blut am Thunersee

Schattenbedli weisse Haut und blaues Blut am Thunersee

Schattenbedli weisse Haut und blaues Blut am Thunersee

Am Nordufer des Thunersees zwischen Spiez und Faulensee liegt die alte Badi von Spiez. Durch die Lage und den umliegenden Wald ist das Bad nicht gerade sonnenverwöhnt, was aber die Einheimischen und Gäste, die es benutzen, nicht weiter stört. 

Text: Arthur Maibach  |  Fotos: Christine Hunkeler

Gebräunte Haut wurde von den Menschen zu keiner Zeit als schön empfunden, abgesehen von den letzten etwa 80 Jahren. Ein möglichst heller Teint wurde schon im alten Ägypten als edel angesehen. Nun stellt sich die Frage, was schön ist und wie sich diese vermeintliche Schönheit von der Antike bis zum heutigen Tag verändert hat. Galten schlanke, grosse Frauen mit vollen Lippen in der Antike als attraktiv, wurden im Mittelalter die Bäuche dann etwas rundlicher und blonde Haare wurden als schön angesehen. In der Renaissance kam die Vorliebe für starke, weibliche Rundungen auf, was mit Intelligenz und Wohlhaben in Zusammenhang gebracht wurde. Die griechische Liebesgöttin Aphrodite wurde als hellhäutige, blonde Frau dargestellt und Homer bezeichnete als ideales Hautbild einen Teint «weisser als Elfenbein». 

Blasse Haut zeugte von Reichtum, Macht und Adel. Nur Sklaven und Feldarbeiter hatten eine braune Haut, was ein Zeichen von Armut war. Die Adeligen, Reichen und Wohlhabenden wollten sich vom niederen Volk distanzieren, indem sie sich wohlgenährt, mit üppiger Körperfülle und sehr hellhäutig der Öffentlichkeit präsentierten. Auch wurden hochgiftige Produkte verwendet, um das Weiss der Haut zu bestärken, so kamen Bleiweiss und Quecksilber zum Einsatz.

Nach der Industrialisierung (1820) wurde die Luft in den Städten immer schlechter, die Menschen in den Fabriken wurden bleich, blieben aber der schlechten Ernährung wegen mager. Ein Umstand, der die Fabrikarbeiter an den Wochenenden an die frische Luft, ans Licht und die Sonne trieb. So wurden auch diese Menschen wieder braun. Aber auch schlanke Körper wurden nun als schön empfunden und wenn diese von der Sonne gebräunt waren, entsprach dies plötzlich einem neuen Schönheitsideal, welches bis zum ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts anhielt.

Im Jahr 1927 wurde am Strandweg in Spiez eine einfache Badeanlage aus Holz gebaut, mit Umkleidenischen. Da diese alte Badi am Nordufer des Thunersees liegt und von einem Wald umschlossen wird, ist sie nicht sonnenverwöhnt. Dieser Zustand gab dieser speziellen Badeanstalt den Namen «Schattenbedli». Ein Bad, das genau dem Wunsch der damaligen gut betuchten und vornehmen Oberschicht entsprach. Baden, Ausspannen und Geniessen, ohne dass die weisse, zarte Haut rot oder braun wurde und man aussah wie ein Bauer oder Arbeiter.

Blaues Blut 

Adelige werden oft mit blauem Blut in Verbindung gebracht. Nun stellt sich die Frage, warum das rote Blut bei einer bestimmten Menschengruppe blau sein soll. Der Ursprung dieser Aussage kommt aus Spanien, wo von «sangre azul» die Rede ist, Adern, die bläulich durch die helle Haut schimmern. Die Spanier haben eine etwas dunklere Haut als die Mittel- und Nordeuropäer. Da aber der spanische Adel von Nordeuropäern geprägt war, von westgotischen Königen und später Habsburgern, welche von Natur aus blasser waren als die baleare Bevölkerung, fielen die blauen Adern ins Auge. Der Adel jedoch tat auch einiges dazu, um blass zu bleiben, weil weisse Haut damals als etwas Edles galt. Von der Antike bis weit ins 19. Jahrhundert kam Bleiweiss zur Anwendung, ein hochgiftiges Mittel, um die Haut hell zu machen. Wegen ihrem verschwenderischen Auftragen dieses Bleichmittels ging die englische Königin Elisabeth I. als «Elfenbein-Regentin» in die Geschichte ein. Aber auch in Frankreich, in der Epoche des Rokoko war weisse Haut in Mode, welche mit viel Bleiweiss und Puder erzeugt wurde. Nicht nur die Frauen, sondern auch Männer bestäubten fast täglich Gesicht, Arme und Hände mit dieser giftigen Mischung. 

