Das «Spiezerli» ist bald zurück auf dem Thunersee
Das «Spiezerli» ist bald zurück auf dem Thunersee
Über 100 Jahre tuckerte die DS Spiez auf dem See umher – nun ist es bald wieder so weit. Claude Merlach, Leiter der BLS Schifffahrt, erzählt der ThunerseeLiebi im Interview von der Dampfschifffahrt und dem langen Weg, den das «Spiezerli» hinter sich gebracht hat.
Text: David Heinen | Fotos: Christoph Hurni, David Heinen, R. Waller
Die Dampfschifffahrt hat eine lange Tradition auf dem Thunersee. Bereits in den 1830er-Jahren wurde das erste Dampfschiff in Betrieb genommen. Federführend bei diesem Projekt waren die Brüder Knechtenhofer, deren Bedeutung für den Fremdenverkehr in und um Thun kaum zu überschätzen ist – so standen sie auch am Anfang des Hotels «Bellevue». Die DS Spiez, liebevoll auch «Spiezerli» genannt, folgte einige Jahrzehnte später: Im Jahr 1901 fand die Jungfernfahrt statt. Für eine sehr lange Zeit war das «Spiezerli» für die Passagierinnen und Passagiere eine treue Partnerin, über 100 Jahre war es in Betrieb. In dieser Zeit wurden einige Umbauten vorgenommen, sodass das «Spiezerli» sogar zwischenzeitlich gar nicht mehr mit einer Dampfmaschine betrieben wurde. 2008 kam die Geschichte des Schiffes dann zu einem vorläufigen Ende. Doch durch das grosse Engagement vieler Dampfschifffans wird in Zusammenarbeit mit der BLS das «Spiezerli» nun wieder reaktiviert.
Claude Merlach
Leiter BLS Schifffahrt
Herr Merlach, zuerst einmal ganz allgemein: Welche Bedeutung hat die Dampfschifffahrt für die Thunerseeregion?
Die ist natürlich sehr hoch einzuschätzen, und es gibt verschiedene Aspekte, die diesbezüglich eine Rolle spielen. Einerseits haben die Dampfschiffe einen historischen Wert, sind wahre Zeitzeugen – es hat etwas Erhabenes, sie auf dem See zu sehen. Dann haben sie auch einen sehr hohen touristischen Stellenwert. Die Schiffe haben emotionale Geschichten und bringen uns sehr viele Gäste, auch weit über die Kantonsgrenzen hinaus, die unter anderem wegen diesen Dampfschiffen die Region besuchen. Weiter sind sie Teil der DNS unseres Unternehmens. Die Geschichte der BLS ist eng mit derjenigen der Schifffahrt auf dem Thunersee verknüpft. Wir sind sehr stolz auf diese Schiffe! Auch der technische Aspekt ist sehr spannend, sehr facettenreich. Zurzeit fährt auf dem Thunersee nur ein Dampfschiff: die «Blümlisalp». Diese ist ein Schaufelraddampfer und wird durch die beiden grossen Räder an der Seite angetrieben. Das «Spiezerli» ist dagegen ein Schraubendampfer und wird – wie die meisten Schiffe – durch eine Schiffsschraube angetrieben. Die dafür nötige Energie wird allerdings durch Dampfkraft erzeugt. Dies ist in der Schweiz etwas Einmaliges. In dieser Grösse gibt es keine anderen Schraubendampfer.
Können Sie uns etwas
über die Geschichte des «Spiezerli» erzählen?
Das Schiff wurde 1901 erbaut und durchlief mehrere Epochen sowie Umbauten. Es wurde auch mal verlängert, so hat sich natürlich die architektonische Erscheinung verändert. Bald kam dann auch die Frage nach der Effizienz auf. Die ganze Kohlelogistik brauchte viel Arbeitskraft und war sehr aufwendig. Man überlegte, wie man das eher kleine Schiff wirtschaftlich betreiben könnte. Dann entschied man sich Anfang der 50er-Jahre, das Schiff in ein klassisches Dieselmotorschiff umzubauen. Als solches wurde es dann bis 2008 betrieben.
Weshalb wurde das «Spiezerli»
2008 überhaupt ausser Betrieb genommen?
Von der Grösse her war das «Spiezerli» mit seinen rund 100 Plätzen für den Linienverkehr schon lange nicht mehr geeignet, entsprechend gab es auch kein vernünftiges Einsatzgebiet für das Schiff. Die «Blümlisalp» hat im Vergleich 750 Plätze. Die letzten Jahre war das Schiff dann noch als Charterschiff im Einsatz. Es war natürlich auch schon in die Jahre gekommen und hatte grossen Investitionsbedarf. So kam man zum Schluss, dass es aus wirtschaftlicher Sicht keinen Sinn ergab, das Schiff weiterzutreiben.
Wie kam es dann zum laufenden Renovationsprojekt?
