Eine neue Ära der Schifffahrt auf dem  Thunersee

Eine neue Ära der Schifffahrt auf dem Thunersee

Eine neue Ära der Schifffahrt auf dem Thunersee

Seit bald 200 Jahren existiert eine kommerzielle, touristisch orientierte Schifffahrt auf dem Thunersee. Seit 1913 verkehren die Dampf- und Motorschiffe unter der Ägide der BLS. Eine solche Flotte will natürlich unterhalten werden, und das war bisher mit grossem Aufwand und hohen Kosten verbunden. Mit der Eröffnung der neuen BLS-Werft an der Lachenstrasse wird sich das nun ändern. Die ThunerseeLiebi hat die neue Anlage für Sie besucht.

Text und Fotos: Alain Diezig

Any port in a storm sagt der Engländer – wenn Not am Mann ist, tuts jeder Hafen. Das galt bis vor kurzem auch für die Schiffsflotte auf dem Thunersee. Waren Unterhalts- oder Reparaturarbeiten nötig, mussten die mehrere Hundert Tonnen schweren Schiffe erst einmal mühselig aus dem Wasser ans Land gezogen werden. Diese Art der Wartung ist nicht nur arbeitsintensiv, sondern auch im Hinblick auf den Umwelt- und Gewässerschutz nicht ideal. 

Dieser Zustand hat nun mit der Eröffnung der neuen BLS-Werft mit ihrem Trockendock an der Lachenstrasse in Thun ein Ende. Die von der Firma L2A und den Bauingenieuren Mätzener & Wyss aus Interlaken konzipierte imposante neue Anlage ermöglicht erstmals ein speditives und umweltschonendes Arbeiten an den Schiffen auf dem Thunersee – und das nicht nur an den Schiffen der BLS, sondern auch an jenen anderer Unternehmen sowie an den zahllosen privaten Schiffen, die in der Halle gewartet und neu auch gewaschen werden können. Ölabscheider sind dafür besorgt, dass das Wasser des Thunersees durch diese Unterhaltsarbeiten nicht kontaminiert wird.

Morgendliche Idylle im alten Lachenkanal.

Zur Werft gehören auch ein Besucherzentrum und Werkstätten.

Damit das Ganze nicht im weichen Seegrund versinkt, mussten Dutzende Pfähle eingeschlagen werden.

Der Bau dieses Mammutprojekts nahm 15 Monate in Anspruch und kostete rund 13 Millionen Franken. Damit das Ganze nicht im weichen Seegrund versinkt, mussten Dutzende Pfähle eingeschlagen werden; erst danach konnte die mit Schweizer Holz verkleidete Struktur errichtet werden. Der aufwändige Bau ging ohne schwere Unfälle über die Bühne. 

Wie aber funktioniert ein Trockendock? Das Prinzip des Trockenlegens von Schiffen zum Zweck von Unterhaltsarbeiten und Reparaturen war schon den seefahrenden Völkern des Altertums bekannt. Der griechische Gelehrte Athenaios Naukratios beispielsweise beschrieb derartige Einrichtungen in seinem «Gelehrtenmahl» aus dem 2. Jahrhundert nach Christus. Zu diesem Zeitpunkt waren Trockendocks aber schon seit mehreren Hundert Jahren im Mittelmeerraum bekannt. Unabhängig davon erfanden auch die seefahrenden Völker Asiens, insbesondere Chinas, ihre eigenen Varianten dieser Einrichtung. Italienische Ingenieure der Renaissance entwickelten die Idee weiter und bauten schwimmende Docks, die entwässert werden konnten.

Die Werft von Westen gesehen.

Blick auf den seeseitigen Eingang der Werft.