Im Jahr 1894 konnte man in einem Wiener Ratgeber lesen, wie Mittel zum Bleichen der Haut zusammengesetzt waren. Sie enthielten Rosenwasser, Weingeist, Bleiweiss, Quecksilber und Wismut. Auch mieden die Adeligen das Sonnenlicht, sodass deren Adern besonders auffielen und blau durch die zarte Haut schimmerte. Aber auch die Bluterkrankheit, die in Adelshäusern relativ häufig vorkam, könnte eine Erklärung für die helle Haut sein, da sich die Bluter nur wenig draussen aufhielten, um sich vor Verletzungen zu schützen. Bei der berühmten Königin Victoria von England weiss man, dass sie Trägerin des Bluter-Gens war, auch ihr Sohn Leopold war Bluter und hat dies weitergegeben. Aus der Nachkommenschaft von Victoria geht ein Zweig nach Spanien. So vermählte sich Victorias Enkelin Eugenie, welche die Grossmutter des spanischen Königs Juan Carlos war, mit dem spanischen König Alfonso XIII. Von Juan Carlos weiss man ebenfalls, dass er Bluter war. Das alles waren Adelige mit heller Haut und blau durchschimmernden Adern.



Ein Bad, das genau dem Wunsch der damaligen gut betuchten und vornehmen Oberschicht entsprach.

Der niederländische Hochadel im Schattenbad 

Seit einiger Zeit hält sich ein Gerücht um mögliche Besucher im Schattenbad zu Spiez. Besucher von adeligem Geschlecht sollen da gebadet haben und nach Aussagen sogar das Schwimmen im Thunersee gelernt haben. So konnte in der Zeitung gelesen werden, dass «Königin Beatrix hier einst das Schwimmen erlernt habe, mutmasslich im Sommer». Würde ja sehr gut passen, königliche, weisse Haut, blaues Blut und das Schattenbad. Ein Bad, in dem es nur schwerlich möglich ist, die Haut der Sonne auszusetzen. Auf meine Anfrage beim «Dienst van het Koninklijl Huis» an die «Princess Beatrix of the Netherlands» erhielt ich am 15. August 2019 folgende Antwort: «Ich möchte Ihnen danken für Ihren freundlichen Brief für die Königliche Hoheit Prinzessin Beatrix von den Niederlanden, in welchem Sie fragen, ob sie sich an das Schattenbad in Spiez erinnert. Ich bedaure, die Information zu haben, Ihnen die Frage nicht beantworten zu können. Die Erinnerungen von Prinzessin Beatrix sind private Angelegenheiten, über die keine Informationen zur Verfügung gestellt werden.» Soweit die Antwort der persönlichen Assistentin. Nun wissen wir zwar nicht, ob sie im Schattenbad war, jedoch wäre es schön, wenn es so gewesen wäre. Für die königliche, helle Haut wäre das Schattenbedli mit Sicherheit der ideale Ort gewesen, um das Schwimmen zu lernen, ohne der Haut Schaden zuzufügen. Dass die Schweiz und ihre Seen ein beliebtes Ausflugsziel der Adeligen aus dem Norden war, bezeugt der tragische Tod von Königin Astrid von Schweden, welche am 29. August 1935 in Küssnacht am Rigi bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam. 


Schatten, der gesündeste Ort unter der Sonne 

Als das Schattenbad im Jahr 1927 erbaut wurde, war weisse Haut noch ein Zeichen von Wohlstand und Gesundheit. Im Buch «Als ich ein kleiner Junge war» von Erich Kästner können wir folgendes lesen: «Sie schmorten zu Tausenden in der Sonne, als sei die Herde schon geschlachtet und läge in einer riesigen Bratpfanne. Manchmal drehten sie sich um. Wie freiwillige Koteletts. Es roch, zwei Kilometer lang, nach Menschenbraten». Ein Geruch, der im Schattenbad in Spiez nie aufkommen kann. Ein Bad, das in der heutigen Zeit exakt das Richtige ist. Baden, die Ruhe geniessen. Das saubere Wasser des Thunersees um die weisse, gesunde Haut schmeicheln lassen. Sich von Wasserstreicheleinheiten verwöhnen lassen, welche die Seele erquicken und das Herz erfreuen, ohne die Haut zu zerstören, das ist das Schattenbad. 

Obwohl der Mensch ohne die Sonne nicht leben kann, braucht er auch den Schatten, um zu überleben. Dieses Bad ist die geniale Mischung aus Sonne und Schatten. Genug Sonne, um zu wärmen, und die nötige Portion Schatten, um gesund zu bleiben.

Ein Schatten legte sich am 22. Oktober 2019 über das Schattenbedli. Jugendlicher Unsinn oder Fahrlässigkeit führte dazu, dass ein Lieblingsort sich dem Raub der Flammen hingeben musste. Wie ein Phönix wird sich auch das Bedli im Laufe des Junis aus der Asche erheben, um im Sommer und in den nächsten Jahren vielen Menschen die verdiente Ruhe und den gesunden Schatten zu spenden.

Möge es gelingen, dass die sonnenverwöhnten und braungebrannten Menschen der heutigen Tage auch die wohltuende Kraft des Schattens kennen und lieben lernen und Sorge zu ihrer Haut tragen, so wie es die Adeligen seit Generationen vormachen. Das Schattenbad lädt dazu ein.

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