Reben rund um den Thunersee

Reben rund um den Thunersee

Reben rund um den Thunersee

Auch wenn die Schweiz ein kleines Weinland im Herzen Europas ist, werden hier praktisch überall Reben kultiviert – mal etwas mehr und mal etwas weniger. Auch am Thunersee. Dominant sind hier Pinot Noir und Riesling ≥ Sylvaner.

Text: Chandra Kurt  |  Fotos: zvg, swissimage.ch (Andreas Gerth, Simon Wüthrich)

Ein Grossteil der Schweizer Reben wächst nah am Wasser. Und so bilden die grossen Seen der Schweiz die Kulisse für die Weinkultur unseres Landes. Die meisten schlagen ihre Wurzeln allerdings in der französischen Schweiz am Genfersee – hier in der Weinregion Waadt dominiert unsere Nationaltraube Chasselas. Sie fühlt sich hier so wohl, weil sie vor allem im von der UNESCO geschützten Lavaux-Gebiet von den «Drei Sonnen» verwöhnt wird. Also von der Sonne selbst, der Spiegelung ihrer Strahlen durch den See sowie von der von den Mauern der terrassierten Weinberge absorbierten Wärme, die nachts an die Pflanzen abgegeben wird. Rückt man weg vom Genfersee und etwas näher an die Region Bern, durchstreift man die Region der Drei Seen. Es handelt sich um den Neuenburger-, Murten- und Bielersee, wo Weinbau ebenfalls ein wichtiger Wirtschaftsfaktor ist. Hier ist neben dem Chasselas jetzt auch der Pinot Noir eine dominante Traubensorte, wenn nicht sogar die wichtigere. Reine Deutschschweizer Weinlandschaften in Seenähe befinden sich am Zürich-, Zuger-, Vierwaldstätter-, Thuner- und Walensee – wenn auch teilweise in mikroskopisch kleinen Mengen. Die Region Thunersee-Bern hat etwas über 20 Hektaren, was etwas weniger als einem Prozent der Deutschschweizer Reblandschaft entspricht. 11,5 Hektaren bewirtschaftet allein die Rebbaugenossenschaft Spiez, deren Reb­lehrpfad einen guten Einblick in diese kleine aber feine Weinkultur vermittelt. Der Rest der Fläche ist zerstückelt und wird von Klein- und Kleinstproduzenten bewirtschaftet. Das war nicht immer so. Vor 200 Jahren war auch hier, wie überall in der Schweiz, die Rebfläche um einiges grösser. Die Rede ist von 250 Hektaren. Der Befall der Reblaus anfangs des 20. Jahrhunderts und die Konkurrenz aus dem Waadtland führten jedoch zu einem dramatischen Rückgang der Gesamtfläche, was natürlich sehr schade ist, wenn man an die lange Geschichte des lokalen Rebbaus denkt. Erstmals erwähnt wurde er im Jahre 994. Eine Parzelle am Pintel bei Wimmis wurde an ein Kloster im Elsass verkauft. Angebaut wurden die Traubensorten Elbling und die Thunrebe (die wir heute als Räuschling kennen). Sie dienten als die «Brotweine» und wurden der hungernden Bevölkerung als Nahrung verteilt. Wichtig zu wissen ist, dass damals Wasser nicht wie heute reines Trinkwasser war und Wein als ein «sicheres» Getränk galt. 

Bekanntlich wächst die Vegetation am Wasser gleichmässiger, da das Klima ausgeglichener ist. Doch trotz dieser ähnlichen Bedingungen kann nicht von einer einheitlichen Weinkultur um die Schweizer Seen gesprochen werden. Das hat vor allem zwei Gründe: Zum einen sind es die verschiedenen Traubensorten, zum anderen die unterschiedliche Einstellung der Winzer. Unter ihnen findet man sowohl überzeugte Traditionalisten als auch optimistische Modernisten. Die einen pflegen, was bereits ihre Väter pflanzten, die anderen setzen voll und ganz auf neue, teils erst vor wenigen Jahren entwickelte krankheitsresistente Traubensorten. Das gilt auch für die Region Thunersee, wo neben den beiden Hauptsorten Riesling x Sylvaner und Pinot Noir auch Sorten wie Gewürztraminer, Chardonnay, Regent, Cabernet Jura, Cabernet Dorsa oder Elbling angebaut werden, um einige zu nennen.

