Die Badesaison startet im Winter

Die Badesaison startet im Winter

Die Badesaison startet im Winter

Für die Seepolizei ist die Rettung und Erhaltung menschlichen Lebens das oberste Gebot. Um in der Hochsaison für die Aufgaben optimal gerüstet zu sein, gehen die Spezialisten auch im Winter ins Wasser, auch wenns garstig ist. 

Text & Fotos: Beat Straubhaar

Schneeflocken tanzen, die Temperatur ist leicht unter dem Gefrierpunkt, die Wassertemperatur nur wenig darüber … Der Thunersee lächelt nicht, er lädt nicht unbedingt zum Bade, er ruht. Das Winterkursschiff der BLS Schifffahrt Berner Oberland, einige Berufsfischer und ganz wenige unentwegte private Bootsbesitzer sind unterwegs. Doch im Güetital bei Faulensee, am Standort der Seepolizei, macht sich Betriebsamkeit breit. Das Briefing zu einem Brevetkurs für Taucher der Polizei und Rettungssanitäter ist im Gang, die Teilnehmer zwängen sich in ihre Tauchanzüge und beladen ein Boot, das sie zur Gelben Wand auf der andern Seeseite bringen wird. Die Gitter des Bootshauses öffnen sich auf Knopfdruck, Motorenstart!

Grosses Einsatzgebiet

Die Kantonspolizei Bern verfügt über Einsatzzentralen in vier Regionen. Die Einsatzzentrale der Regionalpolizei Berner Oberland befindet sich in Thun, unterstellt ist sie der Abteilung Planung und Einsatz im kantonalen Korps. Zur stationierten Polizei gehört auch die Fachstelle Süd der Seepolizei. Unter der Leitung von Daniel Meyer sind sechs Mitarbeiter im Güetital für den Thunersee, vier in Interlaken für den Brienzersee stationiert. Sie alle sind zusätzlich zur Polizistenausbildung als Taucher geschult. Die Kantonspolizei Bern verfolgt die Philosophie, dass aufgebotene Einsatzkräfte bei Ereignissen nicht nur ans, sondern auch ins Wasser gehen. Das Einsatzgebiet der Fachstelle Süd umfasst 92 Quadratkilometer Seefläche, 85 Klein- und Bergseen und 480 Kilometer Fliessgewässer. Auf der Aare, von der Uttigbrücke bis Bern, besteht eine Zusammenarbeit mit der Sanitätspolizei Bern, auf dem Thunersee mit dem Verein Seerettung Thunersee mit Einsatzbooten in Thun, Einigen und Neuhaus.

«Flair zum Wasser» 

Daniel Meyer, in der dritten Saison als Fachstellenleiter Süd tätig, ist der Sohn des Berufsfischers von Leissigen und mit dem Wasser aufgewachsen. Der 45-jährige Familienvater war vier Jahre als Polizist in Frutigen stationiert, anschliessend zwölf Jahre bei der Kripo Bern im Einsatz. «Nautische Kenntnisse, handwerkliches Geschick und Tauchbrevets sind bei unserer Arbeit unabdingbar – ein Flair fürs Wasser muss vorhanden sein», sagt er. In der Sommersaison stehen immer vier Mann für Patrouillen auf dem Thuner- und Brienzersee im Dienst. Zusätzlich erfordert der Pikettdienst pro Mitarbeiter acht bis zwölf Dienste pro Monat – während 365 Tagen müssen zwei Seepolizisten bei Alarm innert 30 Minuten vom Stützpunkt ausrücken können. In der Nebensaison werden die Seepolizisten bei Bedarf auch für Ordnungsdienste der «normalen» Kantonspolizei im Einsatzgebiet aufgeboten. Für den Einsatz auf dem Wasser stehen auf dem Thunersee drei, auf dem Brienzersee zwei moderne Schiffe bereit. Für Einsätze auf der Aare in Thun dient ein Weidling und im Stützpunkt Güetital ist ein flexibel einsetzbares Schlauchboot mit Aussenbordmotor auf einem Trailer stationiert.

Umfassendes Material

Ein Rundgang durch die Räumlichkeiten des 1998 eingeweihten Pfahlbauhauses zeigt, wie umfassend die Einsätze der Seepolizei sein können. Da lagern griffbereit Infrarot- und Hebegeräte, Tauchermaterial, Eisrettungsschlitten für die Rettung oder Bergung von Personen. Daneben stehen voluminöse Schwemmgutsperren gegen Öl oder Holz bereit. Zum Aufgabengebiet der Seepolizei – nebst allen schiffbaren Gewässern – gehören, in Zusammenarbeit mit den Gebirgsspezialisten der Kantonspolizei Bern, immer mehr auch Bereiche von Freizeitaktivitäten wie River-Rafting und Canyoning, bei denen Seilzüge und viel Seilmaterial gefragt sind. Bis zu zwölfmal jährlich sind die Retter in den letzten Jahren bei ihren Einsätzen mit dem Tod konfrontiert worden. Die belastenden Erlebnisse bei Personensuchen, die für die betroffenen Mitarbeiter oftmals nachträgliche Aufbereitung erfordern, sind auch mit der Zunahme von Suizidfällen regelmässiger geworden. 

«Nicht überborden gilt auch hier, genau gleich wie auf der Strasse.»

Stark frequentierte Uferzonen

Auf mögliche Probleme der bevorstehenden Badesaison angesprochen, betont Daniel Meyer vor allem die grosse Massierung unterschiedlichster Seenutzer innerhalb der Uferzonen. «In der Seemitte haben wir kein Problem», meint er. Erwähnenswert sei das im vergangenen Jahr revidierte Binnenschifffahrtsgesetz, in dem auch die Alkoholgrenzwerte neu geregelt wurden. «Nicht überborden gilt auch hier, genau gleich wie auf der Strasse», erklärt der Fachstellenleiter dezidiert. Die junge Sportart des Kite-Surfings habe im letzten Jahr oftmals zu Fehlalarmen geführt. Seeanstösser hätten den Lenkdrachen eines Kite-Surfers im Wasser treiben sehen und gemeint, es sei ein Gleitschirmpilot in den See gestürzt. Bitten an die Seebenutzer habe er schon, meint Meyer, insbesondere an die Bootseigner. «Vielfach werden Ketten und Geschirr bei den Bojen zu wenig gewartet.» Herumtreibende Boote würden der Seepolizei Aufwand und den Besitzern unnötige Kosten verursachen. Kleine Beiboote, Schlauchboote und Surfbretter sollten mit einem wasserfesten Filzstift mit Name und Adresse der Besitzer angeschrieben sein, so wie es in der Binnenschifffahrtsverordnung vorgeschrieben ist. Dies würde bei führerlos herumtreibenden Gegenständen die Arbeit der Seepolizei erleichtern. 

Aufsteigende Luftblasen zeigen an, dass die Tauchübung noch in vollem Gange ist. Die blau-weisse «Alpha-Flagge» beim vertäuten Schiff westlich vom Balmholz signalisiert allen Bootsführern, dass sie einen Abstand von mindestens 50 Metern einzuhalten haben. Mehrere Taucher der Fachstelle Süd, von der Sanitätspolizei Bern und vom Polizeikorps Basel-Land befinden sich in einer maximalen Tiefe von 40 Metern, aufmerksam beobachtet von drei Tauchlehrern. Weiterbildung ist ein dauerndes Thema, auch unter Wasser.

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