Das Prinzip ist im Grunde genommen ganz einfach. Wie es ein Hamburger Kapitän so treffend beschrieb: «Das können Sie zuhause ausprobieren. Setzen Sie sich in die Badewanne, ziehen Sie den Stöpsel raus – und Sie sitzen im Trockenen.» Ganz analog wird das Schiff also im noch gefluteten Dock platziert. Mit eigener Kraft fährt das Schiff in das Dock. Erst die letzten Meter wird es von Hand gezogen. Befindet sich das Schiff nun an der richtigen Stelle, werden elf Tonnen schwere Dammbalken mithilfe eines speziell dafür gebauten Krans in die seeseitige Öffnung eingesetzt. Nun kann das Wasser abgepumpt werden – alle 4,5 Millionen Liter. Dieser Vorgang kann zwei bis drei Stunden in Anspruch nehmen. Ist der Wasserspiegel weit genug abgesunken, wird die Seitenfixierung der Schiffe mit Pneumatik-Zylindern an den Rumpf gepresst. Damit können leichte Verschiebungen in der Längsachse korrigiert werden und dabei wird sichergestellt, dass das Schiff stabil stehen bleibt. Moderne Rotationslaser messen dabei ständig das Schiff aus, damit es auch präzise in der Mitte zu liegen kommt. 

Nun liegt der Rumpf frei und das Schiff ist zur Wartung bereit. Das Schiff, das an diesem Morgen in der Werft liegt, ist das Motorschiff MS Berner Oberland. Es wurde 1996 in Duisburg gebaut und verkehrt im Sommer und im Winter als Kursschiff. Die Berner Oberland ist das grösste Schiff der BLS und dient unter anderem als Event-Schiff. Wie Ralph Darmstädter, der technische Leiter der BLS, der uns durch die Anlage führt, anmerkt, handelt es sich bei den meisten Schiffen nämlich im weitesten Sinne um schwimmende Restaurants mit Antrieb. 

Die MS Berner Oberland liegt in diesen Tagen insbesondere zur Revision ihres Antriebs in der BLS-Werft. Das ist die perfekte Gelegenheit, andere anstehende Unterhaltsarbeiten durchzuführen. So gilt es beispielsweise, den Rumpf des Motorschiffes mittels Sandstrahlen von Verunreinigungen zu befreien – eine Arbeit, die glücklicherweise nur ungefähr alle zwanzig Jahre durchgeführt werden muss. Der Rumpf ist rundherum dicht mit grünen Plastikblachen abgedeckt, unter die zwei dicke Rohre führen; der Lärm in der Halle ist so ohrenbetäubend, dass man sein eigenes Wort kaum versteht. Wieder an der frischen Luft, erläutert Ralph Darmstädter einen weiteren Vorteil des Trockendocks – es ermöglicht nämlich ein Arbeiten in aller Ruhe auch an Schiffen, deren exakte Baupläne im Laufe der Zeit ganz einfach verloren gingen. Von der Berner Oberland existieren beispielsweise sage und schreibe sechs Pläne – und keiner davon entspricht präzise dem Schiff, das an diesem Morgen sandgestrahlt wird.

Diese Rohre leiten Granulat zur Sandstrahlanlage.

Schweres Gerät: Schiffskomponenten in der Werft.

Ralph Darmstädter, technischer Leiter der BLS, erläutert uns die neue Werft.

Die MS Bubenberg ist das drittgrösste Motorschiff der BLS auf dem Thunersee.

Die BLS-Werft ist für die Region Thun auch ein nicht ganz unwichtiger Wirtschaftsfaktor. 45 Jahresangestellte werden in dieser Werft ihr Auskommen finden; dabei handelt es sich vor allem um Handwerker, die sich auf Nautik spezialisiert haben. Das bedeutet nicht nur, dass weiterhin sämtliche Unterhaltsarbeiten an der Thunersee-Schiffsflotte betriebsintern durchgeführt werden können, sondern auch, dass dieses wichtige Know-how in der Region verbleibt und nicht verloren geht. 

Begeistern Sie sich für Technik und Schifffahrt oder haben Sie sich immer schon gewundert, was sich eigentlich in dieser riesigen Halle genau verbirgt? Dann sollten Sie sich das Wochenende vom 24.–25. März 2018 nicht entgehen lassen. An diesem Tag wird die BLS-Werft an der Lachenstrasse am «Tag der offenen Werft» erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Alle sind herzlich eingeladen, sich dieses Beispiel moderner Ingenieurskunst aus der Nähe anzusehen.

Kontakt
BLS Schifffahrt
Lachenweg 19
3601 Thun
Tel. 058 32748 11

www.bls.ch


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