Schon relativ bald formierten sich unter Federführung der «IG Spiezerli» Initianten, die dieses Schiff weiterhin auf dem Thunersee sehen wollten. Später involvierte sich auch der Verein der Dampferfreunde. Es ist ja vom Jahrgang her das älteste Schiff auf dem Thunersee, sogar noch älter als die «Blümlisalp». Das Schiff hat viele Fans, die damit persönliche Erlebnisse verbinden, zum Beispiel Hochzeiten. Daraus hat sich eine Bewegung entwickelt, die das Schiff der Nachwelt erhalten will. Schliesslich hat auch die BLS entschieden, das Projekt zu unterstützen. So stellten wir unsere ganze Logistik, also beispielsweise die Werft, zur Verfügung, und auch unsererseits wurden viele Arbeitsstunden in die Renovation gesteckt. Ursprünglich war die Idee, das «Spiezerli» als Dieselschiff zu renovieren und zu betreiben. Aber ein weiteres Dieselschiff brauchte man nicht auf dem Thunersee. Die Einzigartigkeit des Projekts besteht schon darin, dass man wieder eine Dampfmaschine in das Schiff einsetzen möchte. Also hat man sich entschieden, das Schiff als Dampfschiff zu betreiben – zu «revaporisieren».
Welche Kosten sind innerhalb
des Projekts entstanden, und wie konnten diese gedeckt werden?
Alles in allem belaufen sich die Kosten auf circa 6 Millionen Franken. Mehrheitlich konnte der Betrag durch Spenden gedeckt werden, doch die BLS hat sich schliesslich auch noch beteiligt, sonst hätte das Projekt nicht realisiert werden können. Die Arbeiten laufen schon sehr lange und sind hoch komplex. Das Schiff ist schon fast ein Prototyp. In einen alten Schraubendampfer wurde noch nie eine neue Dampfmaschine eingesetzt. Das sind ganz neue Erfahrungen. Man konnte sich nicht an anderen Projekten orientieren. Das hat natürlich auch die Kosten steigen lassen. Es ist teurer geworden als ursprünglich gedacht. Zuerst suchte man noch nach alten Dampfmaschinen, die man hätte einbauen können. Das hat sich aber als sehr schwierig erwiesen, einerseits aufgrund des Zustands der alten Maschinen, anderseits war es auch eine Frage des Platzes. Es herrschen relativ enge Platzverhältnisse im «Spiezerli». Weiter war auch die Leistung des Motors entscheidend; der Kanal Thun ist ein Fliessgewässer, dort braucht es genügend Kraft, um überhaupt auf den See zu kommen. So ist dann die Idee entstanden, eine neue Dampfmaschine zu kreieren.
Wann dürfen wir mit der Jungfernfahrt des neuen alten «Spiezerli» rechnen?
Das Ziel ist es, dass wir die Jungfernfahrt noch dieses Jahr durchführen können. Wann genau, muss ich noch offenlassen, je nachdem, wie sich das Projekt entwickelt. Wir brauchen auch noch die Abnahme des Bundesamtes für Verkehr, damit wir den sogenannten Schiffsausweis erhalten.
«Wir werden auch Publikumsfahrten machen, bei denen die breite Bevölkerung die Möglichkeit bekommt, auf dem Schiff zu fahren».
Was bedeutet es für Sie persönlich, das «Spiezerli» wieder auf dem Thunersee fahren zu sehen?
Es ist ein einmaliges Projekt und fühlt sich an, als ob wir eine kleine Schwester der «Blümlisalp» zurück in die Familie holen würden. Das wird eine tolle Ergänzung zu unserer Flotte. So wie wir das schon lange nicht mehr hatten. Es hat vor allem einen emotionalen Wert. Ich staune immer wieder, wie viele Leute mich auf dieses Schiff ansprechen. Dies hat man auch gemerkt, als wir erste Testfahrten durchführten und dies sofort ein grosses Echo auslöste. Und aus wirtschaftlicher Sicht hoffen wir natürlich, dass es viele Buchungen geben wird.
In welcher Form wird das «Spiezerli» zukünftig genützt?
Es wird hauptsächlich als Charterschiff unterwegs sein. Man kann es dann für Anlässe mieten. Es ist ja natürlich auch heute noch zu klein für den Kursbetrieb. Wir werden aber auch Publikumsfahrten machen, bei denen die breite Bevölkerung die Möglichkeit bekommt, auf dem Schiff zu fahren. Eine Feier auf einem solchen Schiff hat etwas sehr Exklusives. Die Kapazität liegt bei gegen 100 Leuten. Im Salon hat es etwa 50 Sitzplätze. Der Innenraum wurde, soweit dies überhaupt möglich war, historischen Vorlagen entsprechend renoviert. So stellte sich beispielsweise die Frage, anhand welcher Epoche die Renovation ausgerichtet werden soll. Zum Teil weiss man gar nicht mehr, wie das Schiff beispielsweise 1901 genau ausgesehen hat. Man hat wenig Bildmaterial und wenn, dann nur in Schwarz-Weiss. Man darf jedenfalls aufs renovierte «Spiezerli» gespannt sein.
So können wir uns also freuen – bald ist das «Spiezerli» wieder auf dem Thunersee unterwegs. Auf der Website www.spiezerli.ch können Sie sich über den Zeitplan informieren und zusätzliche spannende Informationen zum Dampfer nachlesen. Ausserdem besteht auch immer noch die Möglichkeit, sich durch eine Spende am Projekt zu beteiligen – jeder Franken kann gebraucht werden. Es steht der Thunerseeregion sicherlich gut zu Gesicht, dass ein solches Stück Schifffahrts- und auch Tourismusgeschichte gepflegt wird und nicht finanziellen Überlegungen geopfert wurde. Gute Fahrt!