Die einen pflegen, was bereits ihre Väter pflanzten, die anderen setzen voll und ganz auf neue, teils erst vor wenigen Jahren entwickelte krankheitsresistente Traubensorten.

Auch wenn in der Region in der Vergangenheit mit Chasselas experimentiert worden ist, ist der önologische Star der Riesling x Sylvaner, den wir auch unter dem Namen Müller-Thurgau kennen. Müller-Thurgau ist die wichtigste Weissweinsorte der Deutschschweiz, deren Name immer wieder für Verwirrung sorgt, da sie primär unter ihrem eigentlich falschen Namen «Riesling x Sylvaner» (oder «Riesling-Sylvaner») bekannt ist. 1882 wurde sie vom Thurgauer Professor Hermann Müller an der Forschungsanstalt von Geisenheim in Deutschland aus einer Kreuzung zwischen Riesling und Madeleine Royale gezüchtet. Zum falschen Namen kam es, da lange angenommen wurde, dass die «Mutter» der Neuzüchtung die Riesling- und der «Vater» die Sylvanertraube war. Hermann Müller lehnte es immer ab, die neue Rebe Müller-Thurgau zu nennen, obschon das sein eigener Spitzname war. Aus diesem Grunde wird die Traube in der Schweiz immer noch mehrheitlich unter Riesling x Sylvaner geführt. Erst nachdem der bayrische Züchter August Dern (1858–1930) um 1913 die Rebe in Deutschland eingeführt hatte, erhielt sie den Sortennamen Müller-Thurgau. Weltweit findet man rund 28000 Hektaren, die mit Müller-Thurgau bepflanzt sind. Mit 13721 Hektaren findet sich die grösste Fläche in Deutschland. Im Vergleich dazu beträgt die Rebfläche in der Schweiz 493 Hektaren.

Eine weitere Charakteristik für den Weinbau am Thunersee – neben Seenähe und Riesling x Sylvaner-Traube – ist die Höhe der Reblagen. Es sind nicht die höchsten der Schweiz, aber sie sind sozusagen voralpin und solche Weine haben eine grosse Zukunft. Speziell an einem «High Altitude»-Wein ist seine aromatische Frische, sowohl bei den Rot- wie auch bei den Weissweinen. Meist sind die blumig fruchtigen Aromen auch delikater und intensiver. Rotweine weisen meist kräftige, aber elegante Tannine und eine sehr dunkle Farbe auf. Diese Eigenschaften ergeben sich daher, dass je höher man pflanzt, desto tiefer in der Nacht die Temperaturen fallen. Dies wiederum führt zu einem tieferen Alkoholgehalt und einer höheren Säure im Wein sowie einem delikateren Aromaprofil, das den Wein frischer macht. Ganz im Gegenteil zu Reben, die den ganzen Tag in tieferen Lagen viel Sonne tanken und auch nachts kaum abkühlen können. Solche Weine entwickeln gerne hohe Alkoholnoten und ein intensiv barockes Aromaspektrum. Die Frische in alpinen Weinen kann auch von kühlen Winden sowie den felsigen Böden stammen. Je höher die Trauben wachsen, desto intensiver ist auch die UV-Bestrahlung. Sie führt dazu, dass die Trauben dickere Häute, die mehr Farbe enthalten, entwickeln und auch aromatisch intensiver schmecken und eine Struktur für Weine mit einem ausgeprägten Alterungspotenzial besitzen.

Die Kellereien am Thunersee

Rebbaugenossenschaft Spiez: 
www.alpineweinkultur.ch 

Rebbaugenossenschaft Oberhofen: 
www.oberhofner.ch 

Rebbaugenossenschaft Hilterfingen: 
www.hilterfingen.ch/kultur-freizeit/rebbaugenossenschaft/ 

Rebbau Steffisburg: 
www.wygarte.ch/rebbau.php 

Rebberg in Thun: 
www.riemdaepp.ch 

Rebberg in Merligen:
www.riemdaepp.ch 

Rebberg in Gunten wird durch Grint,
Marti & Co. bewirtschaftet

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