Das Berner Oberland als Eintrittspforte ins Universum

Das Berner Oberland als Eintrittspforte ins Universum

Das Berner Oberland als Eintrittspforte ins Universum

Das Universum hat auf den Menschen schon immer eine grosse Faszination ausgeübt. Astronomie ist aber viel mehr als nur «Stärnli luege»: In der Volkssternwarte und unter der mächtigen Kuppel des Planetariums SIRIUS in Schwanden werden die Zuschauer auf eine Reise quer durch Zeit und Wissenschaft entführt.

Text: Renate Hodel  |  Fotos: Renate Hodel, zvg

Die Idee für den Bau einer Sternwarte mit Planetarium in Schwanden entstand Ende des letzten Jahrhunderts: Theo Gyger, damaliger Präsident des Tourismusvereins Schwanden, stellte das Projekt 1994 vor. Bis alle Bewilligungen und die Finanzierung für den Bau der Anlage vorhanden waren, dauerte es fünf Jahre – das Bauland hat Theo Gyger selbst für einen Symbolpreis zur Verfügung gestellt. Nur ein Jahr später, am 14. Oktober 2000, konnten die Sternwarte und das Planetarium mit dem klingenden Namen Sirius schliesslich eingeweiht werden.

Sirius, auch bekannt als «Hundsstern», ist der hellste Stern am Nachthimmel der Erde und wird nur von ein paar Planeten und der Internationalen Raumstation in den Schatten gestellt. Dies hat vor allem damit zu tun, dass Sirius sich relativ nah an der Erde befindet. Wobei «relativ» hier das ausschlaggebende Wort ist: Der Stern ist 8,6 Lichtjahre von uns entfernt, was über 75 000 000 000 000 Kilometern entspricht. Für alle, die vor lauter Nullen den Überblick etwas verloren haben, das sind über 75 Billionen Kilometer – oder einfach weit weg, sehr weit weg.

Auch wegen seiner Leuchtkraft ist Sirius für den zufälligen Himmelsbetrachter ein auffälliger Stern. Wenn der Stern direkt neben der Sonne platziert würde, würde Sirius sie mehr als 30 Mal überstrahlen – sozusagen ein Diamant am Nachthimmel. Ein Diamant, nach dem auch die sogenannten Hundstage zwischen dem 23. Juli und dem 23. August benannt sind.

Die Hundstage haben ihre Herkunft von den alten Ägyptern: Sirius ist der Hauptstern des Sternbildes Grosser Hund und die Hundstage begannen an jenem Tag, an dem jeweils zum ersten Mal der Stern Sirius am Morgenhimmel zu sehen war, und endeten an dem Tag, an dem das erste Mal das ganze Sternbild über dem Horizont zu erkennen war. Die Hundstage hatten für die alten Ägypter eine grosse Bedeutung, da mit dem Erscheinen von Sirius in der Regel die grosse Nilflut begann. Zu diesem Zeitpunkt begannen am Oberlauf des Nils die jährlichen grossen Regenfälle. Weiter südlich, dem Nil entlang, blieb es während des ganzen Jahres trocken. Einen Wetterbericht gab es aber damals noch nicht, einzig Sirius zeigte den Bauern dort an, dass sie höhere Gegenden aufsuchen sollten, um der Nilflut zu entgehen. Diese wurde allerdings mit Freuden erwartet, da sie das notwendige Wasser nach Ägypten brachte.

Für die alten Ägypter begannen die Hundstage noch anfangs Juli. Da die Erdachse aber innerhalb von 26 000 Jahren eine Kreisrotation durchführt, sind heute die Sternbilder nicht mehr zur gleichen Zeit zu sehen wie im alten Ägypten. Die Römer sahen Sirius erst Ende Juli aufgehen und so geht das Datum der Hundstage wohl auf die Römerzeit zurück. Heute ist Sirius sogar erst Ende August am Morgenhimmel zu sehen, bevor sich sein Aufgang über dem Horizont dann immer weiter Richtung Mitte der Nacht verschiebt. Im Winter ist er in unseren Breitengraden dann die ganze Nacht zu bestaunen.

Aber zurück zur Erde: Sechs Jahre nach der Einweihung der Sternwarte und des Planetariums in Schwanden wurde die Stiftung Sternwarte – Planetarium SIRIUS gegründet: Die Sternwarte und das Planetarium zu betreiben, die Weiterentwicklung der Anlage und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen sind die Hauptaufgaben der Stiftung. Als Stifterin agiert die Astronomische Vereinigung Berner Oberland, die die Anlage als Stiftungskapital einbrachte und heute die Gönnervereinigung der Stiftung ist. Die Stiftung hat gemeinnützigen Charakter und verfolgt keinerlei Erwerbszweck, dementsprechend arbeiten auch alle Mit- arbeiter, bis auf den Hauswart und das Buchungsbüro, ehrenamtlich, und hundert Prozent aller Einnahmen fliessen zurück in die Anlage.

