Ein neues altes Dampfschiff für den Thunersee

Ein neues altes Dampfschiff für den Thunersee

Ein neues altes Dampfschiff für den Thunersee

Bald soll es als drittes Dampfschiff auf den Berner Oberländer Seen verkehren: das Spiezerli. 1901 war es erstmals auf dem Thunersee anzutreffen – heute ist es das letzte Exemplar seines Schiffstyps. Nun wird es aufwändig restauriert und mit einer brandneuen Dampfmaschine versehen. Die ThunerseeLiebi hat sich die Arbeiten angesehen.

Text: Thomas Hirt  |  Fotos: Thomas Hirt, zvg

Das Spiezerli ist das älteste erhaltene Schiff in der Flotte der BLS und wurde seit 1901 mehrfach umgebaut. Der grösste Einschnitt dabei war die Umwandlung in ein Motorschiff – der Dampfantrieb machte in den frühen 1950er-Jahren einem Dieselmotor Platz. Obwohl das Spiezerli 2008 aus dem Verkehr gezogen wurde, hat man es nicht verschrottet, denn schon damals war die Idee da, es wieder in ein Dampfschiff umzuwandeln. 

Dabei geht es nicht nur darum, dass dieses Schiff das letzte verbliebene seiner Art, der grösseren Schraubendampfer, ist. Dampfschiffe sind ein Kulturgut der Schweiz. Sie führen uns zurück in die Zeit des grossen Tourismusbooms um die Wende zum 20. Jahrhundert und zur Begeisterung über neue Technologien, die das Leben aller Menschen veränderten. Sie sind darum überlebende Zeitzeugen, die für uns heute aber zugleich fassbar und erfahrbar, ja sogar «fahrbar» geblieben sind. 

Nun ist es so weit: Das neue alte Spiezerli steht vor der Vollendung. Das Kernstück davon ist natürlich der Dampfantrieb. Dafür wurde extra eine neue Dampfmaschine bei der DLM AG in Winterthur in Auftrag gegeben, denn längere Abklärungen haben ergeben, dass keine bereits bestehende Maschine fürs Spiezerli geeignet ist. Dagegen kann die neue Dampfmaschine nicht nur passgenau eingebaut werden, sie ist auch wirtschaftlicher, umweltfreundlicher und leichter zu warten. Einen anderen unschätzbaren Vorteil hat sie ausserdem: Sie kann aus dem Steuerhaus ferngesteuert werden, sodass das Schiff voraussichtlich statt drei nur zwei Mann Besatzung braucht und günstiger eingesetzt werden kann. 

Die Dampfmaschine des Spiezerli ist verwandt mit den neuen Dampflokomotiven der Brienzer-Rothorn-Bahn. Mit einem Verbrauch von einer Tonne Dampf pro Stunde wird sie das Schiff mit bis zu 100 Passagieren in Fahrt bringen. Aber wie funktioniert ein Dampfschiff? Durch einen Einlass wird Seewasser in eine Reihe von Filtern geleitet, die es von Fremdstoffen reinigen. Im Kessel wird es aufgeheizt und dann durch mehrere Zylinder geführt, die sich durch den Druck des erhitzten Wasserdampfs ­bewegen. Zuletzt wird der Dampf in den Kondensator geleitet, wo er abgekühlt wird und schliesslich als Wasser wieder in den See zurückkehrt. Die Zylinder wiederum treiben die Schraube an, sodass sich das Spiezerli vorwärts bewegt. 

Neben der Dampfmaschine werden am Spiezerli auch andere Umbauten vorgenommen. So wird das Steuerhaus mit moderner Technik versehen und der Komfort für die Passagiere wird ebenfalls heutigen Bedürfnissen angepasst. Andere Elemente des Schiffes werden wieder näher an den Zustand von 1901 gebracht: Die Fenster der Unterdeckräume werden wieder rechteckig, wie sie es ursprünglich waren, und auch einen neuen Dampfschiff-Kamin erhält das Spiezerli. Beim Salon unter dem Deck kann man nicht mehr sagen, wie der Innenausbau ursprünglich aussah. Darum wird eine Einrichtung umgesetzt, die gleichzeitig historisch stimmig und für heutige Bedürfnisse gemütlich ist.

tatt einer vermeintlich «historisch korrekten» Ausgabe, die es ohnehin nicht gibt, wird das neue Spiezerli also eine Version des 21. Jahrhunderts, die Tradition und moderne Technik verbindet. Vollkommen unverändert seit dem ersten Tag ist aber der Namenszug des Schiffs – und das wird auch so bleiben. Das Spiezerli wird für Charter- und Sonderfahrten eingesetzt werden. Regelmässig wird es auch Angebote für öffentliche Fahrten geben. Bald wird es Gelegenheiten geben, die neue Dampfmaschine und das Spiezerli in Aktion zu erleben. 

