Kostbare Ressource
Kostbare Ressource
Sprudelnde Quellen, bedächtige Flüsse, rauschende Wildbäche mit donnernden Wasserfällen, mächtige Gletscher – die Schweiz verfügt über einen unvergleichlichen Wasserreichtum. Dass Wasser Segen und Fluch zugleich sein kann, beweist ein Blick in die Vergangenheit und mögliche Zukunft des Thunersees anlässlich der Ausstellung «Wasser unser» im Alpinen Museum der Schweiz in Bern.
Text und Fotos: Samuel Krähenbühl
Wasser ist ein kostbares Gut von beinahe beängstigender Kraft: Wasser trägt tonnenschwere Schiffe, versorgt riesige Kulturen und lässt farbenprächtige Naturschönheiten aus dem Boden spriessen. Auf und auch rund um den Thunersee ist diese Kraft allgegenwärtig und trägt seit jeher zur Lebensqualität der Region bei – sei es als Naherholungsgebiet, unerschöpflicher Wasserspeicher oder tragender Wirtschaftsfaktor.
Über 300 Jahre sind vergangen seit dem historischen Kanderdurchstich in den Thunersee. Dort, wo die Strassenführung der Autobahn bei Thun Richtung Bern aus dem Allmendtunnel führt, floss anfangs des 18. Jahrhunderts noch die Kander und suchte sich ihren Weg in die Aare. Erst der Durchstich durch den Strättligenhügel von 1711 bis 1714 leitete die Kander neu durch den Thunersee in die Aare und verhinderte, dass die Kander immer wieder Thun, Strättligen, Thierachern und Uetendorf überschwemmte. Dieser Eingriff war die erste grosse Flusskorrektion zum Schutz vor Hochwasser in der Schweiz, führte aber ironischerweise ihrerseits zu mehr Überschwemmungen: Da die Kander nun in den Thunersee floss, reichte die Abflusskapazität der Aare nicht mehr aus, und als Folge trat der See bei Hochwasser immer wieder über die Ufer, sodass die Stadt nun zeitweise vom See her überschwemmt wurde. Erst mit der Aarekorrektion über hundert Jahre später (1871–1878) konnten die grössten Probleme behoben werden. Die beiden Schleusenbrücken und die Insel-Gestalt des Bälliz zeugen noch heute von den damaligen Eingriffen.
Schon öfters reichten in der Vergangenheit aber alle Hochwasserschutzmassnahmen rund um den Thunersee nicht aus, um den gewaltigen Wassermassen Paroli zu bieten. Die beiden schlimmen Hochwasser von 1999 und 2005 bleiben den Thunerinnen und Thunern sicher unvergessen. Am 24. August 2005 erreichte der Thunersee gar seinen bis anhin gemessenen Höchststand von 559,25 Metern. Seit 2009 ist ein 1,2 Kilometer langer Entlastungsstollen in Betrieb, der bei Hochwasser zusätzliche Abflusskapazitäten bietet.
Dass die kostbare Ressource Wasser die Thunerseeregion und die Schweiz auch in Zukunft beschäftigen wird, beweist die Ausstellung «Wasser unser» im Alpinen Museum der Schweiz in Bern eindrücklich. Auf zwei Stockwerken zeichnen die Verantwortlichen sechs Zukunftsvisionen zwischen aktueller Forschung und literarischer Fiktion, wie unser Umgang mit Wasser im Jahr 2051 aussehen könnte: zunehmende Extremereignisse, verschwundene Gletscher, geschrumpfte Skigebiete und Konflikte um die Ressource Wasser im Alltag. Die Besucherinnen und Besucher reisen durch die sechs begehbaren «Wasserzukünfte», die vom urbanen Raum im Unterland bis ins Hochgebirge führen. Beispiele aus der Vergangenheit sowie Fakten zum Klimawandel aus Wissenschaft und Praxis vertiefen das Thema in Text, Bild und Video und zeichnen eine zum Teil unangenehme Zukunft. So zum Beispiel Martin Grosjean, Direktor des Oeschger-Zentrums für Klimaforschung zur Zukunftsvision 2 «Extremereignisse»: «Trotz verbreiteter Sommertrockenheit werden Gewitter im Alpenraum zunehmen. Das führt zu Starkniederschlägen. Das wiederum hat Konsequenzen auf die Naturgefahren. Was heute ein extremes Ereignis ist, das vielleicht alle fünfzig oder hundert Jahre eintritt, wird in Zukunft um das Jahr 2050 herum vielleicht alle drei bis fünf Jahre auftreten. Wir werden lernen müssen, damit zu leben.»
Wasser trägt tonnenschwere Schiffe, versorgt riesige Kulturen und lässt farbenprächtige Naturschönheiten aus dem Boden spriessen.
Buchtipp
Das Hochwasser 1999
am unteren Thunersee
128 Seiten, mit 183 Abbildungen
23x23 cm, broschiert, Softcover
ISBN 3-9521532-2-2,
CHF 24.50
Dieser Bildband dokumentiert eindrücklich, was das dramatische Hochwasser von 1999 für die Betroffenen bedeutete und wie sie die Lage damals bewältigten. Das reich bebilderte Zeitdokument beinhaltet vorwiegend Aufnahmen von Hobbyfotografen, die im Ausnahmezustand des «verlorenen Ufers» ungewohnte und ergiebige Sujets fanden.
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Wasser.schweiz water.switzerland
eau.suisse
288 Seiten, mit 207 Abbildungen,
27x30 cm, gebunden, Hardcover
ISBN 978-3-85932-731-3,
CHF 59.–
In diesem Buch zeigt Michel Roggo aussergewöhnliche Gewässer der Schweiz in einem nie gesehenen Licht – und vor allem unter Wasser.
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