Das ist nicht immer ganz einfach, so sind grössere Projekte auf die finanzielle Unterstützung von Sponsoren und Gönnern angewiesen: 2010 bis 2013 wurden für rund eine Million Franken die Fulldome-Anlage und der Sternprojektor sowie der Planetenweg realisiert. «Eine Million Franken findet man nicht einfach so auf der Strasse», bekräftigt Daniel Schweizer, seit elf Jahren Präsident der Stiftung Sternwarte – Planetarium SIRIUS und leidenschaftlicher Mitarbeiter im Planetarium und der Sternwarte. Deshalb sei man auch ungemein dankbar für die grosse Unterstützung der Spender und Gönner sowie durch den kantonalen Lotteriefonds, ohne dessen Hilfe das Ausbauprojekt nie hätte realisiert werden können. Auf den Sternprojektor ist man im Planetarium denn auch besonders stolz: Der Sternprojektor macht die von blossem Auge rund um die Erde erkennbaren Sterne sichtbar – über 7000 Sterne können so an die grosse Kuppel projiziert werden! Und dies ganz unabhängig von Wetter und Wind.

Der beeindruckende Projektor wird durch eine Ganzkuppelvideoanlage ergänzt, damit werden zum Beispiel die Linien in den Sternbildern eingeblendet oder die Vorführungen mit anderen Animationen stimmungsvoll ergänzt. Sogar die Sonne kann im Planetarium ganz genau unter die Lupe genommen werden: Mittels eines Heliostaten (Instrument zur Beobachtung der Sonne, das dem Sonnenlicht stets die gleiche Richtung gibt) kann unser Mittelpunkt des Sonnensystems in die Kuppel projiziert werden, um den Besuchern Sonnenflecken und Eruptionen auf der Sonnenoberfläche zu zeigen.

Die überaus anschauliche und informative Vorführungsweise ist sicher einer der grossen Pluspunkte für alle Besucher der Sternwarte und des Planetariums SIRIUS. Alle Vorführungen werden live kommentiert, was den Vorteil hat, dass die Besucher dazwischen auch Fragen stellen können, wenn ihnen etwas nicht klar ist oder wenn sie etwas genauer wissen möchten. «Wir wollen Astronomie unter die Leute bringen – wissenschaftlich korrekt und trotzdem für alle verständlich», erklärt Schweizer. So ist die Anlage zum Beispiel auch als ausserschulischer Lernort vom Kanton anerkannt. Den Lehrpersonen wird die Möglichkeit geboten, ihr eigenes Programm so zusammenzustellen, dass es optimal in ihren Lehrplan passt. «Astronomie wird leider oft aufs ‹Sternli anschauen› reduziert, dabei hat Astronomie so viel mehr zu bieten», bemerkt Schweizer.

Neben dem Streben nach dem Verständnis des Universums als Ganzes, seiner Entstehung und seinem Aufbau ist Astronomie sehr eng mit Physik und Mathematik verbunden. Traditionell ist auch die Zusammenarbeit der Astronomie mit der Zeit- und Kalenderrechnung. Immer häufiger kommt es ausserdem zu interdisziplinärer Forschung mit ursprünglich eher geisteswissenschaftlich ausgerichteten Disziplinen der Wissenschaft: Bauten und Funde aus vor- und frühgeschichtlicher Zeit werden vermehrt in astronomischem Zusammenhang interpretiert und da sich die Astronomie im Rahmen der Kosmologie mit den Fragen nach der Entstehung, der Entwicklung und dem Ende des Universums beschäftigt, gibt es darüber hinaus Schnittpunkte zu Theologie und Philosophie. Dass unsere Erde Teil eines riesigen Ganzen ist, wird dem Besucher spätestens beim Blick durch das riesige Teleskop in der Sternwarte bewusst. Das beeindruckende Teleskop gehört zu den grössten Instrumenten, die es in der Schweiz überhaupt gibt, und hat einen Durchmesser von 637 Millimeter. Wenn man durch das Teleskop in die unendlichen und mit Sternen übersäten Weiten des Universums blickt und bizarre Mondlandschaften, glitzernde Sternhaufen, Millionen Lichtjahre entfernte Galaxien und eindrückliche kosmische Nebel bestaunt, kommt man sich tatsächlich sehr klein, aber irgendwie auch sehr wertvoll vor. «Das, was wir hier unten haben, ist bei Weitem nicht alles», philosophiert auch Daniel Schweizer, «und es führt einem so richtig vor Augen, wie zerbrechlich unser kleines ‹Chügeli› eigentlich ist und wie wichtig es ist, dass wir dazu Sorge tragen und bewusster mit unseren Ressourcen umgehen.»

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