David Beeler, Präsident der Dampferfreunde, erzählt von den aktuellen Plänen für den Umbau und davon, wie das Spiezerli auf die Zielgerade einbiegt. 

WIE WERDEN PASSAGIERE AUF DEM SPIEZERLI DIE NEUE DAMPFMASCHINE ERLEBEN?

Uns und unseren Partnern bei der BLS Schifffahrt ist sehr wichtig, dass man bei der Fahrt mit dem Spiezerli die Besonderheiten der Dampfschifffahrt mit allen Sinnen wahrnimmt. Die Dampfmaschine soll man sehen und hören können! Auf anderen Seen hat man bereits mit Erfolg begehbare Glasplatten in Dampfschiffe eingebaut und so etwas soll es beim Spiezerli auch geben. Ich vergleiche das mit dem kraftvollen Motor eines Sportwagens: Da geht es nicht nur um die PS, sondern auch darum, dass man den Motor hört und fühlt. Genau so ist es auch mit dem Dampfschiff: Die Maschine ist ein zentraler Teil des Erlebnisses. 

DER EINBAU EINER NEUEN MASCHINE IN DAS EXISTIERENDE SCHIFF IST JA SICHER NICHT EINFACH. WORAUF MUSS MAN DABEI ACHTEN?

Das ist tatsächlich ein Aspekt, dem bei der Wahl der Dampfmaschine grosse Bedeutung zukam. Hier hat uns das Fachwissen der Mitglieder unseres Vereinsvorstandes sehr geholfen. Auch die Kenntnisse der Dampfmaschinenexperten bei der DLM AG in Winterthur, welche die Maschine herstellt, waren sehr wichtig. Wir mussten die Maschine ja nicht nur ins Schiff einfügen, sondern ausserdem sicherstellen, dass sie im Betrieb unterhalten werden kann. Auch für technische Revisionen muss sie zugänglich sein, denn solche werden in einigen Jahrzehnten sicher anfallen. 

Gerade diesen Aspekt hat man bei älteren Dampf- und Motorschiffen nicht immer ganz durchdacht. Wenn die Revisionen dann nötig werden, kann sich das rächen, deshalb haben wir hier sehr genau darauf geachtet. In diesen und vielen anderen Fragen haben wir hervorragend mit Ralph Darmstädter, dem Leiter Technik/Infrastruktur bei der BLS Schifffahrt, zusammengearbeitet. Er hat sehr viel Herzblut für das Spiezerli gezeigt und sich enorm engagiert, was keineswegs selbstverständlich ist. 

DAS SPIEZERLI SOLL SCHON BALD WIEDER AUF DEM THUNERSEE VERKEHREN – WIE SIEHT DER WEITERE ZEITPLAN AUS?

Die technischen Arbeiten am Schiff werden im Spätherbst abgeschlossen. Danach folgen der Innenausbau und die Schulung des Personals durch Wissensvermittlung und natürlich durch Schulungsfahrten. Das braucht seine Zeit, denn die BLS-Mitarbeitenden sind ja schon in die tägliche Arbeit auf den anderen Schiffen eingespannt. Damit wir zeitlich auf der sicheren Seite sind, planen wir die Jungfernfahrt des Spiezerli für den Frühling 2019. Auch unsere Spendenkampagne ist in der Zwischenzeit im Endspurt: Von insgesamt 4,85 Millionen Franken fehlt uns noch eine halbe Million. Wir werden uns im Herbst 2018 nochmals kräftig dafür einsetzen, auch diese letzte Hürde noch zu nehmen, sodass das Spiezerli bald wieder auf dem Thunersee unterwegs sein wird.

Damit wir zeitlich auf der sicheren Seite sind, planen wir die Jungfernfahrt des Spiezerli für den Frühling 2019.

Freunde der Dampfschifffahrt

Dass das Spiezerli bald wieder auf dem Thunersee fährt, geht auf die Initiative der Freunde der Dampfschifffahrt Thuner- und Brienzersee zurück. Dieser Verein setzt sich für den Erhalt der letzten bernischen Raddampfer Blümlisalp und Lötschberg sowie natürlich des Spiezerli ein. Dampfschiffe sind teurer als Motorschiffe und es ist auch nicht gratis, das Wissen über den Dampf als Antriebstechnik zu erhalten und Personal zu schulen. Die Dampferfreunde investieren viel Herzblut, Zeit und Energie in ihre Tätigkeit und freuen sich über jede Unterstützung und Mitarbeit. 

Kontakt: 
Freunde der Dampfschifffahrt
Thuner- und Brienzersee
Postfach, 3600 Thun
Tel. 079 107 91 86
E-Mail info@dampferfreunde.ch

www.dampferfreunde